Verliert man durch Heirat Schadensersatzansprüche gegen den Ehepartner?

  • 6 Minuten Lesezeit

Eigentlich schwer vorstellbar, dennoch rechtlich begründet. Verursachen Sie vor Ihrer Eheschließung mit dem Fahrzeug Ihres Lebensgefährten einen Verkehrsunfall, bleiben Sie dennoch verpflichtet, den Schaden nach der Scheidung zu bezahlen, auch wenn während der Ehe kein Ersatz verlangt wurde. Mit der Eheschließung erledigt sich Ihre Haftung nämlich nicht.

Verkehrsunfall mit Fahrzeug des Freundes

Es könnte auch Ihnen passieren. In einer Entscheidung des Landgerichts Limburg (Urteil vom 26.3.2021, Az. 3 S 109/20) hatte der Lebensgefährte seiner Partnerin sein zuvor im Jahr 2017 erworbenes Fahrzeug für eine Besorgungsfahrt überlassen. Die Lebensgefährtin beschädigte das Fahrzeug, indem sie auf ein anderes, stehendes Fahrzeug auffuhr. Das Paar heiratete im August 2018. Im November 2018 kam es gleich wieder zur Trennung. Gleich danach ließ der Ex-Partner ein Sachverständigengutachten erstellen und verlangte den Schaden in Höhe von ca. 2.400 € von seiner Ex-Partnerin ersetzt. Da der Unfall selbst verschuldet und das Fahrzeug nur teilkaskoversichert war, musste der Partner den Schaden selbst tragen. (Anmerkung: In diesem Fall war die Frau der Schadensverursacher. Im Alltag könnte es selbstverständlich auch umgekehrt sein und der Mann in der Verantwortung stehen).

Die Ex-Partnerin verteidigte sich damit, dass der Anspruch auf Schadensersatz verwirkt sei, da der insoweit geschädigte Partner sich erst nach der Trennung entschlossen habe, den Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Da er ihr wegen der Trennung und Scheidung nachdrücklich schaden wollte, habe er gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB verstoßen. Danach ist die „Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn diese nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen“.

Außerdem habe sie wegen der Eheschließung nicht mehr damit rechnen müssen, dass sie Schadenersatz leisten müsse. Sie hätte den Partner auch nicht geheiratet, wenn er seine Ansprüche bereits vor der Eheschließung geltend gemacht hätte. Die Eheschließung habe sich auch insoweit interpretiert, dass der Partner damit stillschweigend auf seinen Schadensersatzanspruch verzichtet habe.

Das Landgericht Limburg verurteilte die Frau in voller Höhe zum Schadensersatz. Die Begründung überzeugt.

Schadensersatz ist trotz Eheschließung nicht verwirkt

Der Anspruch sei nicht verwirkt, da die nach dem Verkehrsunfall erfolgte Eheschließung kein Umstand sei, der es treuwidrig erscheinen lasse, wenn der geschädigte Ex-Partner dann später, sei es während der Ehe oder nach der Scheidung, Schadensersatzansprüche geltend macht. Daran ändere auch nichts, dass der Anspruch mehr als ein Jahr nach dem Unfall erhoben wurde.

Kein Haftungsprivileg wegen Ansprüchen im rein häuslichen Bereich

Auch könne sich die Frau nicht auf das Haftungsprivileg des § 1359 BGB berufen. Danach haben Ehegatten einander nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Die Vorschrift sei aber nicht anwendbar, da es dabei nur um Ansprüche im häuslichen Bereich gehe. Dann aber sind auch Körperverletzungen und Sachbeschädigungen erfasst.

Beispiele 

Sie stolpern mit dem Tablett voller Kaffeegeschirr und verursachen einen Totalschaden. Oder Sie vergessen, auftragsgemäß das Abonnement einer Zeitung fristgerecht zu kündigen, so dass der Partner die Abogebühren für ein weiteres Jahr zahlen muss. Da es sich hierbei um Fehlverhalten im häuslichen Bereich handelt, brauchen Sie im Regelfall nicht zu haften. Es hätte nämlich genauso gut auch Ihnen selbst passieren können.

Außerhalb des häuslichen Bereichs, insbesondere im Straßenverkehr, komme diese Vorschrift nicht zur Anwendung. Im Straßenverkehr könne sich nämlich niemand darauf berufen, dass er/sie gewöhnlich sorglos sei (so BGH NJW 2009, 1875). Ein Kraftfahrer, der unter Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften seinen Ehegatten schädigt, könne nicht geltend machen, dass er/sie gewöhnlich in dieser Art und Weise zu fahren und Verkehrsvorschriften zu missachten pflege. Der Straßenverkehr erlaubt keinen Spielraum für individuelle Sorgfalt.

Kein stillschweigender Haftungsausschluss durch Aufnahme einer Beziehung

Der Umstand, dass die Parteien bereits in einer Beziehung lebten, begründet nicht die Vermutung, dass der Ex-Partner die Partnerin für eine Beschädigung des Fahrzeuges überhaupt nicht oder nur eingeschränkt haftbar machen wollte.

Eheschließung begründet keinen Haftungsausschluss

Auch die spätere Eheschließung begründe keinen stillschweigenden Verzicht auf derartige Schadensersatzansprüche. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun. Auch aus § 1353 Abs. I BGB lasse sich nicht herleiten, dass während der bestehenden Ehe gegenseitige Schadensersatzansprüche unter den Ehepartnern ausgeschlossen sind. Insoweit könne es auch keine Rolle spielen, dass sich die Parteien zwischenzeitlich nochmals versöhnt hatten.

