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Spiel, Spaß und Spannung im Baurecht!

Hier mal wieder interessante gerichtliche Entscheidungen aus der Praxis für die Praxis. Die Erfolgshaftung ist ein unendliches Thema. Mit Abschluss des Werkvertrages übernimmt der AN das Erfolgsrisiko, es sei denn, es ist ausdrücklich etwas anderes geregelt. Mit Erfolgsrisiko ist gemeint, dass mit der Herstellung des Werks die berechtigten Erwartungen des AG an die Werkleistung erreicht werden müssen. Selbst wenn die Vorgabe des LV des AG oder das zu verwendende Material die Gefahr einer Funktionsbeeinträchtigung erhöhen, heißt das nicht, dass der AG damit einen Risikoausschluss vereinbaren will. Wenn der AN das Erfolgsrisiko in einem solchen Fall nicht tragen will, so muss er vertraglich einen Risikoausschluss vereinbaren. 

Hier ist der 1. Fall des OLG Schleswig vom 16.11.2021 zur Erfolgshaftung des AN lehrreich. Der Betreiber einer Biogasanlage beauftragte den AN im Jahr 2011 mit der Erstellung zweier zusätzlicher Behälter zur Erweiterung seiner Anlage. Im Innenbereich dieser Behälter sollten diese gegen Substrat und aggressive Gase mit einem Schutzanstrich versehen werden. Konkrete Vorgaben wurden hier durch den AG nicht gemacht. Die Arbeiten wurden vollständig abgenommen und bezahlt. Nach drei Jahren kam es zum Austritt von gelagertem Substrat und Betonschwindrissen, weil sich die aufgetragene Beschichtung als nicht hinreichend säurebeständig erwies und daher großflächig ablöste. Der AN verweigert die Mängelbeseitigung. Der Betreiber der Biogasanlage macht Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 170.000,00 € als Kostenvorschuss geltend. Das OLG Schleswig gibt dem Betreiber recht. Das OLG Schleswig kommt zu einem Sachmangel, da die im Jahr 2011 aufgebrachte Behälterbeschichtung sich als nicht geeignet für die gewöhnliche Verwendung darstellt und keine übliche Beschaffenheit aufweist, die der Betreiber nach Art der Leistung erwarten durfte. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, dass der Betreiber der Anlage erwarten durfte, dass der Behälter auf jeden Fall für die vereinbarte Gewährleistungszeit die notwendige Dichtigkeit aufweist und keine Leckagen in dieser Zeit auftreten werden. In dem Fall war das Material der Beschichtung ohne konkrete Materialvorgabe funktional ausgeschrieben. Mithin konnte der AN das Produkt wählen und trägt auch hierfür das Erfolgsrisiko, dass das Produkt für diesen Einsatzzweck funktioniert. Das bedeutet aber keineswegs im gegengesetzten Fall, dass bei Ausschreibung mit konkreter Materialvorgabe durch den AG, der AN sofort entlastet ist. Vielmehr hat der AN immer zu prüfen, ob das Material als Beschichtung gegen Substrat und aggressive Gase auch taugt. Dies kann nicht oft genug wiederholt werden. Der AN muss hierfür notwendige Information über die Tauglichkeit von Materialvorgaben einholen und darf sich nicht auf diese Angaben des AG verlassen und bloß das Leistungsverzeichnis abarbeiten. Wenn er bei der Informationseinholung Risiken in dem Material sieht, so muss er auf jeden Fall Bedenken gegenüber dem AG anmelden und am besten einen Risikoausschluss vereinbaren, um das Erfolgsrisiko auf den AG zu verlagern. Man muss als AN schon wissen, was man tut. Diese Auffassung vertreten die Gerichte und sind in ihrem Entscheidungen knallhart, wenn es darum geht, wer das Erfolgsrisiko beim Werkvertrag trägt. Deshalb sollte der AN auch öfter mal darüber nachdenken, wenn er die Risiken nicht abschätzen kann, den Auftrag eben nicht anzunehmen. Dies kommt oftmals preiswerter, als wenn man später in der vollen Haftung ist. Das zeigt dieser Fall sehr gut auf. Nochmals sei angemerkt, dass eine Bedenkenanmeldung sowohl für ein VOB-Vertrag als auch für einen BGB-Vertrag gilt. 

