Wahlvorschlag – Vorschlagsliste – Wie kommt man da drauf? - Stützunterschriften

  • 5 Minuten Lesezeit

Die Vorbereitungen für die BR-Wahlen 2022 sind in vollem Gange, und ich habe jetzt bereits eine ganze Reihe an Schulungen absolviert. Dabei habe ich gemerkt, dass es zum Teil große Verständnisschwierigkeiten bei der Frage gibt, was ein Wahlvorschlag/eine Vorschlagsliste ist und wie er/sie erstellt wird. Es kommt dann häufig die Frage, ja, und wie kommt man denn da drauf?

Im BR-Büro liegt eine Liste aus

Es scheint recht häufig so zu sein, dass im BR-Büro ein leeres Blatt ausliegt oder ein Mustervordruck für Wahlvorschläge, auf dem man sich einfach einträgt. Wer zuerst kommt, steht oben, in der Regel sind es die bisherigen BR-Mitglieder; alle anderen folgen darunter. Und in fast allen Fällen tragen sich die Kandidaten dann nicht nur oben im Block der Kandidaten ein, sondern stützen den Vorschlag auch direkt mit ihrer Unterschrift weiter unten auf dem Blatt, und so geht es immer der Reihe nach.

Jeder muss Stützunterschriften sammeln – System „Eintrittskarte“

Dann haben andere Betriebsräte die Vorstellung, dass die Stützunterschriften so eine Art Eintrittskarte sind, damit man vom Wahlvorstand auf die Liste geschrieben wird.

In diesen Betrieben muss also jeder Kandidat, der auf den (einzigen) Wahlvorschlag möchte, für sich die erforderliche Anzahl Stützunterschriften sammeln.

Diese „Eintrittskarte“ wird dann beim Wahlvorstand abgegeben und der erstellt nach Ablauf der Abgabefrist die eigentliche Liste; er schreibt dann alle Kandidaten mit der erforderlichen Anzahl Stützunterschriften auf einen Wahlvorschlag, und es findet deshalb immer Personenwahl statt.

Was ist eine Vorschlagsliste?

Als Vorschlagsliste kann man grob die Sammlung an Kandidaten einer Partei, Gruppierung oder wie auch immer bezeichnen. Man schließt sich zu Gleichgesinnten zusammen und kandidiert als Gruppe mit gemeinsamen Interessen und Zielen. So wie es in der Politik verschiedene Parteien gibt, kann es im Betriebsrat auch verschiedene Gruppierungen mit unterschiedlichen Zielen und Arbeitsschwerpunkten geben. Es ist daher eigentlich nicht Aufgabe des Wahlvorstands dafür zu sorgen, dass diejenigen, die gemeinsame Interessen verfolgen, sich überhaupt finden und dann auch noch gemeinsam auf einer Liste kandidieren; das ist Aufgabe der Arbeitnehmer/Kandidaten selbst.

Stützunterschriften für den gesamten fertigen Vorschlag

Es ist diese Sammlung an Kandidaten einer Partei/Gruppierung, welche die Stützunterschriften benötigt. Selbst, wenn im Betrieb sich alle einig sind und es nur eine gemeinsame Interessengruppe gibt, so ist auch dies immer noch eine Partei, eine Einheitspartei, wenn man so will.

Das Gesetz sagt nun ganz klar, dass diese Gruppierung, gleichgültig, aus wie vielen Kandidaten sie besteht, die Stützunterschriften insgesamt für sich sammeln muss.

Wie in der Politik auch, muss aber jeder Wähler erkennen können, welcher Kandidat für welche Partei/Liste kandidiert, wofür er steht bzw. mit welchen Kandidaten jede Partei ins Rennen geht. Wenn ich den Lafontaine will, muss ich dann SPD oder Linke wählen?

Keine Änderung nach erster Stützunterschrift – Vertragscharakter!

Damit ist es zwingende Voraussetzung, dass eine solche Vorschlagsliste vollständig und abgeschlossen ist, bevor nun die ersten Stützunterschriften gesammelt werden dürfen. Man kann ohne weiteres sagen, dass zwischen Kandidaten und Stützern ein Vertrag besteht, bei dem der Block an Kandidaten ein Produkt ist, zB. ein roter Audi A3, Alufelgen, 150 PS, Automatik, Benziner, Frontantrieb.

Mit seiner Unterschrift unter den Block an Kandidaten „kauft“ der Stützer sozusagen dieses Produkt und kein anderes.

