Wann liegt Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor? – OLG Stuttgart vom 30.07.2015

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Am 22.06.2020 hatten sich in der Stuttgarter Innenstadt rund 500 Menschen zusammengerottet und ein Bild der Verwüstung in der Innenstadt hinterlassen. Vor allem richtete sich der Unmut der Personen gegen Polizeibeamte, die von Ihnen beworfen wurden. Zudem sind mehrere Streifenwagen beschädigt worden.

Soweit den Tätern konkrete Gewalthandlungen nicht nachgewiesen werden können, stellt sich die Frage, ob bereits ein Nichtentfernen bzw. Vorbereitungen und Handlungen, die später die Maßnahmen der Polizei als strafrechtlicher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte einzustufen ist.

Was ist Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte?

Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird gemäß § 113 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wann liegt ein besonders schwerer Fall vor?

In besonders schweren Fällen ist die Strafe gemäß § 113 Abs. 2 StGB Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel nach Abs. 2 vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird. Die gemeinschaftliche Begehungsweise könnte bei einigen Beteiligten der Stuttgarter Krawalle vom 22.06.2020 somit – insbesondere bei Vorstrafen – zu einer mehrjährigen Haftstrafe führen.

Sind frühe Handlungen bereits Widerstand?

Widerstand kann nach dem Urteil des OLG Stuttgart vom 30.07.2015 – 2 Ss 9/15 bereits dann Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB darstellen, wenn bei einer voraussehbaren Vollstreckung die Zeitspanne zwischen der Widerstandshandlung und ihrer Wirkung bei einer Vollstreckungsmaßnahme mehrere Stunden beträgt.

Im vom OLG Stuttgart am 30.07.2015 entschiedenen Fall hatte das Amt für öffentliche Ordnung der Landeshauptstadt Stuttgart durch sofort vollziehbare Allgemeinverfügung ein Aufenthalts- und Betretungsverbot für Teile der Mittleren Schlossgartenanlage ab Beginn/Bekanntgabe der Einsatzmaßnahmen der Polizei angeordnet. Demonstranten waren zuvor aufgefordert worden, den bisherigen Versammlungsort unverzüglich zu verlassen und widrigenfalls ein Platzverweis erteilt. Im vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall hatten die Angeklagten sich nebeneinander mit der Vorderseite ihres Körpers auf den gefrorenen Boden gelegt und jeweils einen Arm in ein PVC-Rohr mit einem Durchmesser von 100 bis 120 mm, welches am unteren Ende mit einer Stahlkette und einem Bügelschloss einbetoniert war, gesteckt. An dem Bügelschloss fixierten sie sich mittels einer am Handgelenk angebrachten Manschette und einer Kette.

Das OLG Stuttgart hatte mit Urteil vom 30.07.2015 den Freispruch des LG Stuttgart aufgehoben. Die gegen das Verbringen an einen anderen Ort gerichtete Ankettung der beiden Angeklagten erfüllt die Voraussetzungen von Widerstandshandlungen. Selbst wenn man nach Ansicht der Richter des 2. Strafsenats unterstellt, dass die Angeklagten mit der Ankettungsaktion bezweckten, öffentliche Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu erzielen, nahmen sie zumindest billigend in Kauf, dass dieser Zweck nur dadurch erreicht werden konnte, dass die Polizei die Ankettung jeweils mit technischem Gerät durchtrennen musste, um das Areal zu räumen. Diese Erschwerung der Räumung, die vom Eventualvorsatz der beiden Angeklagten umfasst war, genügt nach Ansicht der Richter für die Annahme einer Widerstandsleistung.

Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Steffgen hat viele Fälle im Bereich angeblicher Widerstandshandlungen erfolgreich verteidigt und Einstellungen und Freisprüche erreicht. Er ist seit 28 Jahren im Strafrecht spezialisiert.


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