Tierhalterhaftung – Bissverletzung eines Jagdgastes durch einen bei der Nachsuche eingesetzten Hund

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Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit der Problematik der Schadensentstehung durch einen brauchbaren Jagdhund unmittelbar nach der eigentlichen Jagdausübung. Dabei stellt sich die Frage, ob auch für diesen Fall das Gesetz haftungsrechtlich betrachtet eine Privilegierung des Hundeführers vorsieht oder nicht. Der nachfolgend geschilderte Fall gibt eine auf den ersten Blick zunächst häufig vorkommende, im Wesentlichen völlig belanglose Situation wider, die sodann unvorhersehbar eskaliert…. Eine Situation, in die ein jeder Hundeführer geraten kann….

Elias ist Jagdpächter eines Niederwildreviers und von Beruf Dachdecker. Aufgrund des hohen Schwarzwildbestandes in seinem Revier ist er immer mitunter dankbar für Anfragen von interessierten Jagdgästen, die bei ihm auf Schwarzwildjagd gehen möchten. So geschah es, dass an einem Abend Jagdgast Timo sich im Revier von Elias ansetzte und tatsächlich zum Schuss kam. Zwar war sich Timo sicher, einen guten Schuss angebracht zu haben, dennoch flüchtete das Stück – wie bei Schwarzwild nicht unüblich – nahezu ohne zu zeichnen – außer Sichtweite. Ganz gleich, ob tödlich verletzt oder doch krank geschossen…. Dem Tierschutzgedanken folgend verständigte Timo sofort Elias und schlug vor, er könne doch, um nicht unnötig Zeit zu verlieren, seinen brauchbaren Jagdhund zur Suche auf die Verwundfährte innerhalb der Reviergrenzen ansetzen; sein Hund habe schon viele Suchen erfolgreich gearbeitet. Elias war für das Angebot an sich dankbar, obschon er üblicherweise einem anerkannten Nachsuchengespann vertraut und den Vorzug gibt. Wie nahezu erwartet, blieb die Suche ergebnislos und wurde schließlich beendet. Elias und Timo setzten sich nochmals abschließend zum Gespräch zusammen, um das Geschehene zu besprechen. Timos Hund war abgelegt worden. Plötzlich, aus für Timo unerfindlichen Gründen, biss sein Jagdhund in Elias‘ Ferse und verletzte ihn nicht unwesentlich. Als Dachdecker auf einen guten Stand auf dem Dachgebälk angewiesen, waren mehrere Wochen Arbeitsunfähigkeit die Folge des Beißvorfalls. Seine Arbeitgeberin zahlte zwar Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, war aber über diesen Umstand sichtlich unerfreut. 

Nachdem sämtliche außergerichtliche anwaltliche Forderungsschreiben bei Timo nicht durchdrangen, bemühte Elias Arbeitgeberin das Gericht und obsiegte erstinstanzlich. Timo wurde verurteilt, für den Zeitraum der bestehenden Arbeitsunfähigkeit von Elias geschuldetes Arbeitsentgelt, einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung sowie weiterer Beiträge und Umlagen etc. in Höhe von mehr als € 10.000 an die Arbeitgeberin von Elias zu zahlen. 

Gleichzeitig hatte Elias seine weitergehenden persönlichen Forderungen wie Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen Timo bereits erfolgreich eingeklagt (Landgericht Kaiserslautern, Az.: 3 O 16/14.

Timo wollte sich jedoch dem erstinstanzlichen Richterspruch nicht fügen und zog in die Zweite Instanz. Wie aber hat letztlich das Berufungsgericht entschieden? Muss Timo Schadenersatz gegenüber der Arbeitgeberin von Elias leisten?

Das für das Berufungsverfahren zuständige Oberlandesgericht Zweibrücken (Urteil vom 29. Januar 2016 – 2 U 82/12) urteilte sodann aus, dass der Arbeitgeberin gegen Timo ein Anspruch aus Tierhalterhaftung (§ 833 Bürgerliches Gesetzbuch) zusteht, der per cessio legis (gesetzlichem Forderungsübergang) in dem durch §§ 6 Entgeltfortzahlungsgesetz, 412, 399 ff. Bürgerliches Gesetzbuch bestimmten Umfang auf die Arbeitgeberin von Elias übergegangen ist.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken schloss sich dabei der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts an, dass allein der Hundebiss ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit von Elias gewesen sei und kein anderer Grund nur annähernd in Frage komme. Dies habe das eingeholte Gutachten zweifelsfrei ergeben.

