Wann ist ein Elternteil alleinerziehend?

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Teilen sich getrennt lebende Eltern die Betreuung des Kindes auf und verlangt ein Elternteil einen Unterhaltsvorschuss, so stellt sich die Frage, wann er als alleinerziehend gilt. Mit dieser Problematik musste sich das Bundesverwaltungsgericht beschäftigen – welches in einem Grundsatzurteil eine quantitative Grenze festlegte (Urteil vom 12.12.2023, Az. 5 C 9.22 und 5 C 10.22).

Bundesverwaltungsgericht mit Grundsatzurteil: Begriff des „Alleinerziehenden“ bestimmt

In dem vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelten Fall ging es um die Klage einer Mutter aus Nordrhein-Westfalen. Diese beantragte Anfang 2020 bei dem zuständigen Jugendamt Unterhaltsvorschussleistungen für ihre siebenjährigen Zwillinge, da der getrennt lebende Vater der Kinder keinen Unterhalt zahlte. Die Behörde lehnte den Antrag jedoch ab. Begründet wurde die Versagung des Unterhaltsvorschuss damit, dass die Kinder alle zwei Wochen von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen von ihrem Vater betreut würden, sodass die Mutter nicht alleinerziehend“ und daher nicht anspruchsberechtigt im Sinne des Unterhaltsvorschussgesetzes sei.

Gerichtliche Klage zunächst ohne Erfolg – Wann ist eine Mutter alleinerziehend?

Gegen die Versagung des Unterhaltsvorschusses erhob die Mutter sodann Klage vor dem Verwaltungsgericht – ohne Erfolg. Das in zweiter Instanz zuständige Oberverwaltungsgericht führte als Begründung ferner aus, dass es sich um ein tatsächlich praktiziertes gemeinsames Sorgerecht der Eltern handele. Dies zeige sich an dem Betreuungsanteil des Vaters von 36 Prozent während der Schulzeit. Dies führe bei der Klägerin zu einer wesentlichen Entlastung bei der Betreuung der Kinder. Gegen diesen Beschluss erhob die Mutter sodann Revision an das Bundesverwaltungsgericht.

Zeitliche Voraussetzungen für das Merkmal „alleinerziehend“ festgelegt

Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass die Voraussetzung „alleinerziehend“ im Sinne des Unterhaltsvorschussgesetzes seinem Zweck nach auszulegen ist. Der bestehe darin, den Elternteil zu  entlasten, der „wegen des Ausfalls des anderen Elternteils besonders belastet“ ist. Diese Situation sei nicht auf Fälle des vollständigen Alleinerziehens beschränkt, sondern könne auch eintreten, wenn „der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei diesem Elternteil liegt“.

Überwiegende Betreuung durch einen Elternteil kann wie „alleinerziehend“ wirken

Der Senat des Bundesverwaltungsgerichts klärte zudem, wann eine „ganz überwiegendeBetreuung vorliegt. Demnach lebt das Kind im Sinne des § 1 Unterhaltsvorschussgesetz bei dem einen Elternteil, wenn dieser mehr als 60 Prozent der Betreuung übernimmt. Damit ist auch für künftige Fälle eine rechtssichere Abgrenzungsmöglichkeit geschaffen worden. Liegt der Mitbetreuungsanteil des anderen Elternteils damit unter 40 Prozent, kann bei dem Jugendamt die Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen beantragt werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – der andere Elternteil seine Unterhaltszahlungen nicht vornimmt. Im Ergebnis wurde die Klage der Mutter zur erneuten Verhandlung über die Aufteilung der Kinderbetreuung zum Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

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