OLG München: Kopie eines fremden Textes durch SEO-Agentur begründet besondere Gefahr der Urheberrechtsverletzung

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Auch in zweiter Instanz bestätigte das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 28.07.2022 (Az.: 29 U 2118/21) unsere Auffassung, dass sog. "Duplicate content" im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung eines SEO-Vertrages berechtigen kann, wenn die übernommenen Inhalte die abstrakte Gefahr einer Urheberrechtsverletzung begründen. Gegen das Urteil des Landgericht München I vom 19.03.2021 (Az.: 22 O 14761/19) ging die Klägerin in Berufung.

Berufungsklägerin (im Folgenden nur Klägerin) war eine Online-Marketing-Agentur.

Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag, welcher Suchmaschinenoptimierung zugunsten des Beklagten zum Zweck hatte. Dies beinhaltete auch die Erstellung von Texten zur eigenen Veröffentlichung auf der Internetseite des Beklagten. Nach mehreren Jahren der Zusammenarbeit kündigte der Beklagte außerordentlich das Vertragsverhältnis und begründete dies mit sog. Duplicate Content. So hatte die Klägerin einen beinahe identischen Werbetext von einer anderen Internetseite kopiert und zur Veröffentlichung an den Beklagten gesandt. Eine Abmahnung durch den Original-Ersteller des Textes erfolgte nicht. Die Klägerin lehnte die Kündigung mit der Begründung ab, Duplicate Content sei durchaus üblich und begründe kein außerordentliches Kündigungsrecht. Die Klägerin forderte in Folge die ihrer Ansicht nach noch ausstehenden monatlichen Zahlungen bis zum ordentlichen Ablauf des Vertragszeitraums.

Anders als das erstinstanzliche Gericht qualifizierte das OLG München das Vertragsverhältnis nicht als reinen Dienstvertrag sondern als typengemischten Vertrag mit werkvertraglichen und dienstvertraglichen Elementen, welcher allerdings seinen Schwerpunkt im dienstvertraglichen Bereich hat und auf den demnach auch Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Konkrete Ergebnisse, wie beispielsweise eine bestimmte nachvollziehbare Rankingposition auf Google seien nicht vereinbart worden.

Das Berufungsgericht bejahte schließlich das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes. Die Klägerin sicherte ihren Kunden jeweils vertraglich zu, dass diesen die erstellten Texte „gehören“ sollen. Der Beklagte durfte somit darauf vertrauen, dass die gelieferten Texte frei von Rechten Dritter seien und die Klägerin in der Lage ist ihm die nötigen Nutzungsrechte einzuräumen, sodass er sich bei der Veröffentlichung demnach auch nicht dem Risiko des Vorwurfs einer Urheberrechtsverletzung aussetzt. 

Bereits die Tatsache, dass dieses Risiko geschaffen wird, rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung. 

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kunde laut AGB der Klägerin die Texte vorab zu prüfen hätte. Eine Prüfpflicht dieses Umfangs widerspreche der Zusicherung der Klägerin. Auch der Einwand der Klägerin, sie habe den Beklagten von eventuellen Ansprüchen Dritter freigestellt, ändert nichts an der Begründetheit der außerordentlichen Kündigung, da eine Freistellung des Beklagten von einem etwaig geltend gemachten Unterlassungsanspruch durch die die Klägerin schon gar nicht möglich ist.

Dem Beklagten war demnach ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten. Zum einen spricht die Verwendung des kopierten Textes gegen die Integrität der Klägerin als Vertragspartnerin und zum anderen müsse sich der Beklagte bei Fortführung des Vertrages mit einer Leistung zufriedengeben, welche ihm im Zweifel eher schaden als nutzen könnte. Auch die mehrjährige Zusammenarbeit mit Lieferung von über 100 nicht beanstandeten Texten überwiegt nicht das Interesse des Beklagten, das Vertragsverhältnis sofort zu beenden. 

Eine vorherige Abmahnung vor Kündigung des Dauerschuldverhältnisses war nach Ansicht des Berufungsgerichts entbehrlich. 

Durch die von einer Mitarbeiterin der Klägerin geschaffene Gefahr einer öffentlichen Zugänglichmachung des Textes gem. § 19a UrhG, welche sich vorliegend ja sogar realisierte, ist eine Vertrauensgrundlage wie vor dem Vorfall nicht wiederherzustellen und eine Mahnung oder Fristsetzung somit nicht zielführend.  

Ausführliche Informationen zum Urteil in erster Instanz finden Sie hier:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/duplicate-content-als-kuendigungsgrund-fuer-die-ausserordentliche-kuendigung-eines-seo-vertrags-189930.html

Bei Rückfragen steht Ihnen gerne zur Verfügung:
RA Thomas Ritter
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Wirtschaftsmediator (MuCDR)



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