Volle Erwerbsminderungsrente auch bei Wegeunfähigkeit

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Erwerbsminderungsrente wird von der Rentenversicherung nur bei einem eingeschränkten Leistungsvermögen von unter 6 Stunden täglich unter Berücksichtigung des allgemeinen Arbeitsmarktes geleistet. Es wird bei der Beurteilung nicht auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung, sondern letztlich auf alle vorstellbaren Berufe abgestellt.

Das Bundessozialgericht hat hiervon mehrere Ausnahmen zugelassen. Immer dann, wenn eine „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, kann, selbst wenn abstrakt ein Restleistungsvermögen von 6 Stunden und mehr beim Versicherten besteht, eine Erwerbsminderungsrente bewilligt werden. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn die Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt ist.

Wenn der Versicherte täglich nicht mehr viermal Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit benutzen kann, liegt Wegeunfähigkeit vor.

Bei der Beurteilung sind typisierte Wegstrecken zugrunde zu legen, nicht aber „idealisierte" Wegstrecken unter Klinikbedingungen auf ebener Erde. Die Benutzung von Fahrzeugen, z. B. eines Rollstuhls, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Zurücklegens von Wegstrecken zu Fuß (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.11.2011 - L 3 R 252/08).

Liegt Wegeunfähigkeit vor und die Rentenversicherung benennt keinen konkreten zumutbaren Arbeitsplatz oder unterbreitet ein konkretes Angebot die Wegeunfähigkeit zu beseitigen, z. B. durch die Stellung eines Pkw, ist eine Erwerbsminderungsrente zu bewilligen.

Hans-Christian Schreiber
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht


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