Wann beginnt der Versuch bei einem Qualifikationstatbestand?

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Die Versuchsstrafbarkeit

Im Strafrecht wird nicht nur die Begehung einer vollendeten Tat mit einer Strafe geahndet, sondern unter Umständen auch bereits der Versuch einer Tat. Die Strafbarkeit des Versuchs ist in § 23 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

Dieser besagt, dass der Versuch eines Verbrechens stets strafbar ist, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

Was ein Verbrechen ist, ist in § 12 StGB normiert.

Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Indes sind Vergehen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind.

Der Versuch

Was bedeutet denn überhaupt „Versuch einer Straftat“? Gemäß § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Die Problematik des Bestimmens dieses Zeitpunkts, wann genau man zu einer Tat unmittelbar ansetzt, wurde vom Bundesgerichtshof in diversen Urteilen veranschaulicht. Demzufolge muss der Täter aus eigener subjektiver Sicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben, so dass die eigene Handlung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in den Taterfolg mündet, das Rechtsgut mithin bereits konkret gefährdet erscheint.

Die Abgrenzung von der Vorbereitungshandlung 

Es ergründet insbesondere die Abgrenzung der Versuchsstrafbarkeit zur Vorbereitungshandlung immer wieder Schwierigkeiten.

Die Vorbereitungshandlung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich noch als so fern von einer konkreten Gefährdung des Rechtsguts darstellt, dass sie strafrechtlich grundsätzlich nicht relevant ist.

Der Versuchsbeginn bei Qualifikationstatbeständen

Wie sieht das indes bei Qualifikationstatbeständen oder Tatbeständen mit Regelbeispielen aus? In diesen Fällen ist beim Versuchsbeginn maßgeblich, ob das Verhalten des Täters nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte zur Verwirklichung des Grunddelikts führen soll.

Hierbei kann genügen, dass er im Begriff ist, ein qualifiziertes Merkmal oder ein Regelbeispiel zu verwirklichen. Relevant ist, ob das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters schon dadurch konkret gefährdet wird, weil sein Handeln nach seinem Tatplan in die Tatbestandsverwirklichung münden soll, ohne dass es eines neuen Willensimpulses bedarf.

Der Wohnungseinbruchsdiebstahl

In seinem Beschluss vom 19. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 28/21) mit genau dieser Problematik befassen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Fall ging es um den Versuchsbeginn beim Wohnungseinbruchdiebstahl.

Im entsprechenden Sachverhalt warf der Angeklagte mit einem Stein ein Loch in eine Glasscheibe eines Wintergartens, um über diesen in die anliegenden Wohnräume zu gelangen und diese nach Wertgegenständen zu durchsuchen.

Daraufhin schalteten Hausbewohner, die durch den lauten Knall geweckt wurden, das Licht im Treppenhaus an. Hierdurch wurde das ganze Haus erleuchtet. Im Anschluss entfernte sich der Angeklagte, um nicht entdeckt zu werden.

Die Vorstellung des Täters ist maßgeblich

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Handlungen des Täters zur Verwirklichung seines Plans zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden müssen. Es hängt von der Vorstellung des Täters über das „unmittelbare Einmünden“ seines Verhaltens in die Erfolgsverwirklichung ab, ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet.

Es spricht grundsätzlich gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges noch eines neuen Willensimpulses bedarf. Für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium ist ein wesentliches Kriterium, inwieweit das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters konkret gefährdet ist.

Das ist beim Wohnungseinbruchdiebstahl regelmäßig der Fall, wenn der Täter beim Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB beabsichtigt, in direktem Anschluss daran in die Wohnung einzudringen und daraus Gegenstände zu entwenden. Er setzt dann bereits dadurch nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar an.

Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte beim Einschlagen des Fensters die Vorstellung, sich in unmittelbarem Anschluss daran in das Haus zu begeben, es nach Wertgegenständen zu durchsuchen und diese zu entwenden, ohne dass es insofern eines weiteren Willensimpulses bedurfte. Mithin war das geschützte Rechtsgut aus seiner Sicht schon mit dem Beginn des Einbrechens konkret gefährdet.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen eines Diebstahls strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


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