Versicherungsmakler haftet für die Falschberatung bei der Vermittlung von Lebensversicherung

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OLG Saarbrücken erleichtert die Anspruchsdurchsetzung für den Versicherungsnehmer

Während in der Vergangenheit Streitigkeiten zu Lebensversicherungen eher selten waren, sind die mit Versicherungsrecht befassten Spruchkörper der Gerichte heute überwiegend mit Lebensversicherungsangelegenheiten beschäftigt. Dies gilt jedoch nicht nur wegen der Vielzahl der Widerspruchsfälle aus sog. Altverträgen, die zwischen 1994 und 2007 geschlossen wurden, sondern insbesondere auch wegen Schadenersatzverfahren, in denen die Versicherungsnehmer den damaligen Vermittler auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, weil die vermittelte Police nicht dem entspricht, was man bei Vertragsschluss erläutert hatte. Auch wenn die dogmatische Ausgangslage sich etwas von anderen Anlagefällen unterscheidet, geht die Rechtsprechung dabei davon aus, dass die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze zum Kapitalanlagerecht auf die Vermittlung von Lebensversicherungsprodukten übertragbar ist, wenn bei der Lebensversicherung der Anlagezweck überwiegt.

Mit diesem Ansatz überträgt sich aber gleichzeitig ein Problem des Anlagerechts auf das Versicherungsrecht, nämlich die prozessuale Frage, welche Partei was zur Pflichtverletzung vorzutragen hat. Nach den allgemeinen Grundsätzen muss derjenige, der sich auf eine Tatsache beruft, diese darlegen und beweisen. Dies gilt auch für negative Tatsachen. Der Versicherungsnehmer muss also vortragen, dass er über bestimmte Risiken nicht aufgeklärt wurde. Wie weit die Darlegung gehen muss, wird allerdings in den einzelnen Spruchkörpern unterschiedlich gewertet. Dies wird insbesondere dann zum Problem, wenn der Versicherungsnehmer – eventuell noch ohne Zeugen – Jahre später ein Gespräch erinnern muss, dessen Inhalt er wenn überhaupt nur noch partiell erinnert.

Das OLG Saarbrücken hat sich mit dieser Frage der Darlegungs- und Beweislast in seiner Entscheidung vom 26.02.2014 (Aktenzeichen 5 U 64/13) – abgedruckt VersR 2015, 1248 ff. – beschäftigen können und eine für die Praxis handhabbare Lösung gefunden.

Der Sachverhalt war nicht ungewöhnlich. Der beklagte Versicherungsmakler hatte den Kläger – einen selbständigen Unternehmer aus dem Handwerksbereich – schon länger betreut. 2008 vermittelte der Beklagte dem Kläger eine Rentenversicherung als Basisrente – eine sog. Rürup-Rente – und fertigte im Beratungsgespräch ein Protokoll an, das jedoch nach den Feststellungen nicht an den Kläger übergeben wurde. Der Kläger zahlte in der Folgezeit insgesamt 35.000 EUR an Beiträgen ein. Nachdem der Kläger festgestellt hatte, dass der Vertrag nicht gekündigt werden und auch nicht auf seine Ehefrau übertragen werden konnte, stellte er den Vertrag beitragsfrei.

Das bedeutet, dass der Vertrag mit den bisherigen Einzahlungen fortgeführt wird, dass aber keine weiteren Beiträge mehr geschuldet sind. Das Gesamtguthaben des Vertrags belief sich zu diesem Zeitpunkt auf ca. 20.000 EUR. Der Kläger hat dann den Beklagten auf die Differenz zwischen den eingezahlten Beiträgen und dem Vertragsguthaben in Anspruch genommen, in dem er vorgetragen hat, dass der Beklagte ihn nicht ausreichend über das Produkt aufgeklärt habe. Hätte er das Produkt richtig erläutert, hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen.

Der Ablauf des Beratungsgesprächs war zwischen den Parteien streitig, wobei der Kläger vorgetragen hat, dass der Beklagte ihm mitgeteilt habe, dass er jederzeit „an das Geld herankomme“ und dass der Vertrag auch übertragbar sei. Der Beklagte zog sich schriftlich darauf zurück, dass er den Kläger richtig beraten habe, dass aber wesentlicher Gegenstand der Gespräche gewesen sei, dass Steuern gespart und staatliche Förderungen in Anspruch genommen werden sollten. Außerdem habe er ihm alle Vertragsunterlagen nach dem Beratungsgespräch per Email geschickt. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte seinen schriftsätzlichen Vortrag in der persönlichen Anhörung etwas abgeändert und ausgesagt, dass über die Tatsache, dass zu keinem Zeitpunkt ein Rückkaufwert vorliegt, „mit Sicherheit während des Gesprächs in 100 000 Sätzen gesagt worden (sei)“.

