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„Textklau“ von AGB = Urheberrechtsverletzung?

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Nicht selten kommt es vor, dass Unternehmer es sich vermeintlich einfach machen wollen und AGB von anderen Wettbewerbern 1:1 oder in nur leicht abgewandelter Form übernehmen.

Das ist zumeist keine gute Idee. Die Übernahme von Texten kann durch spezielle Tools, z. B. copyscape, oder auch durch eine schlichte Google-Recherche rasch festgestellt werden.

Allgemeine Geschäftsbedingungen können als (wissenschaftliches Gebrauchs-) Sprachwerk eine persönliche geistige Schöpfung darstellen und damit urheberrechtsfähig sein. Dies dann, wenn sie sich wegen ihres gedanklichen Konzepts oder ihrer sprachlichen Fassung von gebräuchlichen juristischen Standardformulierungen abheben (OLG Köln, Urteil vom 27.02.2009, 6 U 193/08).

Werden nach dem Urheberrecht geschützte AGB ohne Einwilligung des Urhebers oder des Inhabers der ausschließlichen Nutzungsrechte übernommen, stellt dies eine Urheberrechtsverletzung dar. Dem Urheber oder Rechteinhaber stehen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gegenüber dem Verletzer zu.

Die oben zitierte Entscheidung des OLG Köln erging noch vor der Infopaq-Entscheidung des EuGH vom 16. Juli 2009 (EuGH ZUM 2009, 945 – Infopaq), in dem dieser erstmals die Aufgabe zu übernehmen hatte, Voraussetzungen eines allgemeinen europäischen Werkbegriffs zu entwickeln. Ein dänisches Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Übernahme von 11 Wörtern aus einem Zeitungsartikel eine Vervielfältigung eines Teils eines Werks nach Art. 2 InfoGes-Richtlinie bedeutet. Der EuGH bejahte dies und führte wie folgt aus:

„Eine Handlung, die darin besteht, einen aus elf Wörtern bestehenden Auszug eines geschützten Werkes zu speichern und auszudrucken, kann unter den Begriff der teilweisen Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der InfoGes-Richtlinie fallen, falls die wiedergegebenen Bestandteile – was vom nationalen Gericht zu prüfen ist – die eigene geistige Schöpfung durch den Urheber zum Ausdruck bringen“. (Hervorhebungen durch den Verfasser)

In dem Infopaq-Urteil entschied der EuGH nicht, ob die streitgegenständlichen 11 Wörter tatsächlich die Voraussetzungen einer „eigenen geistigen Schöpfung“ erfüllen. Dies ist letztlich Aufgabe der nationalen Gerichte. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die hohen Schutzvoraussetzungen einer „persönlichen“ geistigen Schöpfung, die dem deutschen Urheberrecht zugrunde liegen, seit der Entscheidung abzusenken sind. Es reicht nunmehr eine eigene geistige Schöpfung für ein schutzfähiges Werk aus; die „Kleine Münze“ ist werkartenweit geschützt (vgl. Berger, Aktuelle Entwicklungen im Urheberrecht – Der EuGH bestimmt die Richtung, ZUM 2012, 353; Metzger, Der Einfluss des EuGH auf die gegenwärtige Entwicklung des Urheberrechts, GRUR 2012, 118; Wedel, Die Infopaq-Entscheidung des EuGH: Schleichende Harmonisierung der Schutzvoraussetzung des Urheberrechts? Studienarbeit, erschienen 2010 bei GRIN).

Ob eine eigene geistige Schöpfung anzunehmen ist, muss stets im Einzelfall entschieden werden. Dies wird regelmäßig bei „Standard“-AGB, die beispielsweise für einen Online-Shop genutzt werden können, zu verneinen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass die AGB für Unternehmungen, die auf individuell erstellte AGB angewiesen sind, dem Schutz des Urheberrechts unterliegen, ist hingegen deutlich höher.

Die u. a. für das Urheberrecht zuständigen Kammern 8 und 10 des Landgerichts Hamburg haben in diversen Entscheidungen beispielsweise die Schutzfähigkeit der AGB einer Escort-Agentur bejaht (statt aller: Landgericht Hamburg, Az.: 308 O 424/11; Az.: 310 O 425/11). Zu berücksichtigen ist hier, dass Escort-Agenturen sich aufgrund des speziellen Geschäftsmodells bei der Erstellung von AGB nicht mit Standard-AGB aus Vertragshandbüchern bzw. Formularbüchern helfen können. Hier werden Verträge mit Escort-Agenturen schlicht nicht abgehandelt. Um einer individuellen Erstellung, gegebenenfalls unter Mithilfe eines Anwalts, zu entgehen, sah sich offenbar eine Vielzahl von Wettbewerbern veranlasst, sich bei den AGB der Urheberin zu bedienen.

Die Zivilkammer 8 des Landgerichts Hamburg ist weiterhin von der Schutzfähigkeit der AGB eines Unternehmens, das im Bereich des Ankaufs von Gold und weiteren Edelmetallen tätig ist, ausgegangen (z. B. Landgericht Hamburg, 308 O 116/12).

Ferner wurden die AGB eines weiteren Goldankäufers zu Recht als schutzfähig angesehen (Landgericht Hamburg, Beschluss vom 17.10.18, Az.: 308 O 323/18). Es heißt hier u. a.:

„Die streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen genießen als Sprachwerk urheberrechtlichen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind schutzfähig, wenn sie nicht lediglich juristische Standardformulierungen enthalten, sondern sich von der großen Zahl der alltäglichen Klauselformulierungen abheben und aus der Reihe vergleichbarer Regelungen hervorstechen (…) Die hier streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin heben sich in ihrer sprachlichen Gestaltung und ihrem Aufbau vom allgemein Üblichen ab und sind in ihrer Gesamtheit gerade noch hinreichend individuell konzipiert und formuliert. Die Sprache und Gedankenführung zeichnen sich durch einen auf für juristische Laien verständlichen Duktus aus, wodurch der Geschäftsablauf beim Ankauf der in Rede stehenden Waren in klarer und leicht verständlicher Weise dargestellt wird.“

Im Ergebnis ist aus mehreren Gründen von einem „Textklau“ durch Übernahme von AGB eines Wettbewerbers abzuraten. Die AGB könnten urheberrechtlich geschützt sein; Verstöße sind sehr leicht zu recherchieren. Dem Urheber bzw. Rechteinhaber stehen diverse Ansprüche gegenüber einem „erwischten“ Verletzer zu. Dieser muss sich dann obendrein auch noch um neue AGB kümmern. Wer unternehmerisch am Markt tätig sein möchte, sollte deshalb sinnvollerweise auch die Erstellung rechtssicherer Texte mit in das Budget einkalkulieren.


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