Unwirksame vertragliche Kündigungsfristen

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Unwirksame Verlängerung der Kündigungsfrist in Arbeitsverträgen – Anmerkung zu BAG, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16

Von RA Heiko Effelsberg, LL.M., Düsseldorf

In Zeiten des Fachkräftemangels ist auch bei Arbeitgebern der Reiz groß, qualifizierte Mitarbeiter möglichst lange zu binden bzw. sicherzustellen, dass die durch Kündigung der Mitarbeiter freiwerdenden Positionen auch tatsächlich sofort neu besetzt werden können. Ein Mittel hierfür ist, im Arbeitsvertrag längere als die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfristen zu vereinbaren. Dies ist grundsätzlich möglich, da die Kündigungsfristen des § 622 BGB nur nicht unterschritten werden dürfen, verlängert werden dürfen sie jedoch durchaus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliche Verlängerung zulässig wäre, wie die genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt.

Gegenstand des Verfahrens war eine vertragliche Regelung, nach der die Kündigung des Arbeitsvertrags für beide Parteien nur mit einer Kündigungsfrist von 3 Jahren zum Monatsende möglich sein sollte.

Der beklagte Arbeitnehmer war als Speditionskaufmann in einem Betrieb der Arbeitgeberin tätig und leitete das dortige Geschäft. Er erhielt ein Bruttomonatsgehalt von 1.400 EUR. Nach dreijähriger Tätigkeit schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, mit der der Bruttomonatslohn auf 2.400 EUR angehoben wurde. Bei einem monatlichen Reinerlös von mehr als 20.000 EUR sollte eine Erhöhung auf 2.800 EUR erfolgen. Gleichzeitig änderten die Parteien die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen. Diese sollte nun für beide Seiten 3 Jahre zum Monatsende betragen. Gleichzeitig sollte eine Gehaltserhöhung für 3 Jahre ausgeschlossen sein und bei einer späteren Neufestsetzung ebenfalls für 2 Jahre fest sein. Schließlich sollte der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe von 4.800 EUR zahlen, falls er das Arbeitsverhältnis unberechtigt beendet.

Im Jahre 2014 entdeckten die Arbeitnehmer eine Software auf ihren Computern, die die Arbeitstätigkeiten der Arbeitnehmer überwachte. 5 der 7 Arbeitnehmer kündigten daraufhin ihre Arbeitsverträge unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.1.2015. Die Arbeitgeberin erhob daraufhin Feststellungsklage mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten fortbestehe. Die Parteien stritten sodann um die Wirksamkeit der vertraglichen verlängerten Kündigungsfristen.

Das BAG hat die Klage abgewiesen und dabei folgenden Leitsatz seiner Entscheidung vorangestellt:

„Wird die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder sog. Einmalbedingungen erheblich verlängert, kann darin auch dann eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird.“

Nach Ansicht des BAG benachteiligte die Kündigungsfrist von 3 Jahren den Arbeitnehmer unangemessen in seinen Interessen, weshalb die Klausel nichtig war. Aufgrund dessen galten nur die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Wichtig war dabei die Feststellung des BAG, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB vorlagen, da für Arbeitsverträge nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB gilt, dass auch sogenannte Einmalbedingungen der AGB-rechtlichen Wirksamkeitskontrolle unterfallen können (so auch BAG 17. November 2016 – 6 AZR 487/15 – Rn. 20; 24. August 2016 – 5 AZR 129/16 – Rn. 35, BAGE 156, 157). Danach dürfen Klauseln den Arbeitnehmer auch dann nicht unangemessen benachteiligen, wenn der Arbeitgeber sie nur einmalig verwenden will, der Arbeitnehmer auf die Formulierung aber keinen Einfluss nehmen kann. Dies wurde hier bejaht.

Das BAG gelangte dann ebenso wie zuvor bereits das LAG zu dem Ergebnis, dass die Klausel unangemessen benachteiligend ist. Zwar könnten Arbeitsverträge im Einzelfall für eine Zeit von bis zu 5,5 Jahren fest eingegangen werden (vgl. §§ 624 BGB, 15 Abs. 4 TzBfG), „bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, sei aber nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt“ (Rz 34). Die freie Wahl des Arbeitsplatzes sei durch Art. 12 GG grundrechtlich geschützt. Diese wird vorliegend verhindert, da dem Arbeitnehmer de facto ein Wechsel unmöglich gemacht wird, weil kein neuer Arbeitgeber 3 Jahre bis zur Einstellung des neuen Arbeitnehmers warten werde. Dieser Nachteil werde auch nicht durch andere Vorteile des Vertrags kompensiert. Nach den Ausführungen des BAG sei es zwar denkbar, dass die Nachteile aufgewogen werden. Vorliegend reichten hierfür die Lohnerhöhung auf maximal 2.800 EUR, die darüber hinaus auch noch auf mindestens 3 Jahre festgeschrieben war, nicht aus, um die Bindung des Arbeitnehmers rechtfertigen zu können.

Die Entscheidung zeigt, dass die vertragliche Bindung von qualifizierten Arbeitnehmern, die man nicht an Wettbewerber verlieren möchte, schwierig ist. Neben der hier thematisierten Kündigungsfrist zeigt sich das häufig auch in Rückzahlungsklauseln für vom Arbeitgeber getragene Fortbildungen oder in nachvertraglichen Wettbewerbsabreden und Vertragsstrafen, die alle von der Rechtsprechung einer strengen Wirksamkeitskontrolle unterzogen werden.

Sollten Sie Rückfragen hierzu haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.

RA Heiko Effelsberg


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