VSV-Vertragsstrafenforderung: ignorieren, zahlen, verhandeln oder zurückweisen?

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Rechtsanwalt Andreas Kempcke

Der Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) hatte in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen eine Abmahnung ausgesprochen. Einige der Onlinehändler, die in den entsprechenden Fällen eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben hatten, haben aktuell wieder Post von dem Verein erhalten und sollen eine Vertragsstrafe zahlen. Warum die entsprechenden Vertragsstrafenforderungen aus meiner Sicht problematisch sind und wie Betroffene reagieren können, erläutere ich im nachfolgenden Beitrag:

Rückblick: Zum Vorgehen des Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) gegen Wettbewerbsverstöße 


Der VSV hatte in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen eine Abmahnung ausgesprochen. Zu dieser Zeit war der Verein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen und somit berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen. Themen der entsprechenden Abmahnverfahren waren in den hier in der Kanzlei vorliegenden Fällen unter anderem:

  • Verstöße gegen die Health-Claims-Verordnung,
  • fehlende Angaben zur Nährwertdeklaration und zum verantwortlichen Lebensmittelunternehmer,
  • fehlende Hinweise auf Allergene, insbesondere Sulfite und
  • Werbung mit einer Garantie ohne ergänzende Informationen zu der beworbenen Garantie

Aktuelles Vorgehen des VSV bei Verstößen gegen abgegebene Unterlassungserklärungen (Vertragsstrafenforderungen)


Mir liegen inzwischen mehrere Fälle vor, in denen Betroffene nach einer Abmahnung des Vereins eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben hatten und nunmehr wegen Verstößen gegen die übernommenen Unterlassungsverpflichtungen Vertragsstrafe zahlen sollen. Über diese Fälle hatte ich hier bereits berichtet, zuletzt mit den folgenden Beiträgen:


Warum die Berechtigung der Zahlungsforderungen des Vereins nach meiner Auffassung problematisch sind:


Die Berechtigung der Zahlungsforderungen des Vereins unterliegt nach meiner Auffassung Zweifeln. Der Verein war zum Zeitpunkt der Geltendmachung der mir vorliegenden Vertragsstrafenforderungen nämlich nicht mehr in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Dies ist auch aktuell noch so (Stand: 06.11.2023). Und damit stellt sich natürlich die Frage: Kann der Verein trotzdem noch Vertragsstrafen aus alten Unterlassungserklärungen fordern? Diese Frage wird nun gerichtlich geklärt. In einem der mir vorliegenden Fälle hat der Verein nämlich eine Klage eingereicht.


Wie Sie auf eine Vertragsstrafenforderung reagieren können


Wenn der VSV eine Vertragsstrafe von Ihnen fordert, dann stellt sich für Sie die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben und welche Reaktion in Ihrem konkreten Fall sinnvoll ist. Um es gleich vorweg zu sagen: Die „richtige“ Entscheidung zum weiteren Vorgehen hängt von verschiedenen Aspekten ab. Deshalb gebe ich Ihnen nachfolgend einen Überblick über die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten:


Im Grunde haben Sie die folgenden Möglichkeiten:


  • Zum einen können Sie die Vertragsstrafenforderung schlicht ignorieren und abwarten.
  • Zum anderen können Sie die Vertragsstrafe natürlich auch in voller Höhe bezahlen, um die Vertragsstrafenforderung zu erledigen.
  • Des Weiteren können Sie mit dem VSV über die Höhe der Vertragsstrafe verhandeln, um die Vertragsstrafenforderung des Vereins durch Zahlung eines geringeren als des geforderten Betrages zu erledigen.
  • Im Übrigen können Sie die Vertragsstrafenforderung auch zurückweisen und die abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung kündigen.


Ein Tipp vorab: Sachverhalt und abgegebene Unterlassungserklärung prüfen


Stimmt der erhobene Vorwurf überhaupt? Wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten ein Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung ausscheidet, dann ist die Vertragsstrafenforderung von vornherein unberechtigt. Es lohnt also, den Sachverhalt und den erhobenen Vorwurf anhand der abgegebenen Unterlassungserklärung zu überprüfen.


Die schlechteste Variante: Vertragsstrafenforderung ignorieren und abwarten 


Eine Vertragsstrafenforderung des VSV einfach zu ignorieren und abzuwarten, ist eine schlechte Idee. In diesem Fall müssen Sie nämlich damit rechnen, dass der Verein nach Verstreichen der gesetzten Zahlungsfrist über Anwälte nochmals zur Zahlung auffordern lässt, wodurch vollkommen unnötige weitere Kosten für die Tätigkeit der Anwälte entstehen.


Auch eine schlechte Variante: Die Vertragsstrafe in voller Höhe bezahlen


Die vom VSV mit seinen Abmahnschreiben übersandten Unterlassungserklärungen sahen üblicherweise flexible Vertragsstrafenregelungen vor. Dies bedeutet, dass der Verein bei einem Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungen die Höhe der Vertragsstrafe nach billigem Ermessen selbst bestimmen darf. Die Höhe der Vertragsstrafe kann im Streitfalle jedoch vom zuständigen Gericht überprüft werden. Mit anderen Worten: Egal, wie hoch die Vertragsstrafenforderung ist, man weiß nie, ob ein Gericht sie zusprechen würde oder nicht. Und schon aus diesem Grunde sollten Sie nicht einfach zahlen.


