Warum der Einspruch gegen die neuen Fahrverbote so erfolgversprechend ist

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Seit dem 28.04.2020 müssen Sie nicht mehr rasen, um ein Fahrverbot zu kassieren. Es genügt bereits, wenn Sie die erlaubte Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h überschreiten, um ein einmonatiges Fahrverbot zu kassieren.   

Autofahrern, die außerorts zu schnell waren, droht bereits ab einer Überschreitung von nur 26 km/h das Fahrverbot.

Vor dieser Verschärfung des Bußgeldkatalogs durch die StVO-Novelle war die Führerscheinabgabe für Ersttäter innerorts erst ab einer Überschreitung von 31 km/h und außerorts ab 41 km/h fällig.  

Nach massiver Kritik aus Kreisen der Autofahrer-Lobby bezeichnete Bundesverkehrsminister Scheuer diese Rechtsfolgen bereits am 15.05.2020 als unverhältnismäßig und im Sanktionsgefüge des Bußgeldkatalogs für unausgewogen. Er versprach deshalb, sich für eine schnelle Entschärfung der entsprechenden Passagen des Bußgeldkatalogs einzusetzen.  

Die Neujustierung der gerade erst verabschiedeten StVO-Novelle bedarf allerdings der Zustimmung des Bundesrates und die Länderkammer hat ja gerade erst der Änderungsverordnung der StVO mitsamt der umstrittenen Änderungen der Schwellenwerte für Fahrverbotssanktionen zugestimmt. 

Neuregelung könnte wegen gesetzlichen Formfehlers null und nichtig sein

Allerdings könnte dem Bundesverkehrsminister hier ein Formfehler im Gesetzgebungsverfahren zupasskommen, der der StVO-Novelle in Punkto verschärfte Fahrverbote den Makel der Unwirksamkeit anheften könnte.

Denn beim Erlass einer Verordnung muss die Verordnungsermächtigung, auf die sich der Verordnungsgeber stützt, ausdrücklich benannt werden. Das ist verfassungsrechtlich verankert und nennt sich „Zitiergebot“.

In der Präambel der jüngst ergangenen StVO-Reform fehlt jedoch der Verweis auf denjenigen Teil der Verordnungsermächtigung (nämlich § 26a Abs. 1 StVG), der die Änderung der Schwellenwerte für Fahrverbote erlaubt.

Kleines Versehen – große Wirkung  

Das Einfügen des verfassungsrechtlich gebotenen Verweises auf den entsprechenden Part der Verordnungsermächtigung ist wegen mangelhafter Abstimmung zwischen Verkehrsministerium und Bundesrat offenbar schlicht übersehen worden. Vielleicht, weil die Änderung der Fahrverbotsschwellen in der Ursprungsfassung der Reform gar nicht vorgesehen war.   

Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit könnte wegen des Verstoßes gegen das Zitiergebot nun sogar die gesamte Verordnung als nichtig anzusehen sein. Zumindest dürfte das unvollständige Zitieren der Ermächtigungsgrundlage dazu führen, dass zumindest die neuen Fahrverbote unwirksam sind.

Ein Präzedenzfall für ein solches Dilemma liegt erst 10 Jahre zurück. Der damalige Verkehrsminister Peter Ramsauer hatte die sogenannte Schilderwaldnovelle nach deren Erlass wegen eines Verstoßes gegen das „Zitiergebot“ auf einer Pressekonferenz für nichtig erklärt. Den Kommunen hätte die Neuregelung den Austausch zahlreicher Verkehrsschilder aufgezwungen, weshalb sie sich heftig gewehrt hatten. Man habe festgestellt, dass die von Bund und Ländern beschlossenen Änderungen wegen gesetzlicher Formfehler "nichtig" seien, sagte Ramsauer damals. Ein Austausch der Schilder sei unverhältnismäßig. Deshalb wolle er diesem "Schildbürgerstreich" ein Ende setzen.

Das ist juristisch umstritten. Zu einer gerichtlichen Klärung kam es nicht.

Aktuell ist aber nun zu erwarten, dass sämtliche Bundesländer einem vom Bundesverkehrsminister vorgelegten Änderungsentwurf zur Wiederanhebung der Fahrverbotsschwellen bei Geschwindigkeitsverstößen zustimmen werden - wenn auch nur, um eine drohende Klagewelle zu vermeiden.

Die Gunst der Stunde nutzen: Einspruch einlegen

Die Chancen, dass Auto- und Motorradfahrer, die als Ersttäter innerorts mit 21–30 km/h und außerorts mit 26–40 Km/h zu viel geblitzt wurden, das drohende Fahrverbot abwenden können stehen also gut.

Grundvoraussetzung dafür ist, dass gegen den Bußgeldbescheid, der das Fahrverbot anordnet, form- fristgerecht Einspruch eingelegt wird.      

Wird der Bußgeldkatalog anschließend geändert und das Fahrverbot abgeschafft, bevor über den Einspruch rechtskräftig entschieden wurde, muss die für den Betroffenen mildere Fassung Anwendung finden (§ 4 Abs. 3 OWiG). Es geht also darum, im Einspruchsverfahren Zeit zu gewinnen, bis der Verstoß angesichts einer neuen Rechtslage nicht mehr als fahrverbotswürdig eingestuft wird.

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Wenn Sie geblitzt wurden, rufen Sie uns gerne sofort an. Die Abwendung von Fahrverboten ist meine Spezialität. In einem kostenfreien Erstgespräch verschaffe ich Ihnen einen Überblick über die Chancen und Möglichkeiten, in Ihrem Fall erfolgreich gegen einen Bußgeldbescheid vorzugehen. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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