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Unfall: Ersatz der Reparaturbestätigung bei fiktiver Schadensabrechnung?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Der Geschädigte eines Unfalls kann sich entscheiden, ob er seinen Wagen – falls noch möglich – reparieren lässt und die konkret hierfür angefallenen Kosten ersetzt verlangt, oder ob er seinen Schaden fiktiv abrechnet. Das bedeutet, er lässt von einer Werkstatt oder einem Sachverständigen den Betrag schätzen, der für die Reparatur aufgewendet werden müsste, und verlangt diesen vom Unfallverursacher. Doch ist es möglich, die beiden Arten der Schadensabrechnung miteinander zu kombinieren, wenn sich z. B. später herausstellen sollte, dass die Reparatur doch mehr kostet, als ursprünglich veranschlagt?

Geschädigte lässt Schaden schätzen

Eine Autofahrerin wurde schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt. Sie ließ den Schaden an ihrem Fahrzeug von einem Sachverständigen ermitteln, der die Reparaturkosten auf knapp 4427 Euro schätzte. Diesen Betrag verlangte sie von der gegnerischen Versicherung ersetzt, die auch klaglos zahlte.

Erst in der Folgezeit ließ die Fahrzeugführerin ihren Wagen von ihrem Lebensgefährten fachgerecht reparieren, was sie sich von einem Sachverständigen bestätigen ließ. Für diese Reparaturbestätigung musste sie 61,88 Euro bezahlen. Als die gegnerische Versicherung den Betrag ebenfalls übernehmen sollte, weigerte sie sich. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Keine Kombi von fiktiver und konkreter Schadensberechnung

Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnte einen Schadenersatzanspruch der Geschädigten auf Erstattung der Reparaturbestätigung ab.

Wechsel der Abrechnungsart ist möglich

Grundsätzlich kann der Geschädigte frei wählen, ob er seinen Schaden fiktiv oder konkret anhand der tatsächlichen Reparaturkosten abrechnen möchte. An diese Wahl ist er dann in der Regel aber auch gebunden. Allerdings ist ein Wechsel der Berechnungsart im Ausnahmefall möglich, wenn sich später herausstellt, dass die tatsächliche Reparatur doch teurer als geschätzt ist.

Das kann in mehreren Fällen passieren. Wer sein Fahrzeug etwa fachgerecht in der Werkstatt reparieren lässt, zahlt schon deshalb mehr, weil dann Umsatzsteuer anfällt. Die kann man nämlich nicht ersetzt verlangen, wenn man fiktiv abrechnet – denn nach § 249 II BGB gehört die Umsatzsteuer nur zum Schadenersatz, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Nach einem Wechsel der Abrechnungsart können somit nur die tatsächlichen Aufwendungen abgerechnet werden, die geschätzten Kosten spielen dann keine Rolle mehr. Auch muss sich der Geschädigte nun etwaige Werkstattrabatte anrechnen lassen, die im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung nicht angefallen wären.

Keine Bereicherung durch Schadenersatz

Ein Geschädigter kann grundsätzlich zwar von der fiktiven zur konkreten Schadensabrechnung übergehen – er darf die beiden Abrechnungsarten aber nicht kombinieren. Der Schädiger soll schließlich nur den – zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands am Fahrzeug – erforderlichen Geldbetrag als Schadenersatz zahlen. Der Geschädigte soll durch das Unfallereignis allerdings nicht bereichert werden. Könnte er sich „die Rosinen“ aus beiden Abrechnungsarten herauspicken, würde er jedoch einen erheblichen finanziellen Vorteil verbuchen.

Vorliegend hatte sich die Geschädigte für die fiktive Abrechnung entschieden – sie konnte also nur die vom Gutachter geschätzten Wiederherstellungskosten ersetzt verlangen. Hierzu gehörte aber die Reparaturbestätigung nicht – sie diente nämlich nicht der Wiederherstellung, sondern lediglich als Bescheinigung, dass die Schadensbeseitigung fachgerecht erfolgt ist. Die Ausstellung des Schriftstücks erfolgte daher lediglich im Interesse der Geschädigten, z. B. um im Fall eines Kfz-Verkaufs die ordnungsgemäße Reparatur nachweisen zu können. Der hier konkret angefallene Schadensposten in Form der Reparaturbestätigung konnte deshalb neben der fiktiven Abrechnung keine Berücksichtigung finden. Die Geschädigte blieb somit auf den Sachverständigenkosten sitzen.

Fazit: Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann seinen Schaden fiktiv oder anhand der konkret angefallenen Reparaturkosten abrechnen. Auch ist ein Wechsel von der fiktiven zur konkreten Abrechnungsart möglich, eine Kombination dagegen nicht.

(BGH, Urteil v. 24.01.2017, Az.: VI ZR 146/16)

(VOI)

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