Verkehrsgerichtstag 2016 gibt Empfehlung ab

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Zur Geschichte des Deutschen Verkehrsgerichtstages: Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stieg mit der Zunahme der Motorisierung die Zahl der Verkehrsunfälle und damit auch die Anzahl verkehrsrechtlicher Straf- und Zivilverfahren sprunghaft an. Die Straßenverkehrsordnung des Jahres 1934 und die zersplitterte Rechtsprechung konnten mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten; den Verkehrsteilnehmern war kaum noch zu vermitteln „was in Deutschland Recht ist“.

So ergriffen Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Journalisten die Initiative. So wurde der Deutsche Gerichtstag 1961 in Hamburg gegründet. Es handelt sich um einen gemeinnützigen Verein, welcher verkehrsrechtliche Seminare durchführt. Am 29.01.2016 tagte der Verkehrsgerichtstag in Goslar.

MPU Bundesweit ab 1,1 Promille

Der Verkehrsgerichtstag empfahl, dass Alkoholsünder bei der ersten Auffälligkeit künftig bundesweit einheitlich schon ab einem Promillewert von 1,1 die MPU absolvieren müssen, wenn sie den Führerschein zurückerhalten wollen. Derzeit liegt die Grenze in den meisten Bundesländern bei 1,6 Promille, so auch hier in Nordrhein-Westfalen. Es gibt aber auch einige Bundesländer, die die 1,1 Promille-Grenze bereits aufgrund richterlicher Entscheidungen anwenden.

Zum Überblick: Jährlich müssen rund 45.000 Kraftfahrer wegen Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr zur MPU (sogenannter Idiotentest). Fachleute gehen davon aus, dass diese Zahl nach einer Herabsetzung der Promillegrenze durch den Gesetzgeber stark ansteigen wird.

Klare Regelung für Dashcams

Außerdem verlangt der Verkehrsgerichtstag eine klare gesetzliche Regelung zur Nutzung von Dashcams in Kraftfahrzeugen. Bekanntlich ermöglichen die Aufzeichnungen die Aufklärung von Unfallhergängen und Straftaten. Sie führen aber auch zu einer Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten. Derzeit fehlt es an einer klaren Rechtsgrundlage zur Verwendung der Kameras.

Deshalb empfiehlt der Verkehrsgerichtstag anstelle eines generellen Verbotes oder einer generellen Zulassung von Dashcams, dass Aufnahmen „anlassbezogen“ zulässig sein sollen, etwa bei einem drohenden Unfall. Das würde einen Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht gewährleisten. Die Verfolgung von Verkehrsverstößen ohne gravierende Folgen dürfe weiterhin nicht auf Dashcam-Aufnahmen gestützt werden! Und: Der Missbrauch von Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten, etwa durch eine Veröffentlichung im Internet, sei zu bestrafen.

Beibehalten der Blutprobe

Entgegen der Forderung der Polizei soll es bei der Blutprobe für Alkoholsünder im Straßenverkehr bleiben. Die Atemalkoholanalyse, die bei niedrigen Promillewerten ausreicht, sei bei Werten im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit über 1,1 Promille kein ausreichendes Beweismittel, meint der Verkehrsgerichtstag. Die Polizei hatte sich nämlich vom Wegfall der Blutprobe eine große Zeitersparnis versprochen.

Einrichtung spezieller Verkehrsgerichts-Prozesse

Um die zahllosen langwierigen Zivilprozesse um Verkehrsstreitigkeiten zu beschleunigen, hat der Verkehrsgerichtstag die Spezialisierung von Richtern und Anwälten vorgeschlagen. Bei einzelnen Gerichten sollten zudem besondere Kammern für Verkehrsrecht eingerichtet werden, die dann auch überörtlich tätig sind. Nach Angaben von Experten schleppen sich nämlich Verkehrsprozesse zum Teil jahrelang hin.

Spezialisierte Kammern bei Schadensersatz

Weil die korrekte Berechnung des Verdienstausfalls für Verkehrsopfer komplex und problematisch ist, sollen Fachanwälte in der Ausbildung darauf vorbereitet werden, empfiehlt der Verkehrsgerichtstag. Die Gerichte sollen bei Schäden ab einer bestimmten Größenordnung spezialisierte Kammern einsetzen. Fachleute meinen, dass Verkehrsopfer durch falsche Berechnung eines jahrelangen Verdienstausfalles Einbußen im sechsstelligen Eurobereich erleiden können.

Mehr Kompetenz bei der Fahrlehrerausbildung

Fahrlehrer sollen künftig in ihrer Ausbildung mehr pädagogische Kompetenzen erwerben, empfiehlt der Verkehrsgerichtstag. Dazu solle zunächst die Ausbildung der Ausbildungs-Fahrlehrer verbessert werden. Ausbildungsfahrlehrer sollen zukünftig mindestens einen mittleren Bildungsabschluss haben. Bisher war ein Hauptschulabschluss ausreichend. Das Mindestalter für den Fahrlehrerberuf soll aber um ein Jahr herabgesetzt werden: auf 21 Jahre.

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