Urteil zur Umweltzone Stuttgart: Volksgesundheit vs. Diesel-Abgase

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Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hat über eine Klage (13 K 5412/15) der Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Baden-Württemberg verhandelt. Bislang liegt dazu nur eine Pressemitteilung (PM) vor. Die aber hat es in sich: Danach hat die DUH „einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart führen“ (OT). Im Einzelnen stellt das VG fest:

1. Das Land verstößt seit dem Jahr 2010 (!) gegen den Luftreinhalteplan, da seither die Immissionswerte für Stickstoffdioxid (NO2) überschritten werden.

2. Die 3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans des Landes zur Minderung der Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Belastungen ist nicht geeignet, um Abhilfe zu schaffen. Das Land hatte geplant, die Maßnahme M1 (Fahrverbot bestimmter Diesel und Benziner) erst zum 1.1.2020 (!) eintreten zu lassen. Die geplanten Maßnahmen M2a, M2b und M2c sieht das VG als nicht geeignet an. Schließlich würden die Maßnahmen M3 bis M20 den Anforderungen an einen Luftreinhalteplan ebenfalls nicht genügen.

3. Nach den Feststellungen des Landes in seinem Gesamtwirkungsgutachten gilt Folgendes: „Bei dem in Maßnahme M1 beschriebenen, in der Umweltzone Stuttgart ganzjährig geltenden Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit benzin- oder gasbetriebenen Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6/VI handelt es sich um die effektivste und derzeit einzige Luftreinhalteplanmaßnahme zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte und zugleich auch zur schnellstmöglichen Einhaltung, wenn dieses bereits zum 01.01.2018 in Kraft gesetzt wird.“

4. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Verkehrsverbote nach Kennzeichen, City-Maut, Nahverkehrsabgabe sind wirkungslos. Gleiches – und das ist für unsere Mandanten interessant – gilt auch für „Nachrüstlösungen. Diese würden max. zu einer Reduzierung der NO2-Emissionen von 9 % (!) führen. Zudem sei diese Maßnahme nicht verbindlich.

5. Verkehrsverbote (Fahrverbote) sind nicht unverhältnismäßig. Die DUH könne sich auf die Volksgesundheit (grundrechtlich geschützt) berufen.

6. Interessant ist auch der Hinweis des VG, der Bund blockiere die Sichtbarkeit der Freistellung vom Verkehrsverbot (Zusatzzeichen zum Verkehrszeichen 270.1) dadurch, dass es keine gesetzgeberischen Aktivitäten hinsichtlich der StVO gebe. Insofern könne und müsse das Land diese Regelungen selbst treffen (Freistellung vom Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge Euro 6 und sonstige Kraftfahrzeuge (Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren) ab Euro 3).

Die PM ist in ihrer Deutlichkeit nicht zu übertreffen: wirksam ist danach allein ein Verkehrsverbot der bez. Fahrzeuge in der Umweltzone. Vom Diesel bleibt da nur der Euro 6 übrig. Wertvoll sind auch die Hinweise des Gutachters zur Nachrüstlösung. Wer bislang glaubte, ein billiges Software-Update könne die Emissionen von Stickoxiden wirksam reduzieren, wurde nun eines besseren belehrt.

Auch, wenn es aktuell nur um die Umweltzone in Stuttgart geht: alle Zeichen deuten darauf hin, dass es zu Verkehrsverboten in Deutschland und im Ausland kommen wird. Insofern wird die Justiz diesmal die Politik steuern. Das ist schlecht für alle Betroffenen dieser Fahrzeuge, aber gut für Ihre Ansprüche.

Und was, bitte, soll der „Diesel-Gipfel“ kommende Woche daran ändern, wie nun vielfach in der Presse verlautbart wird? Und man braucht auch nicht zu glauben, dass der Diesel Euro 6 sicher vor Verkehrsverboten ist.

Wenn Sie betroffen sind, fahren Sie in Zukunft entweder um die Umweltzonen herum oder Sie sehen zu, Ihr Fahrzeug loszuwerden. Wir beraten Sie gerne dazu.



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