Vermögensarrest nach § 111e StPO aufheben; Möglichkeiten und Alternativen des Betroffenen

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Ein Vermögensarrest belastet den Betroffenen schwer, weil er von „jetzt auf gleich“ nicht mehr über seine Vermögenswerte verfügen kann. Jeder Betroffene stellt sich in dieser Situation dieselbe Frage: „Wie kriege ich diesen Vermögensarrest aufgehoben?“

Zu ihrer Beantwortung muss man zunächst Folgendes wissen: Der Vermögensarrest nach der Strafprozessordnung ist in den §§ 111e ff. StPO geregelt. Sein Sinn und Zweck liegt darin, Vermögensverschiebungen zulasten des Staates zu verhindern und so das Vermögen des Betroffenen im Status quo zu erhalten. Ein Vermögensarrest ist rechtmäßig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass es am Ende des Verfahrens zu einer Einziehung von Wertersatz kommen wird und die Vollstreckung dieser Einziehungsanordnung ohne die vorläufige Sicherung gefährdet wird. Die Grundlagen des Vermögensarrestes haben wir Ihnen hier ausführlich erläutert.

Das „klassische Mittel“ zur Aufhebung eines Vermögensarrestes ist die Beschwerde. Wie man gegen einen Vermögensarrest im Wege der Beschwerde vorgehen kann, haben wir Ihnen deshalb bereits in einem Rechtstipp dargelegt. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen dieses Vorgehen wenig Erfolg verspricht bzw. finanziell in keinem sinnvollen Verhältnis zu den anfallenden Kosten steht. Genau für diese Fälle wollen wir Ihnen im weiteren Verlauf dieses Rechtstipps Alternativen zur Anfechtung des Vermögensarrestes im Wege der Beschwerde aufzeigen, mit deren Hilfe Sie eine Minimierung der Belastungen erreichen können. Die nachfolgenden Ausführungen sind deshalb vor allem für diejenigen Rechtssuchenden relevant, bei denen die Gründe des Vermögensarrests überwiegend zutreffend sind. Sind Sie hingegen der Auffassung, dass der Vermögensarrest völlig unbegründet ist, so ist die Beschwerde und dieser Rechtstipp für Sie von Interesse.

1. Warten Sie die gerichtliche Entscheidung ab.

Der Vermögensarrest wird nach § 111g Abs. 1 StPO grundsätzlich vom Gericht angeordnet. In den Fällen, in denen Gefahr im Verzug vorliegt, das heißt, eine richterliche Entscheidung nicht mehr eingeholt werden kann, darf auch die Staatsanwaltschaft einen Vermögensarrest anordnen. In diesen Fällen muss das Gericht die Anordnung innerhalb einer Woche nachträglich bestätigen.

Für den Betroffenen heißt das: Hat die Staatsanwaltschaft den Vermögensarrest angeordnet, muss dieser gerichtlich bestätigt werden. Auf das Erfordernis einer richterlichen Bestätigung können Sie jederzeit hinweisen und diese auch beantragen. Für Sie besteht  damit die Chance, wieder über ihre Vermögenswerte verfügen zu können, ohne großen eigenen Aufwand betreiben zu müssen, denn das Gericht prüft sämtliche Anordnungsvoraussetzungen von Amts wegen.

2. Nehmen Sie Kontakt mit dem Rechtspfleger auf.

Der Betroffene erhält regelmäßig erst im Zuge der Vollstreckungsmaßnahme vom Vermögensarrest Kenntnis, er wird von seiner Vollstreckung überrascht. Die Zuständigkeit für die Vollstreckung des Vermögensarrestes liegt bei der Staatsanwaltschaft, intern zuständig ist der Rechtspfleger, nicht der Staatsanwalt §§ 111k Abs. 1 StPO, 31 Abs. 1 Nr. 2 RPflG.

Für den Betroffenen heißt das: Erster Ansprechpartner bei Fragen rund um die Anordnung eines Vermögensarrestes ist der Staatsanwalt, bei Fragen zur Vollziehung müssen Sie sich hingegen an den Rechtspfleger wenden. Dieser kann die Pfändungen aufheben und wählt die Sicherungsgegenstände nach pflichtgemäßem Ermessen aus. Gibt es Alternativen zu der vom Rechtspfleger gewählten Sicherung, können Sie  diesen darauf hinweisen und so eine Änderung der Pfändungsmaßnahme erreichen.

3. Wenden Sie die Vollziehung gegebenenfalls durch Hinterlegung des Sicherungsbetrages, § 111g Abs. 1 StPO

Der Vermögensarrest dient dazu, die spätere Wertersatzeinziehung zu sichern, vgl. dazu die Einleitung zu diesem Rechtstipp und außerdem unseren Rechtstipp zur Einziehung von Wertersatz im Strafrecht nach § 73c StGB. Es besteht daher keine Notwendigkeit für eine Vollstreckung, wenn der Betroffene die Wertersatzeinziehung auf freiwilliger Basis sichert. Eine solche Möglichkeit sieht das Gesetz in § 111g Abs. 1 StPO vor. Danach muss die Vollziehungsmaßnahme aufgehoben werden, wenn der im Vermögensarrest genannte Betrag hinterlegt wird.