Eine Ausnahme komme allenfalls in Betracht, wenn der schädigende Ehegatte sich im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten bemüht habe, den Schaden auszugleichen (so BGH NJW 1988, 1.2.2008). Die Frau habe dazu vorgetragen, dass sie sich in der Ausbildung befinde und finanziell außerstande sei, sich an den Kosten zu beteiligen. Dies genüge nicht, um eine Ausnahme zu begründen.

Im Übrigen könnte sich in Ausnahmefällen aus dem im Eherecht bestehenden „Gebot der Rücksichtnahme“ ein Ansatz ergeben, auf Schadensersatzansprüche zu verzichten oder nur in begrenztem Umfang geltend zu machen.

Beispiel: Schadensersatz bei Unfall im Freizeitbereich

Einen ähnlichen Fall entschied das Oberlandesgericht Nürnberg (Urteil vom 27.2.2008, Az. 4 U 863/07). Dort verlangte die Ehefrau von ihrem Ehemann Schadensersatz, weil dieser sie auf dem Gardasee mit einem Motorboot beim Wasserskifahren überfahren habe. Der Ehemann hatte beim Gas geben vorwärts und rückwärts verwechselt und fuhr rückwärts auf die Frau zu.

Auch hier konnte sich der Ehemann nicht auf den Sorgfaltsmaßstab des § 1359 BGB berufen. Dieser Sorgfaltsmaßstab komme nicht zur Anwendung, da der Schaden nicht im häuslichen Bereich entstanden sei und sich niemand damit entlasten könne, dass er gegen Verkehrs- und Sicherheitsvorschriften verstoßen habe. Insoweit müsse außer Betracht bleiben, dass es sich bei dem Unfallhergang um ein Augenblicksversagen handelte und das unheilvolle Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Umständen für den Unfall verantwortlich war. Die Schuld des schädigenden Ehemanns sei zwar in einem milderen Licht zu beurteilen, könne aber nicht dazu führen, einen anderen Sorgfaltsmaßstab zugrunde zu legen.

Wie könnten Sie sich gegen eine spätere Inanspruchnahme absichern?

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation wie die Frau, die mit dem Fahrzeug Ihres Partners verunfallt war, werden Sie vielleicht daran interessiert sein, sich gegen eine spätere Inanspruchnahme abzusichern. Auch wenn der Partner anfangs keine Anstalten macht, Schadensersatz einzufordern, können Sie sich nie sicher sein, dass er oder sie später die Meinung ändert. Insbesondere dann, wenn Ihre Beziehung scheitert, sollten Sie damit rechnen, dass Sie in die Haftung genommen werden.

Wenn Sie Glück haben, ist das Fahrzeug vollkaskoversichert, so dass der Partner als Halter des Fahrzeuges den Schaden über die Versicherung abbrechen kann. In diesem Fall wäre der Partner auch verpflichtet, seine Versicherung in Anspruch zu nehmen. Es wäre nicht möglich, auf die Inanspruchnahme der Versicherung zu verzichten und stattdessen den Schaden bei Ihnen direkt geltend zu machen.

Ist das Fahrzeug jedoch nur teilkaskoversichert, ist der Schaden selbst zu tragen, soweit der Unfall selbst verschuldet wurde. In diesem Fall müssen Sie damit rechnen, dass Sie in der Verantwortung stehen.

Eine Absicherung kann dann eigentlich nur darin bestehen, dass Sie möglichst direkt nach dem Unfall absprechen, ob und inwieweit überhaupt Sie für den Schaden haftbar gemacht werden. Im Idealfall erklärt der Partner schriftlich, dass er/sie auf Schadensersatzansprüche wegen des konkret bezeichneten Schadensereignisses verzichtet. Ob der Partner dann tatsächlich bereit ist, eine solche Erklärung in schriftlicher Form abzugeben, ist eine sehr individuelle Frage, deren Antwort Ihrem Verhandlungsgeschick obliegt. Eine mündliche Verzichtserklärung wäre zwar auch wirksam, lässt sich in der Praxis aber meist nicht zuverlässig nachweisen. Ein Nachweis käme vielleicht noch in Betracht, wenn die Verzichtserklärung im Beisein eines Zeugen abgegeben wird.

Nach langer Zeit greift Verwirkung doch

Im Übrigen brauchen Sie nicht mehr mit einer Inanspruchnahme zu rechnen, wenn der Unfall sich vor so langer Zeit ereignet hat, dass Sie wegen des zwischenzeitlichen Zeitverlaufs nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen mussten. In diesem Fall könnten Sie sich tatsächlich auf den Grundsatz der „Verwirkung“ berufen. Verwirkung bedeutet, dass Sie als Schädiger wegen des Zeitverlaufs und dem Verhalten des Geschädigten davon ausgehen dürfen, dass sich Ihre Haftung stillschweigend erledigt hat.

Alles in allem

Geht es um Geld, ist manche Freundschaft schnell beendet. Vor allem, wenn Ihre Ehe geschieden wird, gelten oft andere Maßstäbe. Sie können nur versuchen, vorsorglich tätig zu sein und möglichst im zeitlichen Zusammenhang mit der Schadensverursachung abzuklären, ob und inwieweit Sie als Schädiger haftbar gemacht werden oder ob der Geschädigte auf eine Inanspruchnahme verzichtet.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Worms

Beiträge zum Thema