Fernerhin stellte das Oberlandesgericht Zweibrücken klar, dass sich Timo nicht auf den Haftungsausschluss gem. §§ 104, 105 SGB VII berufen kann, weil die Verletzung gerade nicht im Rahmen einer Jagd erfolgt sei. 

Dies deshalb nicht, weil Timo als Jagdgast gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei gewesen sei. 

„(…) Er sei aufgrund der Durchführung der Nachsuche auch nicht als „So-wie-Beschäftigter“ von Elias im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu behandeln. (…)“ 

Dies läge u. a. daran, dass die Nachsuche durch Timo in eigener Initiative erfolgt sei und Elias ihn lediglich habe gewähren lassen. 

Außerdem stelle sich grundsätzlich die Frage, ob es sich bei der von Timo geleisteten Arbeit tatsächlich um eine „fachgerechte Nachsuche“ nach dem Landesgesetz Rheinland-Pfalz gehandelt habe, da Timo nachweislich kein anerkannter Schweißhundeführer sei. 

Diese Frage sei in vorliegendem Fall jedoch nur nachrangig gewesen, da nach Auffassung des Oberlandesgerichts Zweibrücken bereits aus einem anderen Grunde kein Haftungsprivileg von Timo in Anspruch genommen werden konnte.

Zwar habe Timo einen Versicherungsfall einer ihrerseits gesetzlich unfallversicherten Person – Elias – herbeigeführt (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII). Seine Haftung sei jedoch nicht durch eine betriebliche Tätigkeit innerhalb desselben Betriebs verursacht.

„(…) Betriebliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes ist eine Tätigkeit, die dem Verursacher von dem Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde. Dient die Tätigkeit auch eigenen Interessen des Schädigers, kommt es für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung darauf an, ob die Tätigkeit durch die Wahrnehmung eigener oder fremder Aufgaben geprägt war. Im Zweifel gilt, dass die Wahrnehmung eigener Aufgaben oder Interessen im Vordergrund steht (…). Ausgehend von der die Haftungsprivilegierung rechtfertigenden Funktions- und Gefahrengemeinschaft und dem Grundsatz der innerbetrieblichen Schadensteilung (vergl. dazu Hollo in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 105 SGB VII, Rn. 3) ist ein betriebliches Tätigwerden eines Jagdgastes entsprechend der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen anzunehmen. (…)“

Eine das Haftungsprivileg rechtfertigende Ausnahme mag dann gegeben sein, wenn das konkrete Unfallereignis nicht im Rahmen der eigennützigen Jagdausübung, sondern bei einer nur anlässlich der Jagdausübung ausschließlich im Interesse des Jagdausübungsberechtigten ausgeübten Tätigkeit eintritt, die dessen mutmaßlichem Willen entspricht (…) Jedenfalls eine Nachsuche im Sinne des § 21 LJG (RLP) in der zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses wäre eine alleine den Jagdausübungsberechtigten treffende gesetzliche Verpflichtung. 

D. h., eine durchgeführte Nachsuche eines anerkannten Gespanns nach dem Landesgesetz RLP hätte dem mutmaßlichen Willen von Elias zweifelsohne entsprochen.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken stellte im Rahmen seiner Entscheidung jedoch hervor, dass es aber vorrangig für die Beantwortung der Frage, ob eine Haftungsprivilegierung zum Tragen komme oder nicht, 

„(…) maßgeblich stets die Verrichtung ausschließlich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses [sei] (…)“.

Nach Auffassung des Oberlandesgericht Zweibrücken war

zum Zeitpunkt des Hundebisses die Nachsuche des Jagdgastes beendet. Er hatte seinen Hund abgelegt und befand sich in einem Gespräch. Damit war eine Nachsuche jedenfalls beendet. Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der bereits beendeten Nachsuche und dem Verhalten des Hundes ist (..) noch sonst ersichtlich. Das Haftungsprivileg greift mithin nicht ein. (…)“

Fazit:

Ein Jagdgast, der im jeweiligen Bundesland kein anerkannter Schweißhundeführer ist, sollte sich gut überlegen, ob er im Falle einer notwendig werdenden Nachsuche seinen Hund anbieten sollte. Denn selbst eine in Absprache mit dem Jagdpächter durchgeführte Nachsuche, bei der der eigene Hund den Jagdpächter durch einen Biss verletzt, führt zur Tierhalterhaftung des Jagdgastes; dies jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt des Hundebisses die Nachsuche bereits beendet war. Das für betriebliche Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehende Haftungsprivileg kommt ihm in diesem Fall nicht zugute.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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