Überschuldeter Nachlass - Empfehlungen für den Erben

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Mit dem Tod seines Schuldners verliert der Gläubiger die Person, die er in Anspruch nehmen kann und dessen gesamtes Vermögen geht auf den oder die Erben über. Es erscheint daher auf den ersten Blick interessengerecht, wenn im Gesetz angeordnet wird, dass die Erben auch für die Nachlassverbindlichkeiten haften. Allerdings würde bei Überschuldung des Nachlasses eine solche unbeschränkte Erbenhaftung ohne die Möglichkeit, eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen, dazu führen, dass der Erbe letztlich durch die Erbschaft schlechter steht als ohne. Das wäre nicht nur für den Erben selbst nachteilig, sondern unter Umständen auch für seine sonstigen Gläubiger.

Erben, die mit einem tatsächlich oder vermutlich überschuldeten Nachlass konfrontiert sind, haben zunächst häufig die Vorstellung, sie müssten die Erbschaft möglichst schnell ausschlagen, um einer persönlichen Haftung für die Schulden des Erblassers zu entgehen. Die Ausschlagung der Erbschaft ist aber nur eine und oft noch nicht einmal die empfehlenswerte Handlungsalternative. Das deutsche Erbrecht sorgt vielmehr durch diverse Regelungen für einem differenzierten Interessenausgleich zwischen Erben, dessen Gläubigern und den Nachlassgläubigern.

Vor der Annahme der Erbschaft kann ein sich gegen den Nachlass richtender Anspruch nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden – vereinfacht ausgedrückt: Der Erbe kann vor der Annahme der Erbschaft nicht „als Erbe“ verklagt werden. Liegt bereits ein Vollstreckungstitel vor, d.h. droht bereits die Zwangsvollstreckung, sorgt das Gesetz vor der Annahme der Erbschaft für eine Trennung der Haftungsmassen. Einerseits ist die Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, grundsätzlich nur in den Nachlass zulässig. Andererseits ist wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass nicht zulässig. Allerdings kann eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners bereits begonnen hatte, in seinen Nachlass fortgesetzt werden. 

Der Erbe hat die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen. Dafür können persönliche Gründe bestehen. Soweit eher rechtliche Gesichtspunkte für eine Ausschlagung sprechen, sollen drei denkbare Fallgruppen genannt werden.

  • Eine Ausschlagung kommt zunächst bei überschuldetem Nachlass in Betracht, was aber regelmäßig nur dann zu empfehlen ist, wenn ausgeschlossen werden kann, dass kein bisher unbekanntes Vermögen vorhanden ist. Gehört Betriebsvermögen zum Nachlass, ist eine solche Einschätzung innerhalb der sehr kurzen Ausschlagungsfrist häufig nicht möglich. Die Ausschlagungsfrist beträgt grundsätzlich sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall und dem Grund der Berufung zum Erben, es sei denn, der Erblasser hatte nur einen Wohnsitz im Ausland oder der Erbe hat sich bei Fristbeginn im Ausland aufgehalten. Dann beträgt die Frist sechs Monate.
  • Die Ausschlagung kommt weiterhin zur Abschirmung des Nachlasses – „Familienvermögens“ – vor dem Zugriff der Gläubiger wegen eigener Verbindlichkeiten des ausschlagenden Erben in Betracht. Mit anderen Worten: Hier wird mittels der Ausschlagung nicht der Erbe vor dem überschuldeten Nachlass, sondern der Nachlas vor dem überschuldeten Erben geschützt. Das funktioniert natürlich nur, wenn innerhalb einer Familie entsprechende vertrauensvolle Beziehungen bestehen und ist stets sorgfältig abzuwägen. Die Gläubiger des Erben können sich gegen eine solche Ausschlagung nicht wehren. Selbst eine bewusste Gläubigerbenachteiligung ist hinzunehmen.
  • Stellt der Erbe fest, dass sich im Nachlass Schwarzgeld befindet und dass z.B. die auf den Auslandskonten angefallenen Zinsen vom Erblasser nicht in den Einkommensteuererklärungen der letzten Jahre angegeben worden sind, ist der Erbe verpflichtet, die fehlerhaften Steuererklärungen des Erblassers unverzüglich (2-4 Wochen) zu berichtigen. Ansonsten begeht er eine eigene Steuerhinterziehung. Das gilt nach herrschender Meinung selbst dann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen hat und für das anschließende Unterlassen einer Berichtung der Steuererklärung strafrechtlich gar nicht hätte verantwortlich gemacht werden können. Will der Erbe diesen steuerlichen Berichtigungspflichten von vornherein entgehen, kann er die Erbschaft innerhalb der gesetzlichen Fristen ausschlagen.

Deutlich flexiblere Lösungen als die vorgenannte Ausschlagung der Erbschaft bietet die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, wobei man zwischen der zeitlich befristeten Verschonung und der endgültigen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass gegenüber allen oder nur gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern unterscheiden kann.

Der Erbe hat zunächst die Möglichkeit, eine zeitlich befristete Haftungsverschonung zu erreichen. Zum einen besteht die Möglichkeit der Dreimonatseinrede. In den ersten drei Monaten nach der Annahme der Erbschaft hat der Erbe nämlich das Recht, die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern. Der Erbe hat außerdem die Möglichkeit der sogenannten Einrede des Aufgebotsverfahrens, wenn der Erbe innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft einen Antrag auf Erlassung des Aufgebots stellt und der Antrag zugelassen wird.

Die Miterben einer Erbengemeinschaft haben darüber hinaus die Möglichkeit der Einrede des ungeteilten Nachlasses, d. h. sie sind berechtigt, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Eigenvermögen bis zur Teilung des Nachlasses zu verweigern. Diesen Haftungsbeschränkungen ist gemein, dass sie dem Erben nur einen vorübergehenden Schutz gewähren und ihm damit die Möglichkeit eröffnen, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen und sich seine endgültigen Schritte mit der gebotenen Ruhe zu überlegen.

Eine dauerhafte Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern erreicht der Erbe durch die Nachlassverwaltung und durch das Nachlassinsolvenzverfahren. Ist der Nachlass so überschuldet, dass selbst die Kosten einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens nicht bezahlt werden können, hat der Erbe die Möglichkeit, eine entsprechende Einrede zu erheben. Diese Haftungsbeschränkungen gewähren dem Erben Schutz vor allen Nachlassgläubigern.

Darüber hinaus hat der Erbe auch Möglichkeiten, (nur) gegenüber einzelnen Gläubigern eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass zu erreichen. Eine solche Möglichkeit eröffnet das Aufgebotsverfahren. Dem Erben wird durch das Aufgebotsverfahren die Möglichkeit gegeben, sich einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen. Bei einem unübersichtlichen Nachlass wird der Erbe durch das Aufgebotsverfahren überhaupt erst in die Lage versetzt, ein Inventar zu errichten oder die Notwendigkeit einer Nachlassverwaltung bzw. eines Nachlassinsolvenzverfahrens in Erfahrung zu bringen. Versäumen es die Nachlassgläubiger innerhalb der ihnen im Aufgebotsverfahren gesetzten Frist, ihre Forderung beim Nachlassgericht anzumelden, so haftet der Erbe für diese Verbindlichkeiten lediglich mit dem Nachlass. Der Antrag ist nicht fristgebunden, allerdings sollte er unbedingt innerhalb eines Jahres nach Erbschaftsannahme gestellt werden, weil sonst die Möglichkeit der Einrede des Aufgebotsverfahrens entfällt. 

Jörg Eckert

Steuerberater Rechtsanwalt

Fachanwalt für Steuerrecht

Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)



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