Versorgungsausgleich ausschließen? So geht's!

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Versorgungsausgleich bei Scheidung - was ist das?

"Versorgungsausgleich" ist ein sperriges Wort und es ist nicht gleich erkennbar, was sich dahinter verbirgt. Es handelt sich um den Ausgleich der Rentenanwartschaften, die beide Ehegatten während der Ehezeit erworben haben. Grundsätzlich muss jeder Ehegatte dem anderen Ehegatten die Hälfte der erwirtschafteten Rentenanwartschaften abgeben. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs finden verschiedene Arten der Altersvorsorge Berücksichtigung. Dazu zählen die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die Versorgung für Beamte, die betriebliche Altersvorsorge sowie Zusatzversorgungssysteme des öffentlichen Dienstes. Ebenfalls einbezogen werden berufsständische Versorgungseinrichtungen, wie beispielsweise Versorgungswerke, sowie Verträge zur privaten Altersvorsorge, unter anderem private Rentenversicherungen.

Wenn der Scheidungsantrag rechtshängig ist, dann ist automatisch auch das Verfahren zum Versorgungsausgleich rechtshängig, jedenfalls grundsätzlich. Das nennen wir der notwendige Scheidungsverbund und ergibt sich aus § 137 Absatz 2 Satz 2 FamFG.

Ausnahme - kurze Ehedauer

Grundsätzlich muss also der Versorgungsausgleich bei jeder Scheidung durchgeführt werden. Die Eheleute wollen sich aber oft anders einigen und den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausschließen. Sie wollen ihn modifizieren. 

Bei Ehen, die bis zur Einreichung des Scheidungsantrags höchstens drei Jahre gedauert haben, wird kein Versorgungsausgleich durchgeführt, falls keiner der Parteien auf der Durchführung des Versorgungsausgleichs besteht. § 3 Abs. 3 VersAusglG: "Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt."

Maßgeblich ist die Zeit vom Tag der Heirat bis zur Einreichung der Scheidung.
Beispiel 1: Die Eheleute haben am 20.9.2021 geheiratet. Die Scheidung wird am 1.10.23 eingereicht. Da die Ehe weniger als drei Jahre dauerte, muss kein Versorgungsausgleich durchgeführt werden, es sei denn, ein Ehegatte beantragt dies.

Beispiel 2: Die Eheleute haben am 12.4.2018 geheiratet. Seit dem 31.8.2020 leben sie getrennt. Erst im Januar 2024 wird die Scheidung eingereicht. In diesem Fall ist die 3-Jahres-Grenze nicht eingehalten. Zwar haben die Eheleute weniger als drei Jahre zusammengelebt. Es kommt aber auf die Zeit bis zum Scheidungsantrag an, und der erfolgte in diesem Beispiel erst nach fast neun Jahren Ehe.

Ausschluss des Versorgungsausgleichs

Grundsätzlich ist es auch bei einer Ehe über drei Jahren Dauer möglich, dass die Eheleute auf den Versorgungsausgleich verzichten bzw. diesen Auszuschließen .Bei einer Ehe über drei Jahren Dauer ist der Verzicht auf den Versorgungsausgleich außerdem an bestimmte Formvorschriften gebunden. Es reicht für den Verzicht deshalb nicht aus, dass die Eheleute ihn einfach privat unter sich vereinbaren. Es kommen im Wesentlichen zwei Formen in Betracht, in denen man den Verzicht auf den Versorgungsausgleich vereinbaren kann:

1. Notarieller Vertrag

Der Versorgungsausgleich kann per per notariellem Vertrag ganz oder teilweise ausgeschlossen bzw. modifiziert werden. Dieser Weg ist recht unkompliziert und auch kostengünstig. Erfahrungsgemäß betragen die Kosten für so einen Notarvertrag zwischen150,00 € und 200,00 €.  Dieser Weg bietet sich an, wenn es beabsichtigt ist, dass nur einer der Ehegatten im Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten wird.

2. Verzichtserklärung im Scheidungstermin

Wenn beide Ehegatten im Ehescheidungstermin anwaltlich vertreten werden, dann kann der Verzicht bzw. die Modifizierung des Versorgungsausgleiches im Scheidungstermin erklärt werden. Dieser Weg bietet sich an, wenn sich ohnehin beide Ehegatten im Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten lassen. 

Sittenwidrigkeit

Bei Ehen über drei Jahren Dauer muss das Gericht prüfen, ob der Ausschluss bzw. die Modifizierung des Versorgungsausgleiches nicht ausnahmsweise sittenwidrig ist. Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn einer der Eheleute durch den Verzicht in unzumutbarer Weise benachteiligt wird. 

Eine solche sittenwidrige Benachteiligung kann insbesondere bei einer längeren Ehe gegeben sein, wenn einer der Eheleute nicht berufstätig war, um Kinder großzuziehen. Beispiel: Die Ehe dauerte 18 Jahre, der Ehemann war immer berufstätig, während de Ehefrau die meiste Zeit der Ehe Hausfrau war und die beiden Kinder betreute. In einem solchen Fall hat der Ehemann die vollen Rentenanwartschaften erworben, während die Ehefrau nur sehr geringe Rentenanwartschaften erwerben konnte. Im Alter kann sie deshalb von ihrer Rente allein nicht leben. Da sie infolge der Scheidung nach dem Tod ihres Ex-Manns auch keine Witwenrente bekommt, ist sie dringend auf den Versorgungsausgleich angewiesen. Ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich würde deshalb vom Gericht als sittenwidrig und damit unwirksam eingestuft.

Eine Sittenwidrigkeit kann sich auch ergeben, wenn einer der Eheleute z.B. wegen Krankheit oder fehlender Berufsausbildung keine eigene ausreichende Altersvorsorge aufbauen konnte und dies auch künftig nicht kann. In solchen Fällen liegt aber dann keine Sittenwidrigkeit vor, wenn der Nachteil infolge des Verzichts auf den Versorgungsausgleich durch andere Faktoren ausgeglichen wird. Hat in dem Beispiel oben die Frau wegen der Kindererziehung keine ausreichende eigene Rente aufgebaut, so kann ein Verzicht ausnahmsweise doch wirksam sein, wenn die Frau über ausreichendes Vermögen verfügt, um im Alter davon leben zu können. Das kann z.B. Vermögen sein, das ihr bei der Scheidung vom Ehemann übertragen wurde. Aber auch ererbtes Vermögen oder anderes eigenes Vermögen wird berücksichtigt.

Auf der anderen Seite ist ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich meist unproblematisch z.B. in folgenden Fällen:

  • beide Eheleute waren immer voll berufstätig,
  • einer der Eheleute hat während der meisten Zeit Ehe erfolgreich eine Berufsausbildung absolviert,
  • einer der Eheleute war während der Ehe überwiegend selbständig und hat deshalb keine Altersversorgung in Form einer Rentenversicherung,
  • beide Eheleute haben bereits eine ausreichende Altersvorsorge,
  • der an sich ausgleichspflichtige Ehegatte hat dem anderen Ehegatten zum Ausgleich einen entsprechenden Geldbetrag gezahlt,
  • der Verzicht auf den Versorgungsausgleich wird durch eine großzügige Unterhaltsregelung ausgeglichen.
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