Deshalb darf nach Anbringung der ersten Stützunterschrift am Block der Kandidaten nichts mehr verändert werden. Es darf kein Kandidat dazugeschrieben werden, es kann aber auch keiner sagen, och, ich mach nicht mehr mit und lässt sich von der Liste der Kandidaten streichen; so würde unerlaubt nachträglich einfach das „Produkt“ geändert, das man vorher besichtigt und bestellt hat. Kandidaten, die im Laufe der Wahl merken, dass sie eigentlich keine Lust auf Betriebsrat haben, müssen die Wahl abwarten, und wenn sie gewählt worden sind, die Wahl ablehnen. Ob das unbedingt ehrlicher gegenüber den Wählern ist, wage ich zu bezweifeln, so sieht es das Gesetz aber vor.

Auch keine Änderung der Reihenfolge

Es darf auch an der Reihenfolge der Kandidaten nichts geändert werden. Die Reihenfolge auf einem Vorschlag legt fest, welche Kandidaten ins Gremium einrücken sollen, wenn man nicht genug Stimmen hat, um alle Sitze zu besetzen. Die Reihenfolge ist also extrem wichtig; auch bei BR-Listen spricht man daher vom Kandidaten auf Platz 1 vom Spitzenkandidaten, der nach Möglichkeit auf jeden Fall in den BR soll.

Methode Liste Auslegen

Deshalb führt die erste Methode oben (Liste liegt aus und alle schreiben sich der Reihe nach drauf) zu einer unwirksamen Liste, die Wahl ist anfechtbar (nicht nichtig). Das wäre beim Autokauf so, als würde der erste Stützer erstmal die Farbe rot kaufen. Der nächste kauft dann rot mit Alufelgen, der dritte rot mit Alufelgen und Automatik usw. Und am Schluss ist der erste Stützer völlig überrascht, was er denn da bekommt; eigentlich wollte er nämlich einen roten Mercedes E-Klasse Diesel. Gültig wäre eine Liste, die so zustande gekommen ist, immerhin in einem Betrieb bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer, da dort ohnehin keine Stützunterschriften benötigt werden.

System „Eintrittskarte“

Die zweite Methode der Eintrittskarte funktioniert nur bei vereinfachter Wahl. Denn im Grunde reicht jeder einzelne Kandidat, der dem Wahlvorstand eine Liste mit ausreihender Anzahl Stützunterschriften präsentiert, eine gültige Vorschlagsliste ein.

Im vereinfachten Wahlverfahren muss der Wahlvorstand nun bei Ablauf der Frist aus all diesen gültigen Listen tatsächlich eine einzige alphabetisch sortierte Liste erstellen, die dann genauso in alphabetischer Reihenfolge auch auf dem Stimmzettel abzudrucken ist. Im vereinfachten Wahlverfahren ist vom Gesetz her zwingend Personenwahl vorgeschrieben, man wählt also immer die Kandidaten direkt und einzeln und nicht die jeweilige Partei; dabei hat man dabei so viele Stimmen, wie der Betriebsrat Sitze hat.

Leider machen aber auch im normalen Verfahren die Wahlvorstände beim System „Eintrittskarte“ das, was Wahlvorstände im vereinfachten Verfahren machen: Sie nehmen die „Eintrittskarten“ entgegen und schreiben nach Ablauf der Frist alle Kandidaten auf einen einzigen Wahlvorschlag – in welcher Reihenfolge auch immer, meist aber auch alphabetisch. Kein Wunder also, dass auch dort immer Personenwahl stattfindet.

Das ist im normalen Verfahren leider verkehrt. In Wirklichkeit hat jeder Kandidat eine eigene gültige Vorschlagsliste mit nur einem Kandidaten eingereicht. Es ist ohne weiteres zulässig, mit einer Partei ins Rennen zu gehen, die nicht alle Sitze im Parlament besetzen kann. Die Ein-Mann/Frau-Liste ist folglich zuzulassen, wenn sie ansonsten alle formellen Voraussetzungen erfüllt. Dadurch, dass nun alle gültigen Listen vom Wahlvorstand zu einer einzigen Liste verwurstet werden, kommt es zu einer nach § 6 Abs. 6 WahlO verbotenen Verbindung von Listen. Zudem ist die neue, verbundene Liste in der Form von niemandem gestützt worden. Auch ist eine alphabetische Sortierung im normalen Wahlverfahren unzulässig.

Dieser eine gemeinsame Wahlvorschlag ist also ungültig und die Wahl anfechtbar (nicht nichtig).

Ich hoffe, das Konzept der „Liste“ ist ein bisschen klarer geworden; ansonsten melde man sich bei mir.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Derkorn