Für den Betroffenen heißt das: Haben Sie weitere als die gesicherten Vermögenswerte, können Sie sich der Vollziehung des Arrestes durch Hinterlegung beim Amtsgericht die Grundlage entziehen. Dabei muss nicht zwingend der Betroffene selbst leisten, auch ein Dritter, etwa Verwandte oder Freunde, kann sich hierzu bereiterklären. Wird die im Vermögensarrest genannte Summe von Ihnen hinterlegt, muss die Sicherungsmaßnahme aufgehoben werden. Wurde etwa eine Kontoforderung gepfändet, muss die Staatsanwaltschaft diese Pfändung aufheben und Sie können wieder frei über ihr Konto verfügen. Die Hinterlegung kann, muss aber nicht in Geld erfolgen.

4. Wägen Sie sich aufgrund eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht in Sicherheit.

Das Verhältnis von Insolvenzverfahren und Vermögensabschöpfungsmaßnahmen ist hochkomplex und kann hier nicht in wenigen Sätzen erläutert werden. Grundlegend muss man jedoch wissen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen keine Auswirkungen auf den Vermögensarrest hat. Die Auswirkungen beziehen sich nur auf das in Vollziehung des Vermögensarrestes (dazu Nr. 2) entstandene Sicherungsrecht. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hindert also nicht nur nicht den Erlass eines Vermögensarrestes, im Gegenteil, es kann sogar – jedenfalls in der Theorie – Fälle geben, in denen die Staatsanwaltschaft nur zur Abschöpfung eines am Ende des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzschuldner auszukehrenden Überschusses einen Vermögensarrest beim Amtsgericht erwirkt.

Für den Betroffenen heißt das: Die Insolvenz „rettet“ Sie nicht vor der Vermögensabschöpfung im Strafverfahren und nur, weil man insolvent ist, macht das die Vermögensabschöpfung nicht rechtswidrig.

5. Bestehen Sie auf die richtige Verwaltung von gepfändeten Gegenständen, § 111m StPO.

Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber im Jahr 2017 der schon bisher in der Praxis vorkommenden Frage, wie gepfändete Vermögenswerte zu behandeln sind, mit § 111m StPO eine eigene Regelung zugeordnet. Zuständig für die Verwaltung dieser Gegenstände ist die Staatsanwaltschaft, hier wiederum der Rechtspfleger. Die Staatsanwaltschaft kann auch die Polizei, den Gerichtsvollzieher oder eine dritte Person, etwa einen Sachverständigen, mit der Verwaltung beauftragen. Die Verwaltung kann dabei, zum Beispiel, wenn es um die Verwaltung von gepfändeten Geschäftskonten geht, auch die Freigabe von Zahlungen an Lieferanten beinhalten.

Für den Betroffenen heißt das: Nur, weil ein Gegenstand gepfändet ist, bedeutet das nicht, dass Sie nicht versuchen können, diesen in Absprache mit der Staatsanwaltschaft wirtschaftlich sinnvoll einzusetzen. Es fehlt in diesen Fällen zwar die unmittelbare Verfügungsbefugnis, die Staatsanwaltschaft kann und muss aber auf eine entsprechende, wirtschaftlich sinnvolle Verwaltung achten, schließlich ist die vorläufige Sicherung keine Strafe, sondern nur eine Maßnahme zur Verhinderung einer Verschlechterung der Erfolgsaussichten der Vollstreckbarkeit einer späteren Einziehungsanordnung. Verweigert die Staatsanwaltschaft sinnvolle Verwaltungsmaßnahmen, entstehen Amtshaftungsansprüche.

6. Wirken Sie gegebenenfalls auf die Veräußerung eines Gegenstandes hin.

Der Gesetzgeber hat verschiedene Szenarien benannt, bei deren Vorliegen die Staatsanwaltschaft die Notveräußerung eines gepfändeten Gegenstandes nach § 111p StPO anordnen darf. Dies sind etwa ein drohender, erheblicher Wertverlust oder wenn die Aufbewahrung oder Pflege des Gegenstandes mit erheblichen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist. Daneben besteht aber immer auch die Möglichkeit des Betroffenen, sich mit einem freihändigen Verkauf des Gegenstandes einverstanden zu erklären. Das macht etwa dann Sinn, wenn Aktiendepots gepfändet wurden und man nicht das Risiko von Kursschwankungen eingehen will. Die insoweit denkbaren Sachverhaltskonstellationen sind so vielfältig, wie die pfändbaren Gegenstände selbst. Werden die Gegenstände notveräußert, wird der Erlös beim Amtsgericht hinterlegt.

Für den Betroffenen heißt das: Haben Sie kein besonderes Interesse an dem gepfändeten Gegenstand, können Sie in Absprache mit der Staatsanwaltschaft auf eine Veräußerung hinwirken. Das muss keine Notveräußerung sein und die Staatsanwaltschaften können die Veräußerung nicht unter dem Hinweis ablehnen, es läge kein Veräußerungsgrund im Sinne des § 111p Abs. 1 StPO vor. Dieser begrenzt die Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft nur in Bezug auf Maßnahmen, die gegen den Willen des Betroffenen erfolgen, steht einem einvernehmlichen Vorgehen aber nicht im Wege.

Fazit:

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man mit einem Vermögensarrest umgehen kann. Die Aufhebung anzustreben, ist nur eine davon. Denkbar ist es auch, den Vermögensarrest zu akzeptieren und zu versuchen, Einfluss auf die Vollziehungsmaßnahme zu nehmen. Es muss dabei nach dem konkreten Einzelfall entschieden und eine Abwägung vorgenommen werden, welcher Schritt den meisten Erfolg verspricht. Selbstverständlich muss man sich dabei nicht für eine der oben genannten Optionen entscheiden, man kann vielmehr auch verschiedene Ansätze verfolgen.



Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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