Vertragsstrafe: zahlen und Ruhe haben oder gerichtlich klären lassen?

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Rechtsanwalt Andreas Kempcke

Haben Sie in der Vergangenheit nach Erhalt einer Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgegeben und sollen nun wegen Verstößen gegen diese Erklärung eine Vertragsstrafe zahlen? Dann überlegen Sie vermutlich, ob Sie sich durch eine Zahlung Ruhe erkaufen sollten oder ob Sie es lieber auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen sollten. Im nachfolgenden Beitrag erläutere ich die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten anhand verschiedener Beispiele. Unter anderem gehe ich auch auf die Vertragsstrafenforderungen von zwei Vereinen ein: Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) und Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV):

Ein grundsätzlicher Tipp vorab: unbedingt Sachverhalt und abgegebene Unterlassungserklärung prüfen


So banal es auch klingen mag: Wenn Ihnen vorgeworfen wird, dass Sie gegen eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verstoßen, dann sollten Sie zunächst den Sachverhalt und die abgegebene Unterlassungserklärung prüfen. Stimmt der erhobene Vorwurf überhaupt? Ist der Vorwurf unberechtigt, ist auch die Vertragsstrafenforderung unberechtigt.


Zugegeben: Es kommt eher selten vor, dass der Vorwurf eines Verstoßes gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung von vornherein unberechtigt ist, weil der Sachverhalt so gar nichts mit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung zu tun hat. Mitunter ergibt sich aus der Prüfung des Sachverhaltes aber zumindest ein Ansatzpunkt für eine mögliche Verteidigung.


Wie gut oder schlecht sind die Erfolgsaussichten für eine Verteidigung?


Bevor man sich Gedanken über die richtige Verteidigungsstrategie macht, sollte man sinnvollerweise prüfen, wie die Erfolgsaussichten für eine Verteidigung stehen. Die „richtige“ Verteidigungsstrategie hängt nämlich maßgeblich davon ab, ob es von vornherein um Schadensbegrenzung gehen soll oder ob der Forderung der Gegenseite schlagende Argumente entgegengehalten werden können.


1. Der Klassiker: Die Forderung ist leider dem Grunde nach berechtigt


Der in der Praxis leider sehr häufig vorkommende Fall: Die Abmahnung (z.B. wegen einer unzulässigen Werbung) war berechtigt, die abgegebene Unterlassungserklärung entspricht nach Inhalt und Reichweite dem erhobenen Vorwurf und es liegt ein klarer Verstoß gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung vor (z.B. weil bei der Überarbeitung der Angebote ein Angebot übersehen worden ist, in dem die problematische Werbung nach wie vor enthalten ist).


Die schlechteste Variante: Forderung ignorieren 


Wenn Sie eine Vertragsstrafenforderung ignorieren, müssen Sie mit Weiterungen rechnen, sei es durch die außergerichtliche Einschaltung von Rechtsanwälten oder die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens. Eine Vertragsstrafenforderung zu ignorieren, bedeutet also letztlich nur, die Entscheidung über die Reaktion zu verschieben und hierdurch erhebliche Mehrkosten zu riskieren. Ich empfehle Ihnen daher, sich lieber gleich Gedanken über das weitere Vorgehen zu machen.


Also einfach bezahlen? Besser nicht!


Selbst wenn eine Vertragsstrafenforderung dem Grunde nach berechtigt ist, sollten Sie nicht ohne weiteres eine Zahlung leisten. Sie werden es sich schon denken können: Bei Zahlungsforderungen gilt die alte Faustregel: Ein bisschen was geht immer. Aus Sicht der Gegenseite kann es nämlich sinnvoll sein, Ihnen hinsichtlich der Höhe der Forderung entgegenzukommen, wenn hierdurch eine schnelle Zahlung erlangt werden kann oder ein aufwändiges Verfahren vermieden werden kann. Verhandeln lohnt sich also fast immer, und sei es auch nur im Hinblick auf Zahlungsmodalitäten wie z.B. die Verlängerung der Zahlungsfrist oder die Vereinbarung von Ratenzahlungen.


Noch ein Tipp aus der Praxis: Nach meiner Erfahrung kommt es immer wieder vor, dass die Gegenseite hinsichtlich der Höhe einer Zahlungsforderung deutlich weiter entgegenkommt als ursprünglich erwartet. Die sogenannte ZOPA (zone of possible agreement) ist nämlich fast immer größer als man selbst vermutet.


2. Noch ein Klassiker: die Forderung ist zwar dem Grunde nach berechtigt, der Höhe nach aber deutlich überzogen


Klar: Gerade wenn die abgegebene Unterlassungserklärung ein flexibles Vertragsstrafeversprechen (nach dem sogenannten neuen Hamburger Brauch) enthält, gehen die Meinungen schnell auseinander, in welcher Höhe eine Vertragsstrafe angemessen ist.


Bei der Frage, welche Vertragsstrafenhöhe angemessen ist, kommt es in rechtlicher Hinsicht auf verschiedene Aspekte an. Nach meiner Erfahrung verfahren viele Gläubiger nach dem Motto: hoch einsteigen und dann auf einen mittleren Betrag einigen. In einem solchen Fall macht es Sinn, über die Höhe der Vertragsstrafe zu verhandeln, um die Angelegenheit außergerichtlich beizulegen. Kann eine Einigung mit der Gegenseite nicht erreicht werden, besteht die Möglichkeit, einen Teilbetrag zu zahlen und es nur noch hinsichtlich des dann offenen Restbetrages auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen.


