Verfall von Urlaubsansprüchen

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwingt deutsche Arbeitgeber wieder einmal zu Änderungen bei der bisherigen Praxis der Urlaubsgewährung.

Bislang verfällt der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres, wenn ihn der Arbeitnehmer bis dahin nicht nimmt. Nur wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen („Urlaubssperre“) oder aus persönlichen Gründen des Arbeitnehmers (vor allem Krankheit) nicht genommen werden kann, bleibt der Urlaub über den Jahreswechsel hinaus erhalten. Der Urlaub muss dann aber bis zum 31.03. des Folgejahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Bei weiterbestehender Krankheit des Arbeitnehmers bleibt der Urlaub ausnahmsweise bis längstens zum 31.03. des übernächsten Jahres bestehen. Sonderregeln für die Urlaubsübertragung in Folgejahre gibt es bei Mutterschutz (§ 24 MuSchG), Elternzeit (§ 17 BEEG) und für das erste Anstellungsjahr, falls der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte in das Unternehmen eingetreten ist und die Urlaubsübertragung in das Folgejahr verlangt (§ 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG).

Mit zwei Urteilen vom 06.11.2018 („Max-Planck-Gesellschaft“ und „Kreuzinger“) hat der EuGH entschieden, dass nicht genommener Urlaub nur dann am Jahresende oder bei Ablauf eines Übertragungszeitraums verfallen kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nachweislich zuvor

- dazu aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen und

- darauf hingewiesen hat, dass nicht rechtzeitig genommener Urlaub verfällt.

Diese Aufforderung und Mitteilung durch den Arbeitgeber ist aus Sicht des EuGH erforderlich, damit für den Arbeitnehmer kein Anreiz besteht, zugunsten des Arbeitgebers auf seinen Urlaub zu verzichten.

Man mag die Ansicht des EuGH teilen oder nicht. Die Praxis muss mit den Folgen der Urteile umgehen. Arbeitgebern ist daher zu empfehlen, rechtzeitig in jedem Kalenderjahr alle Arbeitnehmer aufzufordern, ihren Urlaub rechtzeitig zu nehmen und sie über den ansonsten eintretenden Urlaubsverfall zu informieren. Dies wird spätestens im September erfolgen müssen, damit nicht zu viele Arbeitnehmer erst kurz vor Jahresende ihren (Rest-)Urlaub beantragen und nehmen wollen. Arbeitnehmer, deren Urlaub bereits bis zum 31.03. des Folgejahres übertragen wurde, sollten entsprechend bis Mitte Februar aufgefordert und informiert werden, damit noch genügend Zeit bleibt, den übertragenen Urlaub bis zum 31.03. zu nehmen.

Die für die Praxis wichtigste Frage lautet aber, in welcher Form die Aufforderung und Information der Arbeitnehmer erfolgen muss. Rechtssicher, aber kaum administrierbar wäre ein Urlaubsrundschreiben an alle Arbeitnehmer und die Einholung eines Empfangsbekenntnisses jedes einzelnen Arbeitnehmers. Immerhin muss der Arbeitgeber die rechtzeitige Aufforderung und Information im Streitfall beweisen. Alternativ muss aus meiner Sicht aber auch eine entsprechende Meldung auf der „Aktuelles“-Seite im Intranet oder ein Aushang am Schwarzen Brett des Unternehmens ausreichen, wenn die Arbeitnehmer allgemein dazu angewiesen wurden, Mitteilungen an diesen Stellen regelmäßig zur Kenntnis zu nehmen. Sinnvoll ist darüber hinaus eine begleitende Rundmail an alle Arbeitnehmer mit dem Link auf die entsprechende Intranetseite bzw. den Aushang. Allerdings wird man auf diesem Weg nicht alle Arbeitnehmer erreichen können. Arbeitnehmer, die längerfristig vom Betrieb abwesend sind und deshalb keinen Zugang zum Intranet bzw. Schwarzen Brett haben, müssen per E-Mail oder schriftlich aufgefordert und informiert werden. Die Einholung eines Empfangsbekenntnisses ist bei diesen Arbeitnehmern erforderlich, da der bloße Versand einer E-Mail oder eines Schreibens noch kein Beweis für den Zugang der E-Mail bzw. des Schreibens beim Arbeitnehmer ist.

Es bleibt zu hoffen, dass die zu erwartenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Umsetzung der neuen EuGH-Vorgaben keine zu weitgehenden Anforderungen an die Form der Aufforderung und Information der Arbeitnehmer stellen werden. Bei allen guten Absichten, die hinter den EuGH-Urteilen stehen, muss auch der damit einhergehende administrative Aufwand für die Arbeitgeber bedacht und begrenzt werden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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