Vorzeitiges Urlaubsende - Darf mich mein Arbeitgeber vorzeitig aus dem Urlaub zurückholen?

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Bundesarbeitsgericht Urteil vom 20.06.2000 – 9 AZR 405/99


Mit dem Bundesurlaubsgesetz hat der Gesetzgeber einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Erholungsurlaub geschaffen. Einen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitneh-mer, seinen Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen, gibt es nach dem Bundesurlaubs-gesetz (BUrlG) nicht. Dies entschied das höchste deutsche Arbeitsgericht, das Bundesar-beitsgericht, so bereits im Jahr 2000. Ob eine Unterbrechung des Urlaubs dennoch bei unvorhersehbaren Ausnahmefällen möglich ist, wollen wir vorliegend klären.


Im Einzelnen:


Nach § 1 BUrlG schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruchs hat er den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen. Dem Arbeitnehmer ist uneingeschränkt zu ermöglichen, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbst zu nutzen. Das ist dann nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz der Freistellung damit rechnen muss, dass er zur Arbeit gerufen wird. Eine solche Arbeitsbereitschaft lässt sich mit der Gewährung des gesetzlichen Erholungsurlaubs nicht vereinbaren. Der Anspruch des Arbeitnehmers wird in diesem Fall nicht erfüllt.
Ein Arbeitgeber muss sich daher vor der Urlaubserteilung entscheiden, ob er dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub gewährt oder den Urlaubswunsch des Arbeitnehmers etwa wegen drin-gender betrieblicher Belange im Sinne von § 7 Abs. 1 BUrlG ablehnt. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer freigestellt, also den Urlaubsantrag des Arbeitnehmers bewilligt, so ist der Arbeitgeber an die Urlaubsgewährung gebunden und kann den Urlaub weder streichen oder verschieben und kann noch viel weniger den Arbeitnehmer aus dem Urlaub zurückrufen.
Vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in denen sich Arbeitneh-mer generell dazu verpflichten, in bestimmten Fällen den Urlaub abzubrechen und die Arbeit wieder aufzunehmen, verstoßen gegen § 13 Abs. 1 BUrlG. Das heißt, eine solche Vereinbarung ist unwirksam.
Will ein Arbeitgeber einen bewilligten Urlaub streichen oder einen Mitarbeiter vorzeitig aus dem Urlaub zurückholen, so reichen hierfür selbst dringende betriebliche Gründe nicht aus. Vielmehr muss es sich um einen gravierenden Ausnahmefall handeln, das heißt, ein echter Notfall. Ein solcher gravierender Ausnahmefall würde nur vorliegen, wenn die Existenz des Betriebs in Gefahr wäre und der Arbeitgeber keine Alternative zur Urlaubsunterbrechung des einzelnen Arbeitnehmers hat.
Beispiel für einen solchen gravierenden Ausnahmefall wäre der Zusammenbruch der gesamten IT-Infrastruktur in einer Produktionsfirma, die auch nicht von einem externen Dienstleister behoben
werden kann, sondern nur mit Hilfe des Leiters der IT-Abteilung des Unternehmens, der gerade im Begriff ist, in Urlaub zu fahren. Bevor die gesamte Produktion steht und beim Unternehmen ein großer finanzieller Schaden eintritt, liegt ein gravierender Ausnahmefall vor, der rechtfertigen kann, weshalb ein Arbeitnehmer seinen Urlaub unterbrechen müsste. Also nur bei einem unvor-hersehbaren, gravierenden Ereignis mit existenzgefährdenden Folgen für den Betrieb oder auf gut Deutsch: Wenn die Hütte wirklich brennt.


Einfache Personalengpässe aufgrund eines hohen Krankenstandes oder gestiegener Auftragslage stellen keinen solchen gravierenden Ausnahmefall dar, so dass der Arbeitgeber nicht dazu berechtigt ist, einen Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Urlaub zu holen.
Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub noch nicht angetreten hat, der Arbeitgeber dem Urlaubsantrag des Arbeitnehmers aber schon bewilligt hat.
Darüber hinaus ist wichtig, dass einem Arbeitnehmer, der im Ausnahmefall aus dem Urlaub zu-rückkehren muss, die Urlaubstage, die er nicht nehmen konnte, wieder gutgeschrieben werden, damit er sie zu einem anderen Zeitpunkt in Anspruch nehmen kann. Für die geleistete Arbeitszeit muss der Arbeitnehmer selbstverständlich wie üblich entlohnt werden. Zusätzlich muss der Arbeit-geber alle Kosten übernehmen, die mit dem Urlaubsabbruch und der Rückkehr in den Betrieb zu-sammenhängen und zwar auch für eventuell mitreisende Familienangehörige etc.


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