Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 176b StGB - vom Strafrechtsspezialisten erklärt

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Die Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern wird gem. § 176b StGB bestraft. Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk, Fachanwalt für Strafrecht in Coesfeld, nimmt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu diesem Straftatbestand und dessen Voraussetzungen zum Anlass dieses Beitrags (BGH 4 StR 72/23 vom 21. November 2023; zum Fall siehe weiter unten). 

Im Folgenden sollen maßgeblich die vom BGH festgelegten Kriterien dargestellt werden, welche eine Strafbarkeit für die Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 176b Abs. 1 Nr. 2 StGB begründen. 

Sollten Sie beschuldigt werden, eine solche Tat mutmaßlich begangen zu haben, wenden Sie sich umgehend an einen erfahrenen Strafverteidiger. Allein der (mitunter unberechtigte) Vorwurf, diese Tat begangen zu haben, kann zu einer Stigmatisierung führen. Diese Stigmatisierung kann nicht nur private sondern auch berufliche Konsequenzen hervorrufen.


Vorbereitung sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 176b StGB 

§ 176b StGB legt fest, dass es strafbar ist, durch einen Inhalt auf ein Kind einzuwirken und dadurch

  • das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen oder
  • eine Tat nach § 184b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 oder nach § 184b Abs. 3 StGB zu begehen. [genaue Erklärung zu diesen Paragraphen siehe weiter unten!]


§ 176b StGB bestraft damit bereits Vorbereitungshandlungen. Die Strafbarkeit wird zeitlich sehr weit nach vorne verlagert. Bestraft werden soll die Aufnahme des Kontaktes zu einem Kind, um auf dieses einzuwirken und eine der benannten Taten zu begehen. Wer eine solche Tat begeht wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 

Die vorausgegangen Formulierungen sind sehr abstrakt und sollen vertieft erklärt werden. Vorweg ist klarzustellen, dass alle Personen unter 14 Jahren als Kinder gelten. Insbesondere die Tatvariante des Einwirken auf das Kind, um eine Tat nach § 184b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 oder nach § 184b Abs. 3 StGB zu begehen, soll hier erläutert werden. § 184b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB bestraft das Herstellen eines kinderpornografischen Inhalts, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt. § 184b Abs. 3 StGB bestraft den Besitz oder das Wiedergeben/Anschauen eines solchen Inhalts.


Inhalt i.S.v. § 176b StGB 

Der Straftatbestand bestimmt zunächst, dass auf das Kind durch einen Inhalt eingewirkt werden muss. Schriften, Bilder oder Symbole stellen solche Inhalte dar mit denen auf das Kind eingewirkt werden kann. Diese werden meistens mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen. Konkret davon umfasst und in der Praxis die relevantesten Fälle sind Chatrooms. Dabei wird über Apps wie Whatsapp, Snapchat, Tiktok, Instagram oder die Chatfunktion von Spielen Kontakt zu den Kindern aufgebaut. Auch Videoanrufe unterfallen diesem Begriff. Eine unmittelbare Kommunikation zwischen Anwesenden wird vom Tatbestand nicht erfasst.

Entsprechend solcher Kommunikationsmittel erfahren die Strafverfolgungsbehörden heutzutage oft durch eine Meldung des National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) von dem Tatverdacht, aber auch durch Strafanzeigen von Eltern der Kinder. 


Einwirken auf ein Kind 

Einwirken setzt voraus, dass der Täter dem Kind Gedankeninhalte tatsächlich zur Kenntnis bringt. Das Kind muss den Sinngehalt gedanklich wahrnehmen. Die Absicht das Kind zu einer sexuellen Handlung zu bringen oder einen kinderpornografischen Inhalt herzustellen muss vorliegen. Der Täter muss mit dem Kind chatten und dabei eindeutige Nachrichten formulieren, die eine solche Absicht erkennen lassen. Das Kind muss die Nachrichten lesen, aber - Achtung - nicht unbedingt die sexuelle Bedeutung verstehen.  Der Inhalt muss keinen pornografischen Sinngehalt haben. 

Beispiel: Eine Aufforderung sich auszuziehen und dann Fotos in aufreizenden Posen zu machen, würde zur Erfüllung des Straftatbestandes genügen - auch wenn es zu eigentlichen Handlung nicht kommt.


Vorsatz bezüglich dem Alter des Kindes

Eine weitere entscheidende Frage ist, inwieweit dem vermeintlichen Täter das Alter der Person bewusst war. Der Täter muss zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass die andere Person noch keine 14 Jahre alt ist. Maßgeblich als Kriterien werden grundsätzlich die Statur, das äußere Erscheinungsbild und das Verhalten des Kindes zur Tatzeit herangezogen. Sollte der Täter davon ausgehen er chatte mit einer Person über 14 Jahren, kann der Vorsatz entfallen. Dabei muss diese Behauptung von bestimmten Tatsachen gestützt werden. Wurde etwa schon ein Bild zugeschickt bei dem eine deutlich jüngere Person zu erkennen ist, dann wird die Behauptung man habe gedacht die Person sei über 14 Jahren nicht in allen Fällen greifen. Wurde jedoch ein Bild geschickt worauf das Kind vom Erscheinungsbild deutlich älter wirkt, kann der Vorsatz entfallen. 

