Vermögensarrest, Einziehung von Wertersatz und Gesamtschuld im Strafrecht, § 111e StPO, § 73c StGB

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Der Vermögensarrest ist ein sehr beliebtes Mittel der Strafverfolgungsbehörden, um auf das Vermögen von Beschuldigten zuzugreifen. Er dient von Gesetzes wegen dazu, das Vermögen des Betroffenen im status quo zu erhalten und eine Verschlechterung der Vermögenslage zu verhindern. In der Literatur wird der Vermögensarrest als „Untersuchungshaft für Geld“ bezeichnet, was in Bezug auf die Intensität der Maßnahme sicherlich zutreffend ist. Der wesentliche Unterschied zwischen der Untersuchungshaft und dem Vermögensarrest liegt jedoch darin, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Untersuchungshaft deutlich höher sind, als jene an einen Vermögensarrest. 

Dieser kann schon beim Vorliegen eines einfachen Tatverdachts und der Annahme eines Sicherungsbedürfnisses erfolgen und sodann in das gesamte, auch legal erworbene Vermögen des Betroffenen, vollstreckt werden. Die Grundlagen des Vermögensarrestes haben wir Ihnen bereits in einem anderen Rechtstipp erläutert, ebenso wie die Frage, wie man gegen einen Vermögensarrest vorgehen kann und welche Alternativen es gibt, mit einem vollzogenen Vermögensarrest umzugehen

In der Praxis ist regelmäßig festzustellen, dass Vermögensarreste gesamtschuldnerisch angeordnet und vollstreckt werden. Immer wieder erreichen uns Anfragen, was es mit dieser „gesamtschuldnerischen Haftung“ auf sich hat und welche Konsequenzen sie für die Betroffenen nach sich zieht. Um diese Fragen zu klären, wollen wir Ihnen in diesem Rechtstipp erläutern, was genau eine Gesamtschuldnerschaft bedeutet, welche Fallstricke es dabei gibt und worauf man als Gesamtschuldner eines Vermögensarrestes achten sollte.

1. Was bedeutet „Gesamtschuld“ grundsätzlich?

Die Gesamtschuld entstammt dem Zivilrecht und ist in § 421 BGB ausdrücklich geregelt. Gesamtschuldnerschaft liegt danach vor, wenn mehrere Betroffene eine Leistung schulden, der Gläubiger sie aber nur einmal fordern kann. Ein klassisches Beispiel wäre etwa das folgende: A und B wird vorgeworfen, den C um 10.000,00 EUR betrogen zu haben. Der Gläubiger C kann von den Schuldnern A und B jeweils die vollen 10.000,00 EUR fordern, er ist nicht auf den jeweiligen Anteil in Höhe von 5.000,00 EUR beschränkt. Zahlt A 10.000,00 EUR an C, so kann C nichts mehr von B verlangen.

2. Die Gesamtschuld im Strafrecht

Geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass mehrere Beschuldigte gemeinschaftlich eine Straftat begangen haben und durch diese bereichert wurden, so beantragt sie – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – beim Ermittlungsrichter den Erlass eines sog. Vermögensarrestes.  In einem solchen Vermögensarrest wird die Höhe der Forderung bezeichnet und es findet sich regelmäßig die Anordnung, dass der Betroffene gesamtschuldnerisch mit anderen Betroffenen haftet.

Die Gesamtschuld im Strafrecht ist damit im Kern nichts anderes als im Zivilrecht. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Gläubiger der Einziehungsforderung das jeweilige Bundesland, vertreten durch die zuständige Staatsanwaltschaft, und keine Privatperson ist. Außerdem bestehen Unterschiede bei der Arrestvollziehung, siehe dazu unter Nr. 6.

3. Begründungsanforderungen beachten

In der Praxis ist regelmäßig festzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden von einer gesamtschuldnerischen Haftung ausgehen, ohne darzulegen, auf welche Tatsachen diese Annahme gestützt werden kann. Dabei hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich herausgearbeitet, dass die Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung die Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht davon befreit, darzulegen, wieso sie überhaupt von einer solchen ausgehen.

Hat der C im o. g. Beispielsfall etwa angegeben, das Geld an B übergeben zu haben, so kommt ein Vermögensarrest zu Lasten des A überhaupt nur dann in Betracht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass auch A über diese 10.000,00 EUR (mit-)verfügen konnte. Diese Erkenntnisse fehlen den Strafverfolgungsbehörden regelmäßig, weil sie gar keinen Einblick in das Innenverhältnis von A und B haben. Gleichwohl wird auch in diesen Fällen und ohne entsprechende Ausführungen regelmäßig von einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beteiligten ausgegangen und der Vermögensarrest entsprechend beantragt. Für die Betroffenen ist es wichtig zu wissen, dass ein solcher Vermögensarrest rechtswidrig und damit angreifbar ist.

4. Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen

Vermögensarreste werden nicht selten in Wirtschaftsstrafverfahren erwirkt. Das Wirtschaftsleben wiederum ist von der Teilnahme juristischer Personen geprägt, die streng von den natürlichen Personen zu unterscheiden sind. Eine GmbH ist eine juristische Person, selbst dann, wenn es sich um eine sog. Ein-Mann-GmbH handelt, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ein und dieselbe natürliche Person ist.

