Unterhalt bei unregelmäßigem, schwankendem Einkommen berechnen

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Welches Einkommen der letzten 12 bzw. bei Selbstständigen 36 Monate wird für die Berechnung von Unterhalt genommen, wenn dieses stark geschwankt hat? Die Antwort liegt tief in der Rechtsprechung verborgen, das Gute daran: Zu fast jeder Ausgabenposition gibt es welche. Sofern Sie anwaltlich noch nicht vertreten sind und Schwierigkeiten haben, eine Forderung an Ihren Ex-Partner/Ihre Ex-Partnerin zu beziffern, wenden Sie sich gern an uns.

Welcher Interessenkonflikt liegt bei schwankenden Einkommen zugrunde?

Wünschenswert für Unterhaltsberechnungen sind eigentlich immer relativ klare Verhältnisse und einheitliche Zahlen. Die gibt es bei Selbstständigen jedoch kaum, womit auch das Jugendamt bei der Ermittlung des für den Kindesunterhalt relevanten Einkommens seine Probleme hat oft. So mancher Einspruch gegen einen falschen Bescheid rührt von unterschiedlichen Ansichten zur Bewertung der finanziellen Situation von Selbstständigen.

Unterhaltsschuldner orientieren eher zur Untergrenze, die Unterhaltsfordernden zur Obergrenze eines Monatsverdiensts. Auch wenn dies bei Selbstständigen anders heißt und auch ermittelt wird.

Wie?

Wie wird das Einkommen bei Selbstständigen berechnet?

Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, bei denen das Einkommen anhand der letzten Gehaltsabrechnungen berechnet wird und Rückschlüsse auf vergangene und zukünftige Verdienste ermöglicht, gestaltet sich die Unterhaltsberechnung bei selbstständig Tätigen schwieriger. Aufgrund ihrer oft schwankenden Einkommen muss eine Prognose für die Zukunft in die Berechnung einbezogen werden.

Bei selbstständig Tätigen berechnet sich das unterhaltsrelevante Einkommen anhand eines mehrjährigen Jahresdurchschnitts. In der Regel werden die Durchschnittseinkommen der letzten drei aufeinanderfolgenden Jahre vor dem relevanten Zeitraum herangezogen. Falls das Einkommen besonders unregelmäßig ist, kann auch ein längerer Zeitraum berücksichtigt werden. Wenn das Unternehmen erst kürzlich gegründet wurde, kann der aktuelle Jahresertrag als Grundlage dienen, insbesondere wenn der Unterhaltspflichtige zuvor angestellt war und erst sein erstes Jahr als Selbstständiger absolviert hat.

Gewinn vs. zu versteuerndes Einkommen

Der Gewinn und das zu versteuernde Einkommen bei Selbstständigen sind nicht identisch mit dem unterhaltsrelevanten Einkommen. Steuerspezifische Abzüge werden unterhaltsrechtlich nicht oder nur teilweise berücksichtigt. Steuerrecht und Unterhaltsrecht verfolgen unterschiedliche Ziele und verwenden eigene Begrifflichkeiten. Daher besteht die Möglichkeit, dass Selbstständige ihre Einkünfte so darstellen, dass steuerlich beachtliche Aufwendungen von den unterhaltsrechtlich relevanten Aufwendungen deutlich abgegrenzt werden können.

Der Unterhaltsschuldner muss nachvollziehbar darlegen, welche Einnahmen und Ausgaben unterhaltsrechtlich relevant sind. Eine Zeugenvernehmung, beispielsweise des Steuerberaters oder Buchhalters, kann allenfalls in spezifischen Fällen in Betracht gezogen werden (BGH FamRZ 1980, 770).

Wie wird der Gewinn bei Selbstständigen ermittelt?

Zur Ermittlung der Einkommensteuer kann der Selbstständige entweder eine Bilanz oder eine Einnahmenüberschussrechnung erstellen. Bilanzierungspflichtig sind meist nur Kapitalgesellschaften, während Einzelkaufleute oder Freiberufler meist einer allgemeinen Buchführungspflicht unterliegen.

Erstellt der Selbstständige eine Bilanz, werden darin auch die Privatentnahmen zur Gestaltung der eigenen Lebensführung verzeichnet. Der Umfang dieser Privatentnahmen kann ein guter Ansatz für die Ermittlung der unterhaltsrechtlich relevanten Einkünfte sein. Jedoch sollte der Unterhaltspflichtige nicht in Kauf nehmen, das Unternehmen durch Verschuldung zu gefährden, um einen höheren Unterhaltsbetrag zu vermeiden.

Eine Einnahmenüberschussrechnung ist buchungstechnisch einfacher, bietet aber auch Raum für Manipulationen und Verschleierung von Einkommen. Zum Beispiel können Forderungen vorübergehend nicht geltend gemacht werden, um den Gewinn zu verlagern und die Einkommenssituation zu verschleiern.

Wie handhaben Gerichte Streitfälle um unregelmäßige Einkommen?

Die Ermittlung einer zuverlässigen Einkommensgrundlage bei selbstständig Tätigen ist oft schwierig. Der Bundesgerichtshof hat hierzu Erleichterungen geschaffen (BGH FamRZ 1993, 789). Der Unterhaltsschuldner muss sein Einkommen nachvollziehbar darlegen und alle relevanten Unterlagen vorlegen, einschließlich der vollständigen Einnahmenüberschussrechnungen, Kontennachweise und Steuerbescheid der letzten Jahre.

Die Gerichte können die vorgelegten Unterlagen im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung überprüfen und bei auftretenden Widersprüchen oder Ungereimtheiten Kostenpositionen gegebenenfalls außer Betracht lassen oder als unwahr zurückweisen. Bei unklaren Kostenpositionen kann auf Erfahrungswerte von Berufsverbänden oder Ämtern zurückgegriffen werden.

Abschließend

Die Unterhaltsberechnung basiert auf konkreten Einkommensbeträgen. Nicht zuletzt in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass ein Geschäftsinhaber von heute auf morgen, auch ohne wesentliche Fehler im Business zu machen, durch einen Gesetzesbeschluss plötzlich ohne jede Einnahme dasteht, weil er seinen Laden schließen muss. Kommt es aus diesem oder anderen Gründen kurz darauf zur Festsetzung eines Unterhaltsbeschlusses gegen ihn, müssen Schuldner wie auch Empfänger von Unterhalt wissen, wie mit dieser Situation zu verfahren ist. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch nach, wie Sie einen Unterhaltstitel abändern lassen können.

Foto(s): iurFRIEND

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