Vertragsmanagement: Wie kann ich langfristig geschlossene Mietverträge vorzeitig künden?

  • 6 Minuten Lesezeit

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht Dr. Ulrich Rösch

Rechtliche Ausgangslage: Sind Verträge immer einzuhalten? Im Gewerberaummietrecht gelten leider wichtige Ausnahmen

Im Grundsatz gilt für schuldrechtliche Verträge und damit auch für Mietverträge Formfreiheit. Dem steht gegenüber, dass Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr gemäß § 550 BGB in schriftlicher Form abgeschlossen werden müssen. Dies ist insbesondere für Gewerbemiet- und Pachtverträge relevant, da diese oft mit langen Laufzeiten abgeschlossen werden.

Zwar ist der Mietvertrag bei einem Formverstoß nicht nichtig, sondern gilt als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Im Klartext, der Mietvertrag kann vom Vermieter oder Mieter grundsätzlich jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann.

Beispiel: Wurde beispielsweise ein Mietvertrag für einen Bürokomplex für eine Dauer von 10 Jahren fest abgeschlossen und stellt sich 2 Jahre nach Mietbeginn heraus, dass die Schriftform nicht eingehalten wurde, kann der Mietvertrag trotz der Restlaufzeit von 8 Jahren spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres ordentlich gekündigt werden (vgl. § 580 a Abs. 2 BGB).

Die Problematik wäre leicht vermeidbar, wenn ein Verstoß gegen das Schriftformgebot nur dann vorläge, wenn der Mietvertrag mündlich, soll heißen nicht schriftlich, abgeschlossen worden wäre. Die Sprengwirkung dieser Bestimmung entfaltet sich jedoch dadurch, dass der BGH strenge Anforderungen an die Wahrung des Schriftformerfordernisses stellt.

Beabsichtigt eine Partei ein befristetes Mietverhältnis vorzeitig zu beenden, z.B., weil der Vermieter eine lukrativere Möglichkeit hat das Mietobjekt zu vermieten oder der Mieter keinen Bedarf mehr an dem Mietgegenstand hat, wird oft das Schriftformerfordernis als Hebel angesetzt, um den Mietvertrag zu Fall zu bringen.

Die größten Fallen bei der Einhaltung der Schriftform von Mietverträgen

Falle 1: Vorsicht vor handschriftlichen Änderungen oder Streichungen 

Nicht selten werden in der Vertragsurkunde handschriftlichen Änderungen und Streichungen vorgenommen. Dies ist indes nur dann mit dem Schriftformerfordernis vereinbar, wenn sich die Vertragspartner über die Änderungen einig sind und es ihrem gemeinsamen Willen entspricht, dass die, evtl. bereits geleisteten Unterschriften auch für den veränderten Vertragsinhalt Gültigkeit behalten sollen. Zur Vermeidung von Zweifel ist es daher häufig besser, den Mietvertrag nochmals sauber aufzusetzen und die Änderungen direkt in den Text einzuarbeiten.

Falle 2: Das einseitig unterschriebene Mietvertragsangebot

Abzugrenzen hiervon ist der Fall, dass ein Vertragspartner dem anderen einen unterschriebenen Mietvertag als Angebot zu sendet und der Empfänger an dem Vertragstext Änderungen vornimmt. In diesem Fall umfasst die ursprüngliche Unterschrift des Anbietenden nicht die gemachten Änderungen. Vielmehr wurde das ursprüngliche Angebot auf Abschluss eines Mietvertrages abgelehnt, verbunden mit einem neuen Antrag auf Abschluss eines Mietvertrags, den der ursprünglich Anbietende seinerseits annehmen muss. Macht er dies nicht, so liegt ein Formverstoß vor. Es kann also zu der eigenartigen Situation kommen, dass ein Vertragspartner zwei Unterschriften leisten muss.

Falle 3: Wie unterschreibe ich einen Mietvertrag richtig?

Um die Schriftform zu wahren, ist es notwendig, dass die Vertragsparteien den Mietvertrag unterzeichnen. Hierbei ist schon auf den Ort der Unterschrift zu achten, da der BGH fordert, dass die Unterschriften am Ende des Vertragstextes stehen, um den Vertrag räumlich abzuschließen.

Wenn auf Seiten einer Vertragspartei eine GbR steht ist durch entsprechende Vertretungszusätze darauf zu achten, dass der Unterzeichner nicht (nur) im eigenen Namen unterzeichnet, sondern auch im Namen der anderen Gesellschaft. Bei der GmbH ist ein solcher Zusatz nicht erforderlich, da dort offensichtlich ist, dass der Unterzeichnende nicht für sich, sondern für die GmbH tätig wird. Gleiches gilt für die OHG u. KG.

Falle 4: Vorsicht bei Nachträgen im Mietvertrag

Besonders fehleranfällig sind Nachträge zum Mietvertrag. Um einen Nachtrag zum Bestandteilt des ursprünglichen Vertrags zu machen, forderten die Gerichte früher, dass Nachträge körperlich fest mit dem ursprünglichen Mietvertrag verbunden wurden. Davon sind die Gerichte mittlerweile allerdings aufgrund der sog. Loseblatt-Rechtsprechung abgerückt. Umso mehr stehen jetzt andere Aspekte der Einbeziehung im Fokus. So fordern die Gerichte für eine wirksame Einbeziehung eines Nachtrags, dass dieser die Vertragsparteien und das Datum des Vertragsschlusses benennt, hinreichend deutlich auf alle vorherigen Nachträge Bezug nimmt, die geänderten Regelungen aufführt und erkennen lässt, dass es ansonsten bei den ursprünglichen Vereinbarungen verbleiben soll. Fehlt es hieran, weil z.B. frühere Nachträge nicht erwähnt / vergessen werden, wird der Nachtrag nicht in den ursprünglichen Vertrag einbezogen. Und noch schlimmer: Durch einen formunwirksamen Nachtrag wird der ursprünglich wirksam abgeschlossene Hauptmietvertag mit einem Formfehler infiziert und ist daher ordentlich kündbar!

