VW-Abgasskandal: Klage auch gegen den VW-Konzern möglich.

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Sichern Sie Ihre Ansprüche. Zahlreiche Käufer von VW-Fahrzeugen wurden im Hinblick auf die Stickoxidproblematik getäuscht. Die Volkswagen AG suggerierte Käufern, ihr Produkt könne auch gegenüber der auf dem Markt befindlichen Konkurrenz mehr leisten. Dies war jedoch nicht so der Fall, wie aus der überregionalen Presse hinreichend bekannt ist. Was nun tun, wenn auf der Verpackung etwas draufsteht, was nicht drin ist? In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind durch die Volkswagen AG Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. 

Käufer musste nicht mit derartiger Software rechnen

Die im Fahrzeug eingebaute Abschaltsoftware entspricht nicht der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache auch erwarten kann. Die Installation und Verwendung einer so genannten Abschaltesoftware ist bei Fahrzeugen anderer Hersteller in vergleichbaren Fahrzeugklassen jedenfalls nicht bekanntermaßen üblich (so auch das Landgericht Braunschweig, Urteil vom 12.10.2016, Az.: 4 0 202/16). Auch erwartet ein Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert ist, die dafür sorgt, dass der Prüflaufstand erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung nur für diesen Fall der Stickoxidausstoß reduziert wird. 

Manipulation seit Ende 2015 bekannt

Die Manipulation der Gegnerin wurde Ende des Jahres 2015 bekannt. Die Handlung, durch die der Hersteller die Endkunden geschädigt hat, war das Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – von Dieselmotoren. In Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Bei verständiger Auslegung muss die vom Hersteller installierte Programmierung als Abschalteinrichtung angesehen werden (so auch LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az.: 3 O 139/16). Das Verhalten des Herstellers ist zudem als sittenwidrig anzusehen. Denn die Täuschung durch den Hersteller dienten augenscheinlich dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglichweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teure Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerten Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Darüber hinaus wurden die Endkunden über die Gesetzeskonformität des erworbenen Fahrzeugs getäuscht. 

VW-Umrüstungspläne nicht ausreichend

Ein Endkunde muss sich des Weiteren nicht auf etwaige Umrüstungspläne der Gegnerin verweisen lassen. Was die Umrüstungspläne angeht, kann nicht sicher gesagt werden, ob die geplanten technischen Maßnahmen tatsächlich erfolgreich und ohne Nebenwirkungen sein werden. Es ist auch gemäß der gegenwärtigen Rechtsprechung gerade nicht absehbar, ob und in welchem Umfang sich aufgrund des sog. Abgasskandals ein merkantiler Minderwert des jeweiligen Fahrzeugs realisieren wird.

Nicht nur Händler in der Haftung

Zunächst wurden in erster Linie die Händler etwaiger Fahrzeuge in die Haftung genommen. So kam ein Kaufvertrag über das entsprechende Fahrzeug ja nicht zwischen dem VW-Konzern und dem Endkunden zustande, sondern vielmehr zwischen Händler und Endkunde. Somit haftet die VW AG den Endkunden nicht aufgrund des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts. Dennoch steht die VW AG in deliktischer Haftung. So können Endkunden die Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des gekauften Fahrzeugs verlangen (so auch das Landgericht Hildesheim mit Urteil vom 17.01.2017, Az.: 3 O 139/16). In vorbenannter Entscheidung wurde der Anspruch auf § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB gegen die Volkswagen AG gestützt, da diese dem Endkunden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schäden zugefügt hätte. Ebenso bestünde ein Anspruch aus § 823 Abs. 2, § 31 BGB in Verbindung mit § 263 StGB (Betrug). In der Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, dass die Organe der Volkswagen AG den Tatbestand des Betruges gegenüber Endkunden – jedenfalls in mittelbarer Täterschaft unter Benutzung der Tochterunternehmen und deren Händler – vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht hätten.

Verjährung prüfen

Sollten Sie über ein etwaiges Fahrzeug verfügen, sollten Sie zeitnah die Verjährung prüfen, damit Ihre Ansprüche rechtzeitig gesichert werden können. Sollten Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, kommt diese zudem für alle anfallenden Kosten im Vorfeld auf, sofern Sie Verkehrsrechtsschutz oder Vertragsrechtsschutz mitversichert haben und zum Zeitpunkt des Erwerbs des PKW eine Rechtsschutzversicherung bereits bestand. 

Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Thomas Ritter

Rechtsanwalt

Wirtschaftsmediator (MuCDR)

Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning, Nürnberg


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