Der 2. Fall geht für den AN positiv aus. Dort ging es darum, dass der AG dem AN für eine Balkonsanierung Betonplatten eines bestimmten Herstellers vorgeschrieben hatte. Die Sanierung schlug fehl, weil die Platten für den Einsatz generell ungeeignet sind. Der AG fordert vom AN rund 150.000,00 € für die Neuverlegung fachgerechter Betonplatten. Dies hätte der AN nur anhand labortechnischer Untersuchungen feststellen können. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, dass, wenn der AN ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage ist, fachliche Bedenken anzumelden so haftet er nicht für Baumängel, die auf eine betreffende Vorgabe des AG zurückzuführen sind. Das OLG Frankfurt kommt mit Urteil vom 15.01.2018 zu dem Schluss, dass dies hier der Fall war da, da der AN die mangelnde Eignung der vom AG vorgegebenen Platten nur anhand einer labortechnischen Untersuchung hätte feststellen können. Anlass, eine solche Untersuchung durchzuführen, hatte der AN nicht. 

Der 3. Fall beschäftigt sich mit dem Widerruf eines Bauvertrags durch einen Verbraucher. Dieser Fall ging auch durch die Presse. Das Kammergericht Berlin hat mit Urteil vom 16.11.2021 entschieden, dass dem AN kein Wertersatz für erbrachte Leistungen zusteht. Hier ging es darum, dass der AG, der Verbraucher ist und Eigentümer eines Einfamilienhauses Innenausbauarbeiten durchführen ließ. Man traf sich auf der Baustelle und dort beauftragte der Verbraucher den AN mit den entsprechenden Arbeiten. Der AN belehrte den AG nicht über sein Widerrufsrecht. Nach der ersten bezahlten Abschlagsrechnung erklärte der Verbraucher dann den Widerruf des Vertrags und forderte den AN zur Rückzahlung der geleisteten 6.000,00 € auf. Der AN berief sich darauf, dass dieser Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers erloschen sei, da der Verbraucher sich den Wert der erbrachten Bauleistung anrechnen lassen muss. Weit gefehlt! Das Kammergericht entschied anders. Das Gericht kam klar zu der Feststellung, dass es sich hier um einen Bauvertrag mit Verbraucherbeteiligung handelt und die Notwendigkeit einer Widerrufsbelehrung notwendig war, da es sich um einen außerhalb der Geschäftsräume des AN abgeschlossenen Vertrag gehandelt hat. Jedem AN muss bewusst sein, dass bei fehlender Widerrufsbelehrung ein Widerruf auch noch bis zu 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss möglich ist. Grundsätzlich bestimmt § 357 Abs. 8 BGB, dass der Verbraucher auch bei Bauleistung keinen Wertersatz leisten muss. Das ist eine gravierende Konsequenz. Ein solcher Wertersatz muss der Verbraucher nur dann leisten, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist und der Verbraucher den AN zur Leistungserbringung vor Ablauf der Widerrufsfrist aufgefordert hat. Im Einzelfall hat das Gericht festgestellt, dass die Berufung des Verbrauchers auf den Ausschluss des Wertersatzes nach § 357 Abs. 8 BGB treuwidrig sein kann, wenn die erbrachten Leistungen mangelfrei sind und vom Verbraucher verwertet werden und der Wertersatz sowohl aus Verbrauchersicht als auch aus objektiver Sicht nicht unangemessen hoch ist. Die Berufung auf die Treuwidrigkeit hat jedoch ihre Tücken, da dies ein weiter Rechtsbegriff ist und eine Rechtssicherheit wohl kaum gegeben sein dürfte. Anders ist dies beim Verbraucherbauvertrag geregelt. Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird (§ 650i BGB). Auch hier ist ein Widerrufsrecht nach § 650l BGB zu beachten. Jedoch ist der Wertersatz bei einem Widerruf des Verbraucherbauvertrages durch den Verbraucher gesetzlich in § 357d BGB geregelt. Das bedeutet, dass bei einem Verbraucherbauvertrag der AN bessergestellt wird, da er im Falle des Widerrufs auf jeden Fall Wertersatz erhält. Das Widerrufsrecht mit Verbrauchern ist für Handwerker schwieriges Fahrwasser, was zahlreiche Untiefen aufweist und dazu führen kann, dass der AN für seine gute Leistung aufgrund des Widerrufs des Bauvertrages kein Geld erhält. Dies ist eine einschneidende Rechtsfolge.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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