Auch Inhalte der Kommunikation werden durch Polizei und Gericht für den Nachweis des Vorsatzes herangezogen. Beispiel: Schreibt das Kind, es sei in der fünften oder sechsten Schulklasse, wird der Erwachsene wohl ohne weiteres die Möglichkeit des Kindsalters zu erkennen haben.    

Gegenüber der Polizei sollten Sie keinerlei Aussagen tätigen und schon gar nicht versuchen, "Mißverständnisse zu erklären". Sie kennen die Akte nicht. Sie wissen als Laie nicht, worauf es inhaltlich im Strafverfahren ankommt. Ihre Aussagen könnten Ihnen später auch negativ angelastet werden. Schweigen Sie und lassen Sie sich durch einen versierten Strafverteidiger vertreten. Sie operieren ja auch nicht Ihre Zahnwurzel selbst, sondern gehen damit zum Zahnarzt.  


Tat nach § 184b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 oder nach § 184b Abs. 3 StGB

Der Täter muss einen kinderpornografischen Inhalt herstellen wollen gem. § 184b Abs. 1 Nr. 3 oder nach § 184b Abs. 3 StGB Besitz eines solchen Inhalts erlangen wollen. Vor allem die Herstellung kinderpornografischer Inhalte ist relevant. 

Der vom BGH entschiedene Fall (Aktenzeichen siehe oben) drehte sich um diesen Aspekt.

Ein kinderpornografischer Inhalt liegt vor, wenn

  • sexuelle Inhalte von, an oder vor einem Kind gezeigt werden oder
  • ein ganz oder teilweise unbekleidetes Kind in unnatürlicher bzw. aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung wiedergegeben wird oder
  • sexuell aufreizend die unbekleideten Genitalien oder das unbekleidete Gesäßes eines Kindes Gegenstand des Inhalts sind.

Die Aufnahme des nur unbekleideten Körpers eines Kindes erfüllt für sich diese Voraussetzungen nicht.

Beim eingangs erwähnten Fall des BGH forderte der Angeklagte in einem Videotelefonat ein dreizehnjähriges Mädchen dazu auf sich auszuziehen, damit er sie nackt betrachten und dies dokumentieren kann. In einem weiteren Videotelefonat rief der Angeklagte eine Zwölfjährige dazu auf ihr Trikot hochzuheben, damit er ihre Brüste sehen und dies dokumentieren könne.

Der BGH hat festgestellt, dass diese Aussagen nicht genügen, um die Absicht des Angeklagten einen kinderpornografischen Inhalt herstellen zu wollen, zu begründen. Wie zuvor beschrieben muss der Täter einen kinderpornografischen Inhalt herstellen wollen. Hätten die Mädchen ihren nackten Körper dem Angeklagten gezeigt, sodass dieser hätte Bilder machen können, genügt dies nicht um als kinderpornografisch eingestuft zu werden. Nur eine Aufnahme vom nackten Körper zu machen ist noch nicht kinderpornografisch. Das Gericht konnte nicht nachweisen, dass nach dem Ausziehen bzw. Hochziehen des Trikots die Mädchen in unnatürlicher oder aufreizender geschlechtsbetonter Weise zu sehen gewesen wären oder dies vom Angeklagten beabsichtig war. Der Angeklagte hätte die Mädchen dazu auffordern müssen aufreizend zu posieren oder ihre Genitalien zu zeigen, damit ein kinderpornografischer Inhalt vorliegt. Die Aufforderung sich zu entkleiden, um dies zu dokumentieren, genügt nicht zur Annahme eines kinderpornografischen Inhalts.   

Vollendung + Verjährung der Tat

Achtung: Vollendet ist die Tat schon, wenn das Kind eine solche Nachricht zur Kenntnis nimmt. Der Zugang der Nachricht bei dem Kind genügt nicht. 

Die Tat verjährt nach 5 Jahren gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB. 

Achtung: Zu erwähnen ist, dass die Verjährung gem. § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur Vollendung des 30. Lebensjahr des Opfer ruht. Die Verfolgung droht Ihnen also noch nach Jahrzehnten!   


Schweigen - Strafrechtler beauftragen - Akteneinsicht nehmen - verteidigen!

Die Bestrafung dieser eigentlichen Vorbereitungshandlung des sexuellen Missbrauchs ist eine weit vorgelagerte Strafbarkeit.  Zur Erfüllung des Straftatbestandes bedarf es vergleichsweise geringer Handlungen, denen hohe Freiheitsstrafen folgen können. 

Da die Nutzung von Handys und Computern bei der mutmaßlichen Tatbegehung eine Rolle spielt, erfährt man nicht selten erst durch eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von den Vorwürfen. Der Staat meint es Ernst - für die Polizei sind Sie sowieso schon schuldig.    

Dementsprechend sollte bei einem solchen Vorwurf unverzüglich ein Strafverteidiger kontaktiert werden. Eine drohende Freiheitsstrafe sollte nicht unterschätzt werden. Es ist sinnvoll und geradezu Pflicht, schon im Ermittlungsverfahren für Sie entlastende Umstände hervorzuheben. H. Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Gescher, Dülmen) verteidigt seit Jahren in ganz Deutschland im Bereich von Sexualstrafverfahren. Als spezialisierter Fachanwalt für Strafrecht verschafft er Ihnen schnelle Akteneinsicht und erarbeitet mit Ihnen die sinnvollste Verteidigungsstrategie. Einfach Kontaktaufnahme per Signal / WhatsApp unter: 0151-52068763 möglich. 

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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