Verjährung, Hemmung durch Verhandlung, § 203 BGB, Schweigen

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Als in Anspruch genommener Finanzdienstleister oder Emittent oder Prospektverantwortlicher kennen Sie es: Es flattert Ihnen ein Anspruchsschreiben ins Haus, mit welchem eine Anlegerkanzlei für den Mandanten Schadensersatz beansprucht. Manchmal handelt es sich dabei um einigermaßen alte Kapitalanlagen, die vor rund zehn Jahren gezeichnet wurden.

Damit wird die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB relevant. Denn der Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung ist auf den Ersatz des sog. Zeichnungsschadens gerichtet; siehe z.B. BGH, Urt. v. 23. November 2017 - III 389/15, Rz. 8, 12; Urt. v. 18. März 2010 - III 74/09, Rz. 18 mwN. Er entstand also – soweit die jeweiligen Pflichtverletzungsvorwürfe zuträfen – bei Unterschrift unter den Anlagevertrag bzw. mit Eingehung der vertraglichen Verpflichtung des Anlegers. Und er verjährt zehn Jahre später.

in Anbetracht dessen kann passieren, dass Anlegerkanzleien kurz vor Ablauf der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist Schadensersatz von Ihnen verlangen und dabei Verhandlungen anbieten. Dies klingt um Beispiel so: „Wir weisen darauf hin, dass wir selbstverständlich zu außergerichtlichen Gesprächen zur Verfügung stehen und ausdrücklich eine außergerichtliche Einigung anregen“. Dann sollten Sie aufpassen, ob und wie Sie darauf reagieren. Denn möglicherweise versucht die Anlegerkanzlei nur, durch Ihre Reaktion den Ablauf der Verjährung zu hemmen.

Dabei ist § 203 BGB einschlägig („Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen“). Der Begriff der „schwebenden Verhandlungen“ im Sinne von § 203 BGB ist weit auszulegen; es genügt jeder Meinungsaustausch zwischen Gläubiger und Schuldner. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der Anspruchsgegner (Sie) Erklärungen abgibt, die dem in Anspruchsteller (Anleger) die Annahme gestatten, der Verpflichtete (Sie) lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein. Dabei ist nicht einmal erforderlich, dass eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird; BAG, Urt. v. 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17, Leitsatz 1; BGH, Urt. v. 7. November 2014 – V ZR 309/12, Gründe II. 2. d) cc); Urt. v. 26. Oktober 2006 – VII ZR 194/05, Rz. 10; Ellenberger, in: Palandt, BGB, Kommentar, 80. Auflage 2021, § 302 Rz. 2.

Wenn Sie also nicht Gefahr laufen wollen, dass der Ablauf der Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gehemmt wird, reagieren Sie am besten gar nicht bis zum Verjährungseintritt (Ende des Zeichnungstages plus zehn Jahre) oder aber lehnen gleich ausdrücklich jede Verhandlung bzw. den Anspruch ab. Im letzteren Fall müssen Sie indes damit rechnen, dass sorgfältige Anlegeranwälte ggfls. umgehend andere verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen, etwa einen Güteantrag, Mahnbescheid oder eine Klage.

Jedenfalls: Wenn Sie Schweigen, erklären Sie sich nicht. Schweigen ist kein Meinungsaustausch und auch kein Verhandeln. Die Annahme, dass Sie sich auf Erörterungen über die geltend gemachten Schadensersatzansprüche einlassen, kann aus Ihrem Schweigen nicht gezogen werden; vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Januar 2014 – 2 B 6.14, Rz. 7; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25. September 2007 – I-21 U 163/06; Gründe II. 2. b). Soweit des im Anspruchsschreiben gegen Sie darum geht, den Eintritt der Verjährung durch Ihre Reaktion zu hemmen, können Sie dies verhindern. Im Übrigen gilt wie stet: Am besten fragen Sie im Einzelfall Ihren Rechtsbeistand.


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