Warum Iraner die Genehmigung ihres eigenen Staates benötigen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben?

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Warum manche Iraner die Genehmigung ihres eigenen Staates benötigen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben, und warum dies im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland steht?

Die Regelung, dass iranische Staatsbürger die Genehmigung ihres Herkunftsstaates benötigen