Untersuchungshaft – Was tun?
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Sie wurden in Untersuchungshaft genommen – oder realistischer, da Sie diesen Artikel lesen – Sie befürchten Ihre Verhaftung oder die Verhaftung eines Ihrer Angehörigen?
Das kommt auf Sie zu:
Die Beamten werden Ihnen – sofern es sich nicht nur um eine vorläufige Festnahme handelt – den Haftbefehl zur Kenntnis bringen und Sie über Ihre Rechte belehren. Die Belehrung erfolgt i.d.R. durch ein Schreiben. Die Beamten werden Sie meist darum bitten, dieses auch zu unterzeichnen.
Wenn Sie eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, werden die Beamten Ihnen anbieten, dass die konsularische Vertretung Ihres Staates informiert wird. Dies geschieht nur auf Ihren Wunsch hin. Sofern Sie das entsprechende Formular nicht ausfüllen, werden auch keine Informationen bezüglich Ihrer Verhaftung weitergegeben.
Oftmals werden Ihnen dann Handschellen (im Polizeijargon Handschließen genannt) angelegt.
Anschließend werden Sie von den Polizeibeamten abtransportiert. Entweder zu deren Dienststelle, in eine Justizvollzugsanstalt (JVA, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Gefängnis) oder direkt zu Gericht zur Vorführung vor dem Ermittlungsrichter.
Es ist Ihr Recht und die Pflicht der handelnden Beamten, Sie baldmöglichst dem zuständigen Gericht vorzuführen. Spätestens am Tag nach der Verhaftung muss der zuständige Ermittlungsrichter Sie befragen. Gerichte haben dabei eigene Hafträume, in denen Sie für kurze Zeit untergebracht werden, bis das Gericht bereit für Sie ist.
Der Ermittlungsrichter wird Ihnen den Haftbefehl vorlesen, Ihre Personalien feststellen und Sie dann fragen, ob Sie sich zu Sache äußern möchten. Diese Befragung stellt eine Vernehmung dar.
Wie Sie sich bei einer Beschuldigtenvernehmung generell verhalten können, sehen Sie hier: https://www.anwalt.de/rechtstipps/vorladung-zur-beschuldigtenvernehmung-was-tun-230077.html
Danach wird er entscheiden, ob die Haft aufrechterhalten bleibt.
Um Kleidung, Hygieneartikel und Nahrungsmittel müssen Sie sich nicht sorgen, diese werden von der JVA gestellt. Wenige Tage nach Ihrer Inhaftierung können Angehörigen Ihnen i.d.R. Kleidung und andere Dinge über die JVA-Verwaltung zukommen lassen.
Das sollten Sie keinesfalls tun:
Egal, wie hitzig oder überraschend die Situation ist, leisten Sie nach Möglichkeit keine Gegenwehr. Sofern die Festnahme nicht absolut rechtswidrig ist, kann der Widerstand gegen die Beamten eine Straftat darstellen. Hinzu kommt, dass die Einsatzkräfte dann Gewalt anwenden dürfen, um Ihren Widerstand zu brechen.
Das können Sie tun:
Recht auf die Information der Angehörigen und Vertrauenspersonen
Sie haben das Recht, dass Ihre Angehörigen oder Vertrauenspersonen so schnell, wie unter den konkreten Umständen möglich, von Ihrer Verhaftung informiert werden. Dieses Recht ist nur dann beschränkt, wenn eine solche Information die Ermittlung erheblich gefährden würde.
Die Benachrichtigung der Angehörigen kann z.B. per Brief oder telefonisch erfolgen. Entweder durch die involvierten Beamten oder den Verhafteten selbst.
Sind Sie unsicher, ob die richtigen Personen von ihrer Inhaftierung informiert worden sind, sprechen Sie die Beamten darauf an und bitten diese, eine Benachrichtigung durchzuführen.
Informiert werden können nicht nur nahe Angehörige, sondern alle Vertrauenspersonen. Dies umfasst auch Freunde, Arbeitskollegen oder Geistliche.
Keine inhaltlichen Gespräche mit Polizisten
Reden Sie keinesfalls über die Vorwürfe und hiermit verbundene Themen mit den Beamten. Sie müssen davon ausgehen, dass alle Ihre Äußerungen protokolliert werden. Es gibt keine Gespräche „außerhalb des Protokolls“. Sie in unverfänglichen „Smalltalk“ zu verwickeln, kann eine Ermittlungsstrategie sein.
Sind Aussagen einmal getätigt und in die Akte gelangt, ist es schwer, diese wieder aus der Welt zu schaffen.