Welche Inhalte gehören in einen Mietvertrag?

Die Schriftform gilt für sämtliche Vereinbarungen aus denen sich nach dem Willen der Parteien der Pachtvertrag zusammensetzen soll. Nach überwiegender Meinung gilt dies allerdings nur für die wesentlichen Vertragsinhalte und nicht für Nebenabreden von untergeordneter Bedeutung. Damit unterliegen alle notwendigen Vertragsbestandteile, die für das Zustandekommen des Vertrages erforderlich sind der Schriftform. Dies betrifft die Vertragsparteien, Vertragsgegenstand, die Höhe der Pacht sowie die Vertragsdauer.  Sind Regelungen unklar oder unvollständig, muss der Vertragstext ausgelegt werden. Dies gilt auch hinsichtlich wesentlicher Vertragsbestandteile. Hierzu kann auch auf Umstände außerhalb des Vertragstextes zurückgegriffen werden, soweit diese Umstände bei Vertragsschuss vorlagen. Ist der unvollständige oder unklare Vertragsinhalt nicht durch Auslegung zu ermitteln, ist die Schriftform nicht gewahrt.

Beide Vertragsparteien sind zu bezeichnen. Dabei sind natürliche Personen mit ihrem Namen im Vertragstext zu benennen. Auch wenn die Gerichte bei der Vermietung durch oder an eine Gesellschaft großzügiger sind und z.B. keine genaue Bezeichnung der Gesellschaftsform fordern, sollte hier Sorgfalt angewendet werden und die zutreffende Gesellschaftsform benannt werden.

Besonderes Augenmerk ist auf die Lage und Beschaffenheit des Mietgegenstands zu richten. Sind diese nicht eindeutig im Vertrag erkennbar, liegt ein Formmangel vor. Die Beschreibung muss so sein, dass erkennbar ist, welche Räume / Flächen Vertragsobjekt sind. Dies ist vor allem dann kritisch, wenn der Mietgegenstand nur verbal im Vertragstext umschrieben ist. Besser ist es, dem Mietvertrag einen Lageplan bzw. Grundriss beizufügen, in dem die Räume gekennzeichnet sind. Auch ist darauf zu achten, dass der Plan mit der verbalen Beschreibung der Lage zusammenpasst.

Aus dem Mietvertrag muss sich die Höhe der Miete sowie die Abreden zu den Nebenkosten ergeben. Eine häufige Fehlerquelle ist hierbei, dass die Parteien außerhalb des Mietvertrags Abreden zur Miethöhe oder Fälligkeit der Zahlung treffen und damit den Mietvertrag angreifbar machen.

Auch hinsichtlich der Vertragsdauer werden häufig Fehler gemacht.  Lässt sich diese nicht anhand des Vertrages, ggf. durch Auslegung feststellen, liegt ein Formverstoß vor. Hierzu muss sich zunächst aus dem Vertrag der Mietbeginn ergeben. Denkbar ist hier eine Anknüpfung an die Übergabe der Mietsache oder ein bestimmtes Datum. Hinsichtlich der Laufzeit resultieren Fehler häufig aus widersprüchlichen Angaben oder fehlenden Ergänzungen oder Streichungen bei Vertragsmustern.

Inwieweit helfen Schriftformheilungsklauseln?

Aufgrund der weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen von Formverstößen enthalten viele Verträge sog. Schriftformheilungsklauseln. Diese verpflichten die Parteien im Falle eines Schriftformverstoßes alle Handlungen und Erklärungen vorzunehmen, die zur Einhaltung der Schriftform erforderlich sind und auch den Mietvertrag nicht unter Berufung auf einen Formmangel vorzeitig zu kündigen. Der BGH hat jedoch im Jahr 2017 entschieden, dass derartige Schriftformheilungsklauseln nicht mit der Vorschrift des § 550 BGB vereinbar und damit unwirksam sind.

Unsere Checkliste: Der richtige Umgang mit Mietverträgen über Gewerberaum

  • Treffen Sie keine mündlichen Vereinbarungen im Umfeld von Mietverträgen
  • Vermeiden Sie nachträgliche handschriftliche Änderungen im Vertragstext
  • Achten Sie darauf, dass die Unterschriften den Vertragstext abschließen
  • Legen Sie Wert auf eine genaue Bezeichnung des Vertragsgegenstands, der Laufzeit sowie der vereinbarten Miete
  • Gutes Vertragsmanagement erfordert eine sorgfältige Abfassung der Nachträge, d.h. Bezugnahme auf den Hauptvertrag, Erwähnung aller vorangegangen Nachträge, Auflistung der Änderungen

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung und Erstellung Ihrer Gewerbemiet- und Pachtverträge.

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Foto(s): https://unsplash.com/photos/PhYq704ffdA


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