Urlaub in der Probezeit: Ist das erlaubt?
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Die Probezeit ist ein fester Bestandteil vieler Arbeitsverhältnisse und dient beiden Seiten dazu, sich kennenzulernen und die Zusammenarbeit zu erproben. Doch was passiert, wenn Arbeitnehmer*innen während dieser Phase Urlaub nehmen möchten – ist das rechtlich zulässig? Und welche Rechte und Pflichten ergeben sich für Arbeitgeber? Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, praktische Fragen und bietet konkrete Orientierungshilfen für beide Seiten.
Rechtliche Grundlagen: Urlaub und Probezeit
Begriffsklärung: Probezeit ≠ Wartezeit
Zunächst wichtig: Die Probezeit ist keine gesetzlich festgelegte Phase, sondern wird im Arbeitsvertrag vereinbart – in der Regel auf drei bis sechs Monate begrenzt. Während dieser Zeit gilt eine verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB).
Davon zu unterscheiden ist die sogenannte Wartezeit nach dem Bundesurlaubsgesetz (§ 4 BUrlG): Erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses besteht der volle gesetzliche Urlaubsanspruch. Diese sechs Monate entsprechen nicht zwingend der Dauer der Probezeit.
Teilurlaubsanspruch vor Ablauf der Wartezeit
Schon vor Ablauf der Wartezeit entsteht nach § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG ein anteiliger Urlaubsanspruch. Für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses besteht Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs.
Rechenbeispiel:
Jahresurlaubsanspruch (bei 5-Tage-Woche): 20 Tage
Nach 3 Monaten: 3/12 × 20 Tage = 5 Urlaubstage
Dürfen Arbeitnehmer während der Probezeit Urlaub nehmen?
Grundsatz: Urlaub ist möglich – mit Zustimmung
Obwohl der volle Urlaubsanspruch erst nach sechs Monaten entsteht, dürfen Arbeitnehmer auch während der Probezeit Urlaub nehmen, sofern es sich um den anteilig erworbenen Urlaub handelt und der Arbeitgeber zustimmt.
Der Arbeitgeber kann die Urlaubsgewährung nicht pauschal verweigern, aber sie aus betrieblichen Gründen ablehnen oder verschieben, etwa bei Personalmangel, Einarbeitungsbedarf oder anderen organisatorischen Anforderungen.
Vertragliche Einschränkungen: Zulässig, aber nicht unbegrenzt
Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln wie:
„Urlaub während der Probezeit ist grundsätzlich ausgeschlossen.“
Solche Klauseln sind nicht unzulässig, wenn sie den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nicht aushöhlen. Ein genereller Ausschluss jeglicher Urlaubnahme ist hingegen unwirksam, da der gesetzliche Teilurlaubsanspruch nicht vertraglich ausgeschlossen werden darf.
Arbeitgeberperspektive: Handlungsspielräume und Vorsicht
Arbeitgeber haben in der Probezeit verständlicherweise ein gesteigertes Interesse daran, dass sich neue Mitarbeiter zunächst einarbeiten und bewähren. Gleichwohl müssen sie gesetzliche Vorgaben beachten und können Teilurlaube nicht pauschal ablehnen, wenn keine triftigen betrieblichen Gründe vorliegen.
Was Arbeitgeber beachten sollten
Dokumentation: Urlaubsgewährung sollte stets dokumentiert werden, insbesondere bei vorzeitiger Gewährung über den anteiligen Anspruch hinaus.
Rückforderungsvorbehalt: Es kann sinnvoll sein, im Vertrag oder bei Genehmigung schriftlich festzuhalten, dass gewährter Urlaub bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses anteilig zurückgerechnet wird.
Gleichbehandlung: Arbeitgeber sollten vermeiden, Urlaubswünsche ohne nachvollziehbare Gründe unterschiedlich zu behandeln – andernfalls droht der Vorwurf der Ungleichbehandlung.
Praxisbeispiel: Urlaub in der Probezeit bei einem Start-up
Frau Müller beginnt zum 1. März ein Arbeitsverhältnis mit sechsmonatiger Probezeit. Bereits vor Arbeitsbeginn hatte sie für Ende Mai eine Reise gebucht. Im Bewerbungsgespräch hatte sie das erwähnt, aber es wurde nicht schriftlich fixiert.
Im Mai beantragt sie zwei Wochen Urlaub (10 Arbeitstage). Nach drei Monaten hat sie aber nur 5 Tage gesetzlichen anteiligen Urlaubsanspruch. Ihr Arbeitgeber zeigt sich kulant und genehmigt den gesamten Urlaub. Im Genehmigungsschreiben wird klargestellt, dass der Urlaub vorzeitig gewährt wird und bei Kündigung innerhalb der Probezeit anteilig verrechnet oder vom letzten Gehalt abgezogen werden kann.
Dies ist rechtlich zulässig, solange der Rückforderungsvorbehalt transparent und dokumentiert ist.
Kündigung in der Probezeit: Was passiert mit dem Urlaub?
Wird das Arbeitsverhältnis während der Probezeit beendet – sei es durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag – besteht ein Anspruch auf Abgeltung des anteiligen Urlaubsanspruchs, wenn dieser nicht genommen wurde (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Urlaub, der über den anteiligen Anspruch hinaus genehmigt wurde (z. B. aus Kulanz), kann ggf. verrechnet werden – vorausgesetzt, der Arbeitgeber hat sich das vorbehalten.
Musterklausel für den Arbeitsvertrag
Hier ein praxisnaher Mustertext, der den Urlaub während der Probezeit rechtssicher regelt:
Urlaub während der Probezeit
Der gesetzliche Urlaubsanspruch entsteht anteilig gemäß § 5 Abs. 1 BUrlG. Eine Urlaubsgewährung während der Probezeit ist grundsätzlich möglich, bedarf jedoch der Zustimmung des Arbeitgebers unter Berücksichtigung betrieblicher Belange.
Wird Urlaub über den gesetzlich anteilig entstandenen Anspruch hinaus gewährt, erfolgt dies unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf von sechs Monaten. In einem solchen Fall ist der überzahlte Urlaub durch Gehaltsverrechnung auszugleichen.
Diese Klausel ist sowohl arbeitnehmerfreundlich, da sie Urlaub ermöglicht, als auch arbeitgeberseitig absichernd, da Rückforderungen klar geregelt sind.
Fazit: Urlaub in der Probezeit – ein Balanceakt zwischen Anspruch und Realität
Arbeitnehmer haben auch in der Probezeit Anspruch auf anteiligen Urlaub. Ob und in welchem Umfang dieser Urlaub genommen werden kann, hängt maßgeblich von der Zustimmung des Arbeitgebers und der betrieblichen Situation ab. Für Arbeitgeber gilt: Gesetzliche Mindestansprüche dürfen nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Klare Regelungen und transparente Kommunikation schaffen auf beiden Seiten Rechtssicherheit.
Für Arbeitnehmer:
Frühzeitig Urlaubswünsche kommunizieren – idealerweise bereits beim Vorstellungsgespräch erwähnen. Rechtlich besteht anteiliger Anspruch, aber kein Anspruch auf Wunschtermine.
Für Arbeitgeber:
Klare Vertragsklauseln, nachvollziehbare Urlaubsentscheidungen und transparente Kommunikation beugen Konflikten vor – auch in der sensiblen Probezeit.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321
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