Überstundenvergütung und Auszahlungspflicht des Arbeitgebers

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Laut einer neuen Pressemitteilung (16/2022) zum Urteil des BAG vom 04.05.2022 (5 AZR 359/21) wurde entschieden, dass die sog. Stechuhr-Entscheidung (C-55/18) des EuGH keine Auswirkung auf nationales Arbeitsrecht in Bezug auf Überstunden hat.

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer bei einem Überstundenvergütungsprozess darlegen, dass er Arbeit verrichtet hat, welche normale Arbeitszeiten übersteigt. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Überstunden ausdrücklich oder zumindest konkludent angeordnet, geduldet oder im Nachhinein gebilligt wurden.

Durch die Stechuhr-Entscheidung des EuGH und eine erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden wurde dies in Frage gestellt.


Im zugrundeliegenden Fall begehrte ein Auslieferungsfahrer die Auszahlung seiner Überstunden.  Er nahm während seines Arbeitsverhältnisses die tägliche Arbeitszeit von  Anfang bis Ende mithilfe von technischer Zeitaufzeichnung auf. Pausen wurden von dieser allerdings nicht aufgezeichnet.

Insgesamt erfassten die Aufzeichnungen ungefähr 350 Überstunden. Um diese ausgezahlt zu bekommen, erhob er Klage in Höhe von ungefähr 5.200€.  Er erklärte, während der erfassten Zeit pausenlos gearbeitet zu haben, da die Bewältigung der Auslieferungsaufträge ansonsten nicht umzusetzen gewesen wäre.

Erstinstanzlich wurde der Klage stattgegeben - mit Berufung auf das Stechuhr-Urteil des EuGH. Diesem Urteil nach müssen die Mitgliedsstaaten, die Arbeitnehmer verpflichten, „ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen“ mit welchem Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit messen können.

Dadurch soll nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts die Darlegungslast bei einem Prozess über die Vergütung von Überstunden verändert werden. Demnach sei es nicht mehr notwendig, dass der Arbeitgeber positive Kenntnis über die Überstunden habe, um sie veranlasst zu haben. Denn unter Heranziehung des Arbeitszeiterfassungssystems sei es ihm möglich, sich fortwährend einen Überblick und damit Kenntnis zu verschaffen. Für die Klagebegründung reiche das Vorbringen der Anzahl geleisteter Überstunden somit aus.

Nach Auffassung der ersten Instanz habe die Beklagte nicht ausreichend darlegen können, dass der Kläger Pausen genommen habe, sodass die Klage begründet sei.


Bei den darauffolgenden Instanzen hatte die Klage allerdings keinen Erfolg.

Das BAG sah die Voraussetzung „der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer“ immer noch als notwendig an, unabhängig von dem Urteil des EuGH. Denn durch diese Voraussetzung würde der Arbeitszeitrechtlinie 2003/88/EG sowie Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechnung getragen.

Der Rechtsprechung des EuGH sei zu entnehmen, dass die Bestimmungen auf die „Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“ abzielen, um  die  Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Die Vergütung der Arbeitnehmer sei hiervon grundsätzlich nicht umfasst. Somit habe die Verpflichtung des Messens der Arbeitszeiten „keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess.“

Der Vortrag des Klägers sei demnach nicht ausreichend konkret gewesen; es sei nicht ersichtlich, warum der Kläger pausenlos arbeiten musste. Eine pauschale Behauptung ohne  Details bezüglich des Umfangs der Arbeiten sei nicht ausreichend.



Foto(s): Janus Galka

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