3. Ein spannender Sonderfall: Ein Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung liegt zwar vor, die Geltendmachung der Vertragsstrafenforderung könnte aber wegen Rechtsmissbrauch des Anspruchstellers unzulässig sein 


Abmahnung und Rechtsmissbrauch waren in der Vergangenheit gerade für Onlinehändler ein leidiges Thema. Viel zu oft diente eine Abmahnung nämlich nicht zur Herstellung des lauteren Wettbewerbs, sondern ersichtlich dazu, dem Gegner durch Abmahnkosten oder später durch die Geltendmachung einer Vertragsstrafe das Leben schwer zu machen. Das Problem dabei: Nach den gesetzlichen Vorgaben ist die Geltendmachung von Ansprüchen zwar unzulässig, wenn diese unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Die Gerichte taten sich in der Vergangenheit jedoch häufig sehr schwer damit, aus den Gesamtumständen auf einen Rechtsmissbrauch zu schließen.


Aktuell stellt sich die Frage nach einem möglichen Rechtsmissbrauch nach meiner Auffassung insbesondere im Zusammenhang mit den Vertragsstrafenforderungen von zwei Vereinen.



  • In den Vertragsstrafenverfahren des Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) stellt sich die Frage des Rechtsmissbrauchs nach meiner Auffassung auch. Der Verein ist nach eigenen Angaben nämlich im Jahr 2021 aus der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach dem UKlaG ausgeschieden und hatte damit die Berechtigung aufgegeben, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach dem UKlaG geltend zu machen. Gleichwohl überprüft der Verein die Einhaltung bei alten Verfahren, ob die abgegebene Unterlassungserklärung eingehalten wird. Bei Verstößen macht der Verein Vertragsstrafe geltend. Mir liegen aktuell (Stand 15.11.2023) mehr als 10 Fälle vor, in denen Vertragsstrafen zwischen 6.000,00 und 30.000,00 Euro gefordert werden.


Über die Vertragsstrafe verhandeln oder Vertragsstrafe unter Erhebung des Rechtsmissbrauchseinwandes zurückweisen?


Im Grunde bestehen bei Vertragsstrafenforderungen des IDO und des VSV die beiden folgenden Möglichkeiten:


  • Zum einen besteht die Möglichkeit, über die Höhe der Vertragsstrafenforderung zu verhandeln, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Das Problem dabei: mit dieser Vorgehensweise geben die Betroffenen zu erkennen, dass Sie die abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bzw. den bestehenden Unterlassungsvertrag als weiterhin wirksam betrachten. Wenn bei einer weiteren Vertragsstrafenforderung später eine Rechtsverteidigung unter Hinweis auf die Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens erfolgen soll, für die Rechtsverteidigung erheblich schwerer.


  • Zum anderen besteht die Möglichkeit, die Vertragsstrafenforderung unter Erhebung des Rechtsmissbrauchseinwandes zurückzuweisen und die abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu kündigen. Zugegeben, ein zweischneidiges Schwert: Bei dieser Vorgehensweise besteht nämlich die Gefahr, dass die Vertragsstrafenforderung mit einer Klage im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht wird.


Ob eine außergerichtliche Einigung über die Höhe der Vertragsstrafe Sinn macht, hängt nach meiner Erfahrung letztlich von zwei Aspekten ab: Zum einen natürlich von der Frage, ob eine akzeptable Verständigung über die Höhe der Vertragsstrafenzahlung erzielt werden kann und zum anderen von der Frage, wie hoch das Risiko eines erneuten Verstoßes gegen die abgegebene Unterlassungserklärung und damit das Risiko einer erneuten Vertragsstrafenforderung ist.


Wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, geht es nicht nur um die Frage, ob die Vertragsstrafenforderung wegen eines möglichen Rechtsmissbrauchs grundsätzlich ausscheidet. Natürlich geht es immer auch um die Frage, ob die Vertragsstrafe der Höhe nach berechtigt wäre.


In den mir vorliegenden Vertragsstrafenverfahren des Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) wird der Bundesgerichtshof hoffentlich bald eine abschließende Klärung herbeiführen.


In den mir vorliegenden Vertragsstrafenverfahren des Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) liegt mir bislang nur eine einzige Klage vor (Stand 15.11.2023). In dem entsprechenden Verfahren wird es insbesondere um die Frage gehen, ob ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die aktuellen Fälle übertragbar ist. Der Bundesgerichtshof hatte nämlich bereits mit Urteil vom 26.09.1996 zum Az. I ZR 265/95 - Altunterwerfung I – klargestellt, dass ein Unterlassungsvertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, wenn die Sachbefugnis des Gläubigers hinsichtlich eines zugrunde liegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs entfallen ist. In diesem Zusammenhang hatte der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass die Berufung auf eine vom Schuldner nicht rechtzeitig gekündigte Unterwerfungserklärung ausnahmsweise eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann, wenn der Gläubiger offensichtlich nicht mehr sachbefugt ist. Die spannende Frage lautet also, ob diese Erwägungen auch auf die Vertragsstrafenforderungen des VSV übertragen werden können.


Was also ist die „richtige“ Vorgehensweise?


Die für Sie „richtige“ Vorgehensweise hängt von Ihrer Ausgangssituation und Ihren Interessen ab. Gern berate ich Sie eingehend zu den Möglichkeiten des weiteren Vorgehens.


  1. Die wichtigste Entscheidung: Lassen Sie sich fachkundig anwaltlich beraten!
  2. Leisten Sie ohne vorherige Beratung keine Zahlung.

Zu mir und meiner Tätigkeit:


Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Online-Händler wie Sie zu Abmahnungen und Vertragsstrafen.


Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.


Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.


Sie sollen auch eine Vertragsstrafe zahlen?


Wenn Sie auch Post vom Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) oder vom Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) erhalten haben und eine Vertragsstrafe zahlen sollen:


  • Rufen Sie mich einfach an unter: 0381 260 567 30
  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
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Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de

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