Handelt nun dieser Geschäftsführer und erlangt dadurch die GmbH eine Bereicherung durch eine Straftat, so muss der Vermögensarrest in das Vermögen der GmbH und nicht in das Vermögen des Geschäftsführers ausgebracht werden. GmbH und Geschäftsführer haften in diesem Falle auch nicht gesamtschuldnerisch, denn das Vermögen des Gesellschafters / Geschäftsführers ist nicht gemehrt. 

Erst kürzlich hat der Bundesgerichtshof diese ständige Rechtsprechung bestätigt. In seinem Beschluss vom 23.10.2018, 5 StR 185/18, hat der Senat ausgeführt, dass ein Tatbeteiligter nicht ohne Weiteres die der juristischen Person durch die rechtswidrige Tat zugeflossenen Vermögenswerte erlangt. Das gelte selbst dann, wenn er eine legale Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der GmbH hat. In der Praxis wird diese strikte Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen häufig übersehen. Ein Vermögensarrest, in dem dieser Fehler gemacht wird, ist ebenfalls rechtswidrig. 

Exkurs zum Steuerstrafrecht: 

Gerade im Steuerstrafrecht kommt es immer wieder vor, dass Vermögensarreste zu Lasten einer natürlichen Person erlassen werden, obwohl Steuerschuldner ausschließlich die juristische Person ist. Hat nämlich die juristische Person durch eine Steuerstraftat Aufwendungen erspart und haftet die natürliche Person nicht aus außergewöhnlichen Umständen für diese Steuerschuld, so muss das Erlangte bei ihr abgeschöpft werden, nicht bei der natürlichen Person. Es gelten im Steuerstrafverfahren im Zusammenhang mit dem Vermögensarrest einige Besonderheiten, die wir Ihnen in einem früheren Rechtstipp bereits umfangreich dargelegt haben.

5. Ausnahme: Gesellschaft ist nur ein „formaler Mantel“

Von den dargestellten Grundsätzen einer Haftung der juristischen und nicht der natürlichen Person gibt es Ausnahmen, die man kennen sollte. So hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23.10.2018, 5 StR 185/18, auch klargestellt, dass eine Haftung des Gesellschafters / Geschäftsführers dann möglich ist, wenn die Gesellschaft selbst keine wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet und nur dazu dient, das (Privat-)Vermögen der Gesellschafter zu mehren.

Für die Betroffenen bedeutet dies, dass man sehr genau untersuchen muss, mit welcher Begründung eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet wird. Nimmt die Gesellschaft aktiv am Wirtschaftsleben teil und hat sie einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb, scheidet ein Vermögensarrest in das Privatvermögen des Geschäftsführers aus, solange dieses Privatvermögen nicht durch die Straftat gemehrt ist. 

6. Vollstreckungshöhe umstritten

Es ist in Literatur und Rechtsprechung höchst umstritten, in welcher Höhe ein gesamtschuldnerischer Vermögensarrest vollstreckt werden darf. Im o. g. Beispielsfall haften A und B auf insgesamt 10.000,00 EUR und jeder von ihnen darf auf 10.000,00 EUR in Anspruch genommen werden. Zum Teil wird bei den Strafverfolgungsbehörden deshalb die Auffassung vertreten, ein Vermögensarrest dürfte sowohl in das Vermögen von A als auch das Vermögen von B jeweils in Höhe von 10.000,00 EUR vollstreckt werden.

Dies entspricht indes nicht der herrschenden Meinung, denn damit würde man verkennen, dass A und B gemeinsam nicht mehr als 10.000,00 EUR aufbringen müssen. Mehr als 10.000,00 EUR dürfen daher insgesamt nicht gesichert werden, andernfalls spricht man von einer sog. Übersicherung. Ob dabei alleine 10.000,00 EUR in das Vermögen des A oder jeweils 5.000,00 EUR in die Vermögen von A und B gesichert werden, obliegt der Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft. Sichert sie aber 2 x 10.000,00 EUR, so ist diese Vollzugsmaßnahme rechtswidrig und damit angreifbar.

7. Zusammenfassung

Die Strafverfolgungsbehörden gehen bei Vermögensabschöpfungsmaßnahmen regelmäßig von einer gesamtschuldnerischen Haftung der Betroffenen aus, ohne dass die Voraussetzungen einer gesamtschuldnerischen Haftung im Vermögensarrest hinreichend begründet werden. Die gesamtschuldnerische Haftung dient vielmehr häufig dazu, sich einer genauen Darlegung der Verteilung des Erlangten zu entziehen und umfangreiche Zugriffsmöglichkeiten auf die Vermögen der Betroffenen zu erhalte.

Dieses Vorgehen ist rechtswidrig und entsprechende Vermögensarreste sind angreifbar. Gleiches gilt für die häufig festzustellende Anordnung eines Vermögensarrestes in das Vermögen einer natürlichen Person, obwohl ausschließlich eine juristische Person etwas durch die Straftat erlangt bzw. Aufwendungen erspart hat. Rechtswidrig ist es außerdem, gesamtschuldnerische Vermögensarreste jeweils in voller Höhe in die Vermögen aller Gesamtschuldner zu vollziehen. Hierin liegt eine Übersicherung, gegen die sich die Betroffenen zur Wehr setzen sollten.


Autor: 

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vertretung und Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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