Spuren, die aufgrund von unbedachten Aussagen gefunden werden, sind überdies i.d.R. verwertbar.
Sofern Sie von den Beamten formell vernommen werden sollen, sagen Sie deutlich, dass Sie keine Aussage machen und stattdessen von Ihrem Recht zu Schweigen Gebrauch machen wollen.
Keine Gespräche mit Mithäftlingen über den Fall
Reden Sie nicht mit Mithäftlingen oder Dritten über die Vorwürfe und damit verbundene Themen. Zwar ist es nicht unbedingt rechtmäßig, Mithäftlinge gezielt als Spitzel einzusetzen oder verdeckte Ermittler als Mithäftlinge auszugeben. Mithäftlinge können aber stets als Zeugen über das Gesagte vernommen werden. Sie haben diesbezüglich auch kein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht und unterliegen einer Wahrheitspflicht.
Lässt sich das Gespräch mit anderen Häftlingen über den Tatvorwurf nicht vermeiden, sagen Sie diesen nur, was Ihnen seitens der Ermittler vorgeworfen wird und ggf. auch, dass Sie nicht schuldig sind (aber Achtung: Bitte erklären Sie nicht weiter, aus welchen Gründen die Vorwürfe unzutreffend sind. Unbedachte Aussagen in dieser Hinsicht können Ihnen später Probleme bereiten, z. B. wenn Ihnen durch die Ermittler fehlende Konsistenz oder Uneinheitlichkeit ihrer Aussagen vorgeworfen wird).
Anwalt anrufen
Sie haben das Recht, einen Verteidiger hinzuziehen. Tun Sie dies unbedingt. Es handelt sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung, d.h. der Staat streckt sogar Mindestvergütung für den Anwalt vor.
Spätestens zu Ihrer Vorführung vor dem Ermittlungsrichter muss Ihnen ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Dieser wird Sie bei den Interaktionen mit dem Gericht begleiten.
Mit ihm zusammen können Sie beraten, ob der Haftbefehl ggf. rechtswidrig ist oder außer Vollzug gesetzt werden kann.
Sollten Sie nach der Vorführung in Haft behalten werden, wird Ihr Verteidiger mit Ihnen eine Strategie entwickeln und klären, ob es erfolgversprechend ist, Rechtsbehelfe gegen den Haftbefehl einzulegen.
Er wird Ihnen auch mit Problemen wie der Besorgung von Besuchserlaubnissen für Angehörige helfen.
Vorbereitung
Wenn Sie befürchten, dass eine Verhaftung drohen könnte, sollten Sie sich am besten vorher rechtlich beraten lassen und einen Verteidiger finden, dem Sie vertrauen. Dann wissen Sie bereits vorher, welche Handlungsoptionen bestehen und dass jemand an Ihrer Seite sein wird, auf den Sie sich verlassen können.
Tragen Sie die Visitenkarte bzw. die Kontaktinformationen Ihres Verteidigers am besten bei sich, damit er von Ihnen oder den Beamten kontaktiert werden kann.
Ein Merkblatt, wie man sich als Beschuldigter in Untersuchungshaft verhalten kann, finden Sie hier: https://law-hannover.de/formulare
Was tun als Angehöriger eines Untersuchungshäftlings?
Die Regeln und Anforderungen, wie man einem inhaftierten Angehörigen Kleidung zukommen lassen kann, sind i.d.R. auf der Homepage der jeweiligen JVA zu finden. Achten Sie als Angehöriger darauf, die Anweisungen wortgenau zu befolgen. Sonst können Ihre Pakete ggf. abgelehnt werden. Ergeben sich Unklarheiten, fragen Sie am besten nochmal bei der JVA nach.
Um Ihre Angehörigen in der Untersuchungshaft besuchen oder mit Ihnen telefonieren zu können, benötigen Sie eine Erlaubnis. Bei nahen Familienangehörigen wird diese im Normalfall gewährt.
Beachten Sie, dass Briefe oftmals durch den sog. Leserichter gelesen werden und auch Telefongespräche abgehört werden (können). Sagen Sie daher nichts, das Ihren Angehörigen belasten oder zu Missverständnissen führen könnte. Solche Aussagen sind kaum wieder aus der Welt zu schaffen und i.d.R. vor Gericht verwertbar.
Zu Ihren Handlungsmöglichkeiten als Zeuge: https://www.anwalt.de/rechtstipps/vorladung-zur-zeugenvernehmung-in-einer-strafsache-was-tun-230105.html
Wenn Sie befürchten, verhaftet zu werden oder ein Angehöriger von Ihnen in Untersuchungshaft genommen wurde, bin ich gerne und vor allem zeitnah für Sie da.
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