Unterhalt-Vorteile des betreuenden Ehegatten bei Erwerbstätigkeit - Kindesunterhalt höher und abziehbar

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Kindesunterhalt – Gesamteinkommen-ungedeckter Bedarf – Ehegattenunterhalt – Einkommen des betreuenden Elternteils

Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Kindesunterhalt hat zwei Neuerungen zum Inhalt:


Die erste Modifikation der Rechtsprechung ist, dass es bei der Ermittlung des Bedarfs von Kindern beim Unterhalt auch bei minderjährigen Kindern, -und nicht nur wie früher nur bei den volljährigen Kindern-, auf die Lebensstellung beider Eltern ankommt. 

Hat man früher bei der Düsseldorfer Tabelle nur auf die Spalte des Nettoeinkommens des nichtbetreuenden Ehegatten geschaut, muss man nunmehr auch das Einkommen des betreuenden Ehegatten hinzurechnen (BGH FamRZ 21,28f.). Daher richtet sich der Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle gemäß dem zusammengerechneten bereinigten Nettoeinkommen beider Ehegatten und ist entsprechend höher. Das Einkommen des betreuenden Elternteils war bisher nur bei der Berechnung des Unterhalts von volljährigen Kindern (Quotenberechnung, Anteilshaftung) von Relevanz.

Die zweite Neuerung der Rechtsprechung begünstigt unterhaltsrechnerisch neuerdings auch den, das gemeinsame minderjährige Kind betreuenden, erwerbstätigen Ehegatten durch die Anrechnung eines ungedeckten Bedarfs des Kindes bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts!

Nach wie vor ist der Unterhaltsanteil des barunterhaltspflichtigen Elternteils auf den Betrag begrenzt, den dieser aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommen zahlen müsste. Jetzt kommt aber die Neuerung: Diese Einordnung führt zu einem ungedeckten Bedarf des Kindes, wenn sich der Gesamtbedarf des Kindes aus einer höheren Stufe der Düsseldorfer Tabelle ergibt, als es bei einem alleinverdienenden Elternteil der Fall ist.

Im Rahmen der Ehegattenunterhaltsberechnung führt diese Konstruktion dazu, dass von dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils, -wie schon vorher-, der Barunterhalt abgezogen wird und -neuerdings- von dem Einkommen des betreuenden Elternteils der ungedeckte Bedarf abzuziehen ist. 

Diese neue Rechtsprechung des BGH begünstigt den betreuenden Elternteil, wenn dieser zusätzlich zum Kindesunterhalt Ehegattenunterhalt erhält.


Beispiel:

Der Ehemann hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von €4.000. Die Ehefrau hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von €1.000. Weitere Einkünfte bestehen nicht. Das gemeinsame 4-jährige Kind wohnt bei der Ehefrau. 

Die Ehefrau verlangt Kindes- und Ehegattenunterhalt.

Der Bedarf des gemeinsamen Kindes richtet sich nach dem bereinigten Gesamteinkommen beider Ehegatten, dass hier €5.000 beträgt. Nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2023, richtet sich der Unterhalt des Kindes nach Stufe 9, Altersstufe 1: €665. Abzüglich €125 Kindergeld ergibt einen Zahlbetrag von €540.

Der Unterhaltszahlbetrag des Ehemannes richtet sich nach Stufe 7, Altersstufe 1: €595 abzgl. hälftiges Kindergeld (€125) = €470 Zahlbetrag. Der ungedeckte Restbedarf des Kindes errechnet sich wie folgt: €540 (Gesamtzahlbetrag) abzüglich €470 (Unterhalt gem. Einkommen Ehemann) = ungedeckter Restbedarf des Kindes in Höhe von €70.

Nachfolgend wird der Trennungsunterhalt der Ehefrau nach neuester Rechtsprechung wie folgt errechnet: 

Zuerst muss das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Ehemanns errechnet werden: Vom Einkommen des Ehemannes von €4.000 wird der Zahlbetrag von €470 Kindesunterhalt abgezogen.

Von den übriggebliebenen €3.530 werden 10% Erwerbstätigenbonus für den Ehemann abgezogen = €353. Das ergibt ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von €3.530 ./. €353 = €3.177.

Das Einkommen der Ehefrau beträgt €1.000. Hier wird der ungedeckte Bedarf des Kindes vorab abgezogen: €1.000 minus €70 ergeben €930.

Jetzt wird der Erwerbstätigenbonus von 10% von €930 abgezogen= €93. Es ergibt sich ein unterhaltsrelevantes Einkommen von €837.

Der Unterhalt der Ehefrau beträgt gem. der Unterhaltsberechnung der Süddeutschen Senate: €3.177 + €837 = €4.014. €4.014 geteilt durch 2 sind €2.007, davon wird das Einkommen der Ehefrau wieder abgezogen: €2.007./. €837 = €1.170. Das ist der Trennungsunterhalt der Ehefrau. Somit erhält die Ehefrau €470 für das gemeinsame Kind und €1.170 Trennungsunterhalt, insgesamt €1.640.

Nach der früheren Berechnungsmethode hätte die Ehefrau weniger bekommen:

Es gab keine höhere Einstufung des Kindes nach dem Gesamteinkommen der Eltern und keinen Abzug von ungedecktem Bedarf beim betreuenden Elternteil:

Der Kindesunterhalt richtete sich allein nach dem Einkommen des nichtbetreuenden Elternteils: Daher ist für den Trennungsunterhalt nur ein Kindesunterhalt von €470 abzuziehen: Einkommen des Ehemannes €4.000 abzgl. Kindesunterhalt €470 sind €3.530 abzgl. Erwerbstätigenbonus 10% von €3.530 sind €353, ergibt ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von €3.177.

Das Einkommen der Ehefrau beträgt €1.000. Jetzt wird der Erwerbstätigenbonus von 10% von €1.000 abgezogen, also €100, ergibt ein unterhaltsrelevantes Einkommen von €900.

Der Unterhalt der Ehefrau beträgt: €3.177 plus €900, also €4.077 geteilt durch 2. Dies ergibt €2.038, davon wird das Einkommen der Ehefrau abgezogen: €2.038 minus €900 sind €1.138. Das ist der Trennungsunterhalt der Ehefrau. Somit erhält die Ehefrau €470 für das gemeinsame Kind und €1.138 Trennungsunterhalt, insgesamt €1.608.


Fazit:

Je höher der ungedeckte Restbedarf des Kindes ist, umso mehr Unterhalt steht dem das Kind betreuenden, erwerbstätigen Ehegatten zu.





Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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