Überbrückungshilfen und Schlussabrechnung im Rahmen eines (drohenden) Insolvenzverfahrens

  • 5 Minuten Lesezeit

Von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht und Steuerberaterin Elisa Roggendorff (roggendorff@lfr-law.de) 


Die Überbrückungshilfen wurden vielfach auf der Basis von prognostizierten Umsatzrückgängen und Fixkosten beantragt. Die jeweiligen Förderbedingungen der Überbrückungshilfen sehen vor, dass die Höhe der Billigkeitsleistungen anhand der tatsächlichen Geschäftsentwicklung, das heißt den tatsächlich erzielten Umsätzen und der tatsächlichen Höhe der erstattungsfähigen Fixkosten, zu ermitteln ist. Auf dieser Basis werden etwaige Nachzahlungen oder Rückforderungen ermittelt. Die Frist wurde bis zum 30.06.2023 verlängert.

Dadurch wird erstmalig das wirtschaftliche Ausmaß der Pandemie ersichtlich, denn im Rahmen der Schlussabrechnung werden die Bescheide erstmalig vollständig geprüft. Den Unternehmen drohen Rückforderungen, die auch daraus resultieren, dass die Förderbedingungen bei Antragstellung vielfach unscharf formuliert wurden und daher viele Anträge auch unabsichtlich unzutreffend gestellt wurden. Da vielfach Anträge kaum oder kursorisch geprüft wurden, fiel dies bisher nicht auf. Auf möglicherweise fehlerhaften Angaben wurden sodann für folgende Überbrückungshilfen Anträge gestellt. Einen Vorgeschmack auf das Ausmaß der drohenden Rückforderungen gibt nun der Umgang der Behörden mit den Anträgen ÜBH IV 2. Quartal und dem Förderkriterium „coronabedingter Umsatzrückgang“.


1.  Angaben zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei Antragstellung

Corona - Überbrückungshilfen stellen steuerpflichtige Zuschüsse dar. Im Rahmen der Antragstellung waren eine Reihe von Vorgaben zu beachten. So sahen die FAQ für alle Beihilferegelungen beispielsweise vor, dass „Unternehmen in Schwierigkeiten“ bereits nicht antragsberechtigt waren. Es wird erwartet, dass diese Kriterium intensiv geprüft werden wird und im Zweifel Rückforderungen drohen. Nach der EU Definition sind Unternehmen in Schwierigkeiten, wenn sie zum 31.12.2019 eines der nachfolgenden Kriterien erfüllen:

  • Kapitalgesellschaften haben das halbe Stammkapital verloren
  • Personengesellschaften haben die Hälfte der Eigenmittel verloren
  • Unternehmen ist Gegenstand eines Insolvenzverfahrens oder die Voraussetzungen der Eröffnung sind erfüllt
  • Unternehmen hat Rettungsbeihilfe erhalten
  • (bei Großunternehmen gelten erweitere Kriterien)

Die Angaben, dass das Unternehmen nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist, wurde als subventionserhebliche Tatsache bezeichnet. Mithin drohen auch strafrechtliche Folgen.


2. Insolvenzverfahren im Förderzeitraum bzw. bis Erstellung der Schlussabrechnung

Soweit eine Insolvenz nach dem 31.12.2019 eintritt, sieht Ziffer 6.3 der FAQ zu den Schlussabrechnungen folgende Regelungen vor:

  • Die weiteren Auszahlungen von Zuschüssen an ein Unternehmen, dass Insolvenz beantragt hat, ist ausgeschlossen. Dies begründet sich aus dem Zweck der Subvention, der die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von durch coronabedingten Einschränkungen betroffenen Unternehmen.
  • Da die jeweiligen Förderzeiträume ( bei der ÜBH IV bis Juni 2022) bereits alle abgelaufen sind, drohen keine Rückforderungsansprüche mehr. Bis zum Erhalt des Zuschusses bzw. bis zum Ablauf der Förderperiode waren bei einem Insolvenzereignis die Zuschüsse des Förderprogramms und etwaiger weiterer beantragte Förderprogramme grundsätzlich zurückzuzahlen.
  • Das bedeutet, dass Unternehmen, die Insolvenzantrag gestellt haben sowie Überbrückungshilfe IV beantragt und bewilligt bekommen haben, jedoch noch keine vollständige Auszahlung erhalten haben, keine weiteren Auszahlungen mehr erhalten dürfen, Ziffer 5.1 FAQ Schlussabrechnungen. Gemäß § 3 SubVG hat der Subventionsnehmer die Pflicht unverzüglich alle Tatsachen mitzuteilen, die für die Bewilligung, Gewährung, Weitergewährung, Inanspruchnahme und dem Belassen von Subventionen erheblich sind. Insofern besteht die Pflicht, die Insolvenz gegenüber der Bewilligungsstelle anzuzeigen. Ferner enthalten die Bescheide (jedenfalls in Bayern) die Unterrichtung, dass Angaben über die Beantragung eines Insolvenzverfahrens vor Erhalt der Billigkeitsleistung für die Bewilligung, Gewährung oder Rückforderung und Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils erheblich sind. Insofern drohen auch strafrechtliche Konsequenzen, wenn nicht unverzüglich vor Erhalt der Billigkeitsleistung (derzeit letzte Tranche ÜBH IV) das Insolvenzverfahren der Bewilligungsstelle anzuzeigen ist.
  • Erfolgt die Insolvenz nach Erhalt des Zuschuss und nach Ablauf des Förderzeitraums einer Corona Wirtschaftshilfe, müssen die Zuschüsse dieses Förderprogrammes und vorangegangener Förderprogramme nicht zurückgezahlt werden. Dennoch ist eine Schlussabrechnung einzureichen. Diese wird wohl gemäß § 80 InsO durch den Insolvenzverwalter einzureichen sein.
  • Die Unternehmen erhalten jedoch auch nach erfolgter Schlussabrechnung nicht etwaige ihnen noch zustehende Nachzahlungen, die sich aus der Ermittlung der endgültigen Förderhöhe ergeben.
  • Es ist denkbar, dass ein durch Insolvenzgutachten festgestellter früherer Zeitpunkt der Insolvenzreife Rückforderungsansprüche entstehen lässt, die sich wohl zunächst gegen die Masse richten.


3. Krisenanzeichen

Für betroffene Unternehmen ist darüber hinaus Folgendes zu beachten:

Wenn im Rahmen der Erstellung der Schlussabrechnung durch die prüfenden Dritten ersichtlich wird, dass Rückforderungsansprüche drohen, sind die Geschäftsleiter gehalten, dies bei der Finanzplanung zu berücksichtigen. Derzeit ist in Geltung des SanInsKG der Prognosezeitraum für eine Fortführungsprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung auf 4 Monate verkürzt. Die Frist zur Antragstellung wegen Überschuldung wurde auf 8 Wochen erhöht. Für die Geschäftsleitung ist trotz der vermeintlichen Erleichterung Vorsicht geboten.

Die Verkürzung des Prognosezeitraums von zwölf auf nunmehr lediglich vier Monate entschärft zwar den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung, jedoch ersetzt dies keinesfalls die intensive Auseinandersetzung mit der mittel- bis langfristigen Unternehmensplanung. Diese sollte auch weiterhin deutlich über den Vier-Monats-Zeitraum hinaus aufgestellt werden, fortwährend auf ihre Plausibilität hin geprüft und bei Änderungen der Umstände angepasst werden. Die Pflicht zur mittel- bis langfristigen Planung ergibt sich nicht zuletzt aus der Pflicht zur Krisenfrüherkennung gem. § 1 StaRUG.

Dies gilt um so mehr, als dass die Vermutung, dass die Überschuldung auf die Covid 19 Pandemie zurückzuführen ist, nur dann gilt, wenn

  • der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war,
  • der Schuldner in dem letzten, vor dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und
  • der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist.

Insofern drohen (auch) hier strafrechtliche Folgen.


Das Ausmaß der tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wird möglicherweise erst im Rahmen der Schlussabrechnung vollständig ersichtlich.


Über #LFR Wirtschaftsanwälte

LFR Wirtschaftsanwälte sind Ihr Partner im Insolvenzrecht und bei Restrukturierungen

Als qualifizierte Fachanwälte im Gesellschafts-, Arbeits- und Insolvenz- und Steuerrecht, als zertifizierte Restrukturierungs- und Sanierungsexperten vertreten wir Sie in allen Fragen rund um die Krise Ihres Unternehmens. Als erfahrene und spezialisierte Wirtschaftsanwälte erarbeiten wir mit Ihnen individuelle Konzepte bei drohender Insolvenz, Sanierung oder Restrukturierung und zur Durchsetzung oder Abwehr von Schadensersatz- und Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer, Vorstände und Gesellschafter.

Ihre Kanzlei für Insolvenzrecht ist Ihr zuverlässiger Partner in allen Fragen rund um die Themen Insolvenz/Sanierung/Restrukturierung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Steuerberaterin Elisa Roggendorff

Beiträge zum Thema