Unerlaubter Umgang mit Abfällen – Vorladung oder Hausdurchsuchung wegen § 326 StGB

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Im Abwasser eines Schlachthofes befinden sich unter anderem Körperteile von toten Tieren, Blut und Splitter von Tierknochen. Dieses Abwasser soll in eine Kläranlage geleitet werden, gelangt dabei aber in ein Gewässer. [stark verkürzter Sachverhalt zu BGH Beschluss v. 20.11.1996 – 2 StR 323/96 (LG Darmstadt)

Der Bundesgerichtshof entschied, dass das Einleiten dieses Abwassers den Tatbestand des § 326 StGB (Unerlaubter Umgang mit Abfällen) verwirklichen kann.

Der unerlaubte Umgang mit Abfällen stellt das wohl am häufigsten begangene Delikt im Umweltstrafrecht dar.

Geschützt werden soll nicht nur die Umwelt als solche, also beispielsweise Böden oder Gewässer, sondern auch Tiere und Menschen.

Das Umweltstrafrecht dient also nicht dem Schutz der Rechtsgüter einzelner Personen, sondern denen der Allgemeinheit.

Der Bereich der Umweltstraftaten ist insbesondere deshalb so komplex, weil das Umweltstrafrecht einen starken Bezug zum Verwaltungsrecht aufweist.

Eine Strafbarkeit nach § 326 StGB steht oftmals in direktem Zusammenhang zu einer Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, also beispielsweise dem Verstoß gegen eine verwaltungsbehördliche Untersagung oder dem Handeln ohne verwaltungsbehördliche Genehmigung.

Welche Strafe kann bei unerlaubtem Umgang mit Abfällen verhängt werden?

Abhängig davon, welche der Varianten des § 326 StGB verwirklicht wurde, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, bis zu drei Jahren oder bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor.

In bestimmten Fällen kann die Strafe jedoch höher ausfallen:

Handelt der Täter beispielsweise aus Gewinnsucht oder wird durch den vorsätzlichen unerlaubten Umgang mit Abfällen ein anderer Mensch in Todesgefahr gebracht, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren verhängt werden.

Bei der Verursachung des Todes eines anderen Menschen sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren vor.

Mögliche Nebenfolgen einer Verurteilung wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen

Bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen bleibt es aber gegebenenfalls nicht „nur“ bei einer Freiheits- oder Geldstrafe.

Als Nebenfolge einer Verurteilung kann gegebenenfalls ein (vorläufiges) Berufsverbot angeordnet werden. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen befürchtet wird, dass der Täter eine solche Tat im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs künftig wieder begehen wird.

Unter bestimmten Voraussetzungen können außerdem Gegenstände, die im Zusammenhang zur Tat stehen, beispielsweise Tatmittel, eingezogen werden.

Was ist Abfall im Sinne des § 326 StGB?

Unerlaubter Umgang mit Abfall. Ist es nun strafbar, eine Plastikverpackung in den Biomüll zu schmeißen?

§ 326 StGB umfasst zunächst nicht jede Art von Abfall. Abfall im Sinne des § 326 Abs.1 StGB ist beispielsweise solcher, der für den Menschen krebserregend oder der allgemein explosionsgefährlich ist.

Auch die Geeignetheit, Gewässer oder Böden nachhaltig zu verunreinigen, kann ein Merkmal strafrechtlich relevanten Abfalls sein.

Unter den Abfallbegriff des § 326 StGB können zum Beispiel Pflanzen und tote Tiere beziehungsweise deren Körperteile fallen.

Dass tatsächlich beispielsweise Gewässer verunreinigt werden oder dass der Abfall tatsächlich Erreger enthält, die das Erbgut von Menschen verändern, ist für eine Strafbarkeit jedoch nicht erforderlich.

Bestraft wird bereits die abstrakte Gefährlichkeit des Abfalls, also die Tatsache, dass der Abfall schädliche Auswirkungen haben kann. Dass er diese schädlichen Auswirkungen tatsächlich hervorruft, ist dabei zunächst irrelevant.

Die reine Gefährlichkeit als maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 326 StGB, zeigt sich an verschiedenen Stellen.

Zum Beispiel …

(1) … im Fall des § 326 II StGB, der das reine Verbringen von Abfall unter Verstoß eines Verbotes oder ohne vorausgesetzte Genehmigung sanktioniert. Hier wird also bereits der Verstoß gegen eine verwaltungsrechtliche Pflicht geahndet.

(2) … darin, dass eine Strafbarkeit dann ausgeschlossen ist, soweit aufgrund der geringen Menge des Abfalls seine Gefährlichkeit offenkundig ausgeschlossen ist.

(3) … in der Möglichkeit einer Strafmilderung oder der Straflosigkeit, soweit der Täter freiwillig die von dem Abfall ausgehende Gefahr beseitigt.

Teilweise kommt es zur Einordnung einer Sache als Abfall im Sinne des Umweltstrafrechts aber nicht ausschließlich auf ihre Gefährlichkeit an, sondern zusätzlich darauf, ob sie noch so genutzt werden kann, wie es für eine Sache dieser Art typisch ist und ob der Besitzer die Sache noch dergestalt nutzen will.

Unter bestimmten Voraussetzungen wird vertreten, dass auch ein schrottreifes Kfz strafrechtlich relevanten Abfall darstellen kann.

Zum Beispiel stellte das Landgericht Stuttgart (LG Stuttgart, Beschluss v. 5.4.2005 – 18 Qs 24/05 in NStZ 2006, 291) fest, dass ein Kfz, das bereits schrottreif ist und dabei außerdem die Gefahr des Auslaufens von Flüssigkeiten besteht, unter Umständen Abfall im Sinne des Umweltstrafrechts sein kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Kfz aufgrund seines Zustandes eine mögliche Gefahr für die Umwelt darstellt.

Eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Umgangs mit Abfall kann übrigens nicht nur durch aktives Tun begründet werden.

Trifft den Täter die Pflicht, dafür zu sorgen, dass mit dem Abfall nicht in unerlaubter Weise umgegangen wird, kann auch sein Unterlassen, den unerlaubten Umgang zu verhindern, gegebenenfalls eine Strafe begründen.

Kenntnis oder Kennenmüssen – Vorsatz und Fahrlässigkeit

Eine Strafbarkeit nach § 326 StGB erfordert nicht nur die objektive Begehung der Tat, sondern auch  das Vorliegen bestimmter Wissens- und Willenskomponenten.

Möglich sind dabei grundsätzlich zwei Konstellationen:

(1) Der Täter hat Kenntnis über die Umstände, die eine Strafbarkeit begründen können. Zudem nimmt er zumindest billigend in Kauf, dass er durch sein Verhalten gegen das Strafgesetz verstößt.

(2) Der Täter will nicht gegen das Strafgesetz verstoßen oder kennt mindestens einen Tatumstand nicht. Manchmal kann und muss der Täter aber erkennen, dass er durch sein Verhalten das Strafgesetz verletzt. Er verletzt eine Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig.

Beide Konstellationen sind im Rahmen des unerlaubten Umgangs mit Abfall strafbar.

Hinsichtlich des Strafmaßes macht es allerdings einen Unterschied, ob der Täter wissentlich und willentlich oder fahrlässig handelt.

Handelt der Täter fahrlässig, so ist das Strafmaß, abhängig vom verwirklichten Tatbestand des § 326 StGB, auf bis zu drei oder auf bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe herabgesetzt.

Das Gesetz sieht demnach eine fahrlässige Begehungsweise als weniger strafwürdig an, als eine Vorsätzliche.

Können sich Unternehmen nach § 326 StGB strafbar machen?

Das Problem mit der Schuld – wie kann sich strafbares Verhalten eines Mitarbeiters auf das Unternehmen auswirken?

Nicht selten, wenn nicht sogar regelmäßig, steht im Rahmen des § 326 StGB die Strafbarkeit eines Unternehmens im Raum.

Dies betrifft beispielsweise den Fall, dass im Rahmen der Tätigkeit eines Unternehmens schädliche Stoffe als Abfallprodukt anfallen und diese dann von einem Mitarbeiter, auf Anordnung der Geschäftsführung, auf unerlaubte Weise entsorgt werden. Zum Beispiel, indem unerlaubt giftige Stoffe in ein Gewässer geschüttet werden und dieses in der Folge nachhaltig verunreinigt wird.

Die Frage der Strafbarkeit eines Unternehmens beziehungsweise der Strafbarkeit eines Mitarbeiters oder der Geschäftsführung ist nicht unproblematisch.