Das Beratungsprotokoll enthielt keine konkreten Aussagen zum Inhalt des Beratungsgesprächs.

Der Senat hat der Klage stattgegeben. Er hat dabei darauf abgestellt, dass zwar der Kläger für die Falschberatung die Darlegungs- und Beweislast trage. Den mit diesem Beweis verbundenen Schwierigkeiten werde aber dadurch begegnet, dass der Beklagte nach dem konkreten Vorwurf einer Pflichtverletzung substantiiert darlegen muss, wie er im Einzelnen aufgeklärt und beraten haben will. Dem Kläger obliegt dann der Nachweis, dass diese Gegenvorstellung nicht zutrifft. Hierbei verweist der Senat auf die Entscheidung des BGH vom 24.1.2006, XI ZR 320/04, abgedruckt in VersR 2006, 979.

Der Senat sah aufgrund der Widersprüche im Vortrag des Beklagten schon keinen ausreichenden Vortrag an, mit dem der Beklagte der behaupteten Pflichtverletzung entgegen getreten wäre. Es wurde klar herausgearbeitet, über welche Punkte der Beklagte hätte beraten müssen, um das Produkt ausreichend darzustellen. Diese Punkte waren im Vortrag des Beklagten jedoch im Ergebnis nicht enthalten. Schon deshalb war der Klage stattzugeben. Im Rahmen eines obiter dictums – also einer an sich nicht notwendigen ergänzenden Begründung – wies der Senat aber darauf hin, dass vorliegend der Beklagte die Beweislast getragen hätte, dass er richtig beraten hat, weil das Beratungsprotokoll entgegen der Verpflichtung des § 61 VVG keine Dokumentation der erforderlichen Beratung enthalten hat.

Der gut begründeten Entscheidung ist zuzustimmen. Das Zusammenspiel zwischen der Darlegungslast des geschädigten Versicherungsnehmers und des Vermittlers ist der entscheidende Punkt in Haftpflichtprozessen wegen der Falschberatung zu dem Produkt. Der Versicherungsnehmer selbst kann aber in der Regel nach mehreren Jahren nicht nachhalten, worüber gesprochen wurde. Insbesondere fehlt ihm häufig ein Beweismittel, wenn bei der Beratung kein unabhängiger Zeuge anwesend war, der sich noch an den Inhalt des Gesprächs erinnert. Von daher ist die „Lösung“ des BGH – der sich der Senat für Versicherungsvermittlung angeschlossen hat – sinnvoll, weil so beide Seiten den Inhalt des Gesprächs vortragen müssen, wobei sich der Vermittler in der Regel besser wird erinnern können, zum einen, weil er das Produkt und die übliche Beratung kennt, zum anderen, weil er schon gesetzlich verpflichtet ist, eine ordnungsgemäße Dokumentation zu erstellen. Wenn er dies – wie hier – nicht tut, muss er auch mit den Konsequenzen leben.

Bedeutsam ist die Entscheidung aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt. Bei Klagen wegen der Vermittlung von Rürup-Renten ist ein Problem, dass der Geschädigte die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag – im Gegensatz zu anderen Kapitalanlagen – nicht Zug-um-Zug gegen Ersatz seines Schadens an den Schädiger abtreten kann. Denn die Verträge sehen zwingend ein Verbot der Abtretung vor. Wie dies Problem gelöst werden kann, war schon länger fraglich. Wohl auch vor diesem Hintergrund hat der Kläger nur die Differenz zwischen dem Vertragswert und seinen Beiträgen verlangt und nicht seine vollständigen Beitragszahlung.

Der Senat hat jedoch festgestellt, dass der Kläger seine vollständigen Beiträge – ggf. abzüglich seiner Steuervorteile – zurückverlangen kann, ohne im Gegenzug die Ansprüche abzutreten. Er müsse sich lediglich verpflichten, mögliche spätere Rentenzahlungen an den Beklagten auszukehren. Dieser Ansatz würde das rein juristische Problem der Vorteilsausgleichung lösen. Es wird abzuwarten sein, ob der BGH dem Lösungsansatz bei einer sich bietenden Gelegenheit folgen wird.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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