Wenn Sie die Vertragsstrafenforderung des VSV außergerichtlich erledigen wollen, können Sie zumindest den Versuch unternehmen, mit dem VSV über die Höhe der Vertragsstrafe zu verhandeln. Das Problem dabei: Mit dieser Vorgehensweise geben Sie zu erkennen, dass Sie den Unterlassungsvertrag als wirksam betrachten. Sie müssen also damit rechnen, dass der VSV die Einhaltung der Unterlassungserklärung weiterhin überprüfen wird und bei erneuten Verstößen wieder Vertragsstrafe geltend machen wird.


Also besser verhandeln, um weniger zu bezahlen?


Klares JEIN. Denn ganz so einfach ist die Sache leider nicht. Aber der Reihe nach. Verhandlungen über die Höhe der Vertragsstrafe machen nach meiner Auffassung dann Sinn, wenn der Fall möglichst ohne Weiterungen durch ein gerichtliches Verfahren und die hiermit verbundenen Kostenrisiken erledigt werden soll. Denn wie ein Sprichwort sagt: Vor Gericht und auf hoher See ist man in der Hand des Schicksals. Grund genug, die Kostenrisiken einer gerichtlichen Auseinandersetzung vorher durchzurechnen.


Die Gretchenfrage ist natürlich, ob sich entsprechende Verhandlungen überhaupt lohnen. Nach meiner Erfahrung kommt es bei Verhandlungen über die Höhe von Vertragsstrafenzahlungen darauf an, ob für die Gegenseite nachvollziehbar dargelegt werden kann, dass die geforderte Vertragsstrafe deutlich zu hoch ist. Grobe Faustregel: Ein bisschen was geht immer, aber wäre ein größeres Entgegenkommen erreichen möchte, der muss dies schon gut begründen und entsprechende Nachweise liefern. Gern erörtere ich mit Ihnen eine entsprechende Verhandlungsstrategie.


Ein Problem bleibt: Auch mit Verhandlungen über die Höhe der Vertragsstrafe geben Sie zu erkennen, dass Sie den Unterlassungsvertrag als wirksam betrachten. Sie müssen also damit rechnen, dass der VSV die Einhaltung der Unterlassungserklärung weiterhin überprüfen wird und bei erneuten Verstößen wieder Vertragsstrafe geltend machen wird.


Und was ist mit der Möglichkeit, die Vertragsstrafe zurückzuweisen und die abgegebene Unterlassungserklärung zu kündigen?


Diese Frage bringt uns zurück zu der eingangs von mir bereits angesprochenen Frage, ob der VSV Vertragsstrafen aus alten Unterlassungserklärungen fordern kann, obwohl er nicht mehr in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Diese Frage ist derzeit ungeklärt. Ein Ansatz zur Begründung der Zurückweisung der Vertragsstrafenforderung und der Kündigung der abgegebenen Unterlassungserklärung wäre nach meiner Auffassung der Aspekt des Rechtsmissbrauchs:


Der VSV war zwar mal in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) eingetragen. Er ist aus dieser Liste jedoch ausgeschieden und hat nach meiner Kenntnis bislang auch nicht wieder beantragt, in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen zu werden. Der Bundesgerichtshof hatte bereits mit Urteil vom 26.09.1996 zum Az. I ZR 265/95 - Altunterwerfung I – klargestellt, dass ein Unterlassungsvertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, wenn die Sachbefugnis des Gläubigers hinsichtlich eines zugrunde liegenden gesetzlichen UWG-Unterlassungsanspruchs entfallen ist. In diesem Zusammenhang hatte der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass die Berufung auf eine vom Schuldner nicht rechtzeitig gekündigte Unterwerfungserklärung ausnahmsweise eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann, wenn der Gläubiger offensichtlich nicht mehr sachbefugt ist. Die spannende Frage lautet also, ob diese Erwägungen auch auf die Vertragsstrafenforderungen des VSV übertragen werden können.


Die Zurückweisung der Vertragsstrafenforderung und die Kündigung der abgegebenen Unterlassungserklärung sind mit der Gefahr verbunden, dass der VSV seine Vertragsstrafenforderung mit einer Klage bei Gericht geltend macht. Tatsächlich hat der Verein in einem seiner Vertragsstrafenverfahren die Vertragsstrafenforderung inzwischen gerichtlich geltend gemacht. Ob es sich bei diesem Verfahren um einen „Testballon“ handelt, oder ob in weiteren Verfahren Klagen eingereicht werden, ist derzeit unklar (Stand: 06.11.2023).


Was also ist die „richtige“ Vorgehensweise?


Die für Sie „richtige“ Vorgehensweise hängt von Ihrer Ausgangssituation und Ihren Interessen ab. Gern berate ich Sie eingehend zu den Möglichkeiten des weiteren Vorgehens.


  1. Die wichtigste Entscheidung: Lassen Sie sich fachkundig anwaltlich beraten!
  2. Leisten Sie ohne vorherige Beratung keine Zahlung an den VSV.

Zu mir und meiner Tätigkeit:


Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de ständig Online-Händler wie Sie zu Abmahnungen und Vertragsstrafen.


Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.


Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.


Sie sollen auch eine Vertragsstrafe an den VSV zahlen?


Wenn Sie auch Post vom Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V. (VSV) erhalten haben und eine Vertragsstrafe an den Verein zahlen sollen:


  • Rufen Sie mich einfach an unter: 0381 260 567 30
  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ direkt unter diesem Rechtstipp eine Mitteilung zukommen.


Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de

Foto(s): Andreas Kempcke

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