Urheberrecht: 1 - Freier Warenverkehr: 0

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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 21.06.2012 - C-5/11

Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob eine im Inland erfolgte „Verbreitung an die Öffentlichkeit" vorliegt, wenn ein Transportunternehmen von einem Auftraggeber Deutschland beauftragt worden ist, eine Ware im Ausland entgegenzunehmen und diese dem Auftraggeber zu überbringen. Das wäre prinzipiell nichts ungewöhnliches, wenn es sich dabei nicht um nachgemachte Möbelklassiker des Bauhausstils handeln würde, welche in Deutschland urheberrechtlich geschützt sind. Denn damit ist die Herstellung und Verbreitung dieser Imitate in Deutschland verboten. Nicht so in Italien. Soweit die Imitate in Italien erworben wurden, ist dies nach italienischem Recht zunächst legal. Diesen Umstand nutzen findige Unternehmer, um ein Geschäftsmodell zu entwickeln, in welchem die Übereignung der Ware in Italien, zunächst an einen Subunternehmer erfolgt. Die Ware ist damit zunächst rechtmäßig in den Warenverkehr gelangt. Der Subunternehmer transportiert schließlich die Ware nach Deutschland zu dem Besteller der Ware.

Nachdem dieser Sachverhalt Eingang in die verschiedenen Instanzen deutscher Gerichte gefunden hatte, urteilt schließlich der EUGH, dass, obwohl hier die Vervielfältigung und Übereignung der Ware in Italien erfolgt und die Auslieferung der Ware in dem anderen Staat durchgeführt wird, im Ergebnis eine im Inland erfolgte Verbreitung angenommen wird, welche dann nicht zulässig ist.

Das Ergebnis ist unserer Meinung nach richtig, so Rechtsanwalt Götz Müller-Sommer bei KBM Legal in Köln und Düsseldorf im Bereich des Urheberrechts. Denn es kommt maßgeblich darauf an, wie der Auftraggeber in Deutschland auf das Angebot der Ware aufmerksam geworden ist. Da dies durch das Medium Internet erfolgte und sich hierüber seitens des Anbieters gezielt einstellen ließ, dass nahezu ausschließlich deutschsprachige Kunden in Deutschland auf die Angebote der in Italien ansässigen Firma geleitet wurden, ist das Angebot so zu werten, als ob es von einem inländischen Unternehmen aus angeboten worden wäre. Denn durch das vorliegende Verhalten ist der Anschein erweckt worden, dass es sich bei dem anbietenden Unternehmen um ein Unternehmen handelt, welches dem deutschen Staat zuzurechnen ist.

Der Leitsatz des EUGH lautet daher wie folgt:

„Ein Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und diese Mitglieder der Öffentlichkeit so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungen von Werken liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, nimmt in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vor."

In einem zweiten Schritt musste nunmehr geprüft werden, ob das jeweils nationale Urheberrecht hinter den freien Warenverkehr der EU zurücktreten muss. Denn in Art. 34 AEUV heißt unmissverständlich:

„Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten."

Doch ist Art. 34 AEUV, insbesondere auch in Verbindung mit Art. 36 AEUV - so die Richter am EUGH - dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat nicht verboten werden kann, die Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlicher geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen, wenn die die Vervielfältigungsstücke solcher Werke in dem betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist.

Im Ergebnis zeigt sich daher, dass die anfangs findige Idee, aus einer Gesetzeslücke Geld zu machen, durch den EUGH nunmehr ein jähes Ende gefunden hat. Der Transporteur ist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, welche jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurde.

http://www.kbm-legal.com/rechtsberatung/urheberrecht.html



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