Nicht immer ist klar, welche Person die strafbare Handlung vorgenommen hat und wer strafrechtlich dafür verantwortlich ist.

Zur Beurteilung solcher Sachverhalte ist fachliche Expertise und besondere Kenntnisse, wie die eines Fachanwalts für Strafrecht, essentiell.

Das Problem ist, dass „das Unternehmen“ als solches sich nicht einfach so strafbar machen kann.

Das deutsche Strafrecht sieht das sogenannte „Schuldprinzip“ vor.

Das bedeutet, dass jemand nur dann für eine Tat strafrechtlich belangt werden kann, wenn diese konkrete Tat dem Beschuldigten individuell vorgeworfen werden kann. Die Frage der Schuld ist also höchstpersönlich.

Auch wenn mehrere Personen an einer Tat arbeitsteilig und auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplans zusammenwirken, muss für jeden dieser Beteiligten die Schuld individuell festgestellt werden.

Ein Unternehmen ist aber keine natürliche, individuelle Person.

Daher stellt sich die Frage, wer hier strafrechtlich als Täter belangt werden kann: Der einzelne Mitarbeiter? Die Geschäftsführung?

Es kommt darauf an.

Zur Beurteilung der Qualität als Täter sind im Grunde verschiedene Faktoren entscheidend:

Die Strafbarkeit nach § 326 StGB ist, insbesondere im Rahmen des Abs.2, an verwaltungsrechtliche Pflichten geknüpft. Die Person, an die sich diese Pflicht richtet, spielt unter Umständen allein deswegen schon eine zentrale Rolle im Tatgeschehen und kann deswegen als Täter in Frage kommen.

Selbiges gilt für diejenige Person, in deren Besitz der Abfall steht und die demnach unmittelbaren Zugriff darauf hat.

Wer einen besonders großen Beitrag zur Tat leistet, beispielsweise indem er/sie persönlich den Abfall lagert oder verwertet, wird zur zentralen Figur des Geschehens und kann damit auch als Täter in Betracht kommen.

Aber auch die individuelle Kenntnis einer Person über Tatabläufe sind entscheidend. Dies betrifft insbesondere die Frage der Strafbarkeit der Geschäftsführung, die in hierarchisch organisierten Unternehmen regelmäßig mehr Kenntnis über Arbeitsabläufe hat oder zumindest Kenntnis darüber haben könnte und müsste.

Auf Grundlage dieser Überlegungen kommen Strafbarkeiten wegen aktiven Handelns oder wegen Unterlassens, wegen vorsätzlicher oder wegen fahrlässiger Begehung in Betracht.

Wird die Straftat nach § 326 StGB im Rahmen einer Tätigkeit eines Unternehmens begangen, steht bei einer Verurteilung unter anderem die Nebenfolge des (vorläufigen) Berufsverbots im Raum.

Die Verzahnung von Strafrecht und Verwaltungsrecht zeigt sich auch hier: Nicht nur ein (strafrechtliches) Berufsverbot kann verhängt werden, sondern gegebenenfalls auch beispielsweise eine (verwaltungsrechtliche) Gewerbeuntersagung.

Erlangt das Unternehmen durch die Tatbegehung einen Gewinn, so ist möglich, dass dieser Gewinn im Zuge des Strafverfahrens abgeschöpft wird.

Die Schwierigkeiten eines Strafverfahrens im Umweltstrafrecht

§ 326 StGB ist zwar das am häufigsten verwirklichte beziehungsweise strafrechtlich verfolgte Delikt der Umweltstraftaten des Strafgesetzbuches, jedoch ist die Strafverfolgung dieser Delikte nicht immer einfach.

Oftmals liegen komplexe Sachverhalte dem Tatgeschehen zugrunde und die Identifizierung des strafrechtlich Verantwortlichen, insbesondere bei Involvierung eines Unternehmens, können Schwierigkeiten darstellen.

§ 326 StGB ist zum Teil eine Schnittstelle zwischen Strafrecht und Verwaltungsrecht. Das Erfordernis spezieller Kenntnisse, wie die eines Fachanwalts für Strafrecht, sind hier besonders wichtig, um den Sachverhalt begreifen, rechtlich überblicken und den Mandanten bestmöglich beraten zu können.

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