Unfallflucht gem. § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB bei Feststellungsverzicht durch Unfallgeschädigten

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Am 28.01.2015 befuhr die Angeklagte in Hamburg eine Straße, Sie bog nach rechts schräg in eine Parklücke ab und brachte ihr Fahrzeug so zum Stillstand, dass es mit der hinteren Ecke der Fahrerseite an der Markierung zwischen Parkspur und Fahrbahn und mit der Front über die Bordsteinkante hinaus in Richtung des Gehweges stand. Zur gleichen Zeit befand sich die Zeugin G mit ihrem Pkw vor der Angeklagten und fuhr in die gleiche Straße rein. Die Zeugin setzte ihren Pkw zurück, um auch in die Parklücke einzufahren. Dabei kam es wegen einer Unachtsamkeit der Zeugin zu einer Kollision beider Fahrzeuge. Durch die Kollision wurde an dem Pkw der Zeugin die Heckstoßfängerverkleidung links im unteren Bereich geschrammt. Dadurch entstand oberhalb der unteren Zierleiste eine fast runde Schrammspur, die sich schwarz auf dem weißen Lack abhob. Die Reparaturkosten wurden mit 1.400 € netto beziffert.

Die Zeugin kündigte daraufhin an, dass sie die Polizei rufen würde, womit die Angeklagte einverstanden war. In der Folgezeit rief die Zeugin entgegen ihrer Ankündigung nicht die Polizei hinzu. Sie machte mit ihrem Handy Fotos von den in den Unfall verwickelten Fahrzeugen. Die Angeklagte setzte sich währenddessen wieder in ihr Fahrzeug, um auf die Polizei zu warten.

Die Zeugin trat daraufhin an das Fahrzeug der Angeklagten heran und öffnete mehrfach die Fahrertür und verlangte von der Angeklagten die Herausgabe ihrer Personalien. Die Angeklagte verweigerte jedoch die Herausgabe ihrer Personalien an die Zeugin und machte deutlich, dass sie dies nur gegenüber der Polizei tun würde. Ca. 15 Minuten nach der Kollision fuhr die Angeklagte weg, obwohl die Zeugin sie weiterhin bedrängte, ihre persönlichen Daten zu nennen. Daraufhin erstatte die Zeugin am 30.01.2015 Anzeige bei der Polizei.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat beschlossen, dass der Unfallbeteiligte dem Geschädigten eine reale Change geben muss, Feststellungen zur Person am Unfallort treffen zu können. D. h., dass er sich nach seiner Weigerung, seine Personalien anzugeben, nicht sofort entfernen darf, wenn der Geschädigte, dem eine gewissen Überlegungsfrist einzuräumen ist, nicht sofort die Polizei verständigt.

Wenn sich der Geschädigte aber dazu entschlossen hat, die Polizei nicht zu verständigen, obwohl der Unfallbeteiligte sich ihm gegenüber gerade nicht ausweisen will, sondern nur bereit ist, seine Personalien von der Polizei feststellen zu lassen, dann hat die weitere Anwesenheit des Unfallbeteiligten am Unfallort, unter dem Gesichtspunkt des Beweissicherungsinteresses, die nach der gesetzlichen Konzeption die Aufklärungschance des Geschädigten normativ garantieren soll, keine effektive Funktion mehr.

Die Pflicht das Eintreffen der Polizei abzuwarten, setzt schon begrifflich voraus, dass diese auch tatsächlich von dem Feststellungsberechtigten herbeigerufen worden ist. Wird dies unterlassen, muss der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB dahingehend teleologisch reduziert werden, dass der Unfallbeteiligte bei dieser Sachlage nicht mehr verpflichtet ist, durch seine weitere Anwesenheit am Unfallort Feststellungen zu seiner Person zu ermöglichen.

Vorliegend hat die Zeugin ihre Ankündigung die Polizei zu rufen nicht in die Tat umgesetzt, obwohl die Angeklagte sich bereit zeigte, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Anstatt die Polizei zu rufen bedrängte die Zeugin vielmehr die in ihrem Pkw sitzende Angeklagte auf unzulässige Weise, durch mehrfaches Öffnen der Fahrertür, doch noch ihre persönlichen Daten zu nennen.

Das Verhalten der Zeugin zeigt, dass sie sich entgegen ihrer eigenen Ankündigung dazu entschlossen hatte, auf die Hilfe der Polizei bei der Feststellung der Personalien der Angeklagten zu verzichten, was des Weiteren auch durch den Umstand bestätigt wurde, dass die Angeklagte erst am 30.01. Anzeige erstattet hat. In dieser Situation war die Angeklagte nicht mehr zur weiteren Anwesenheit am Unfallort verpflichtet.

Aufgrund der teleologischen Reduktion des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat die Angeklagte ihre Pflicht nicht verletzt. Sie ist somit nicht wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach §142 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar. Die Angeklagte wurde somit straffrei gesprochen.

Beschluss des OLG Hamburg vom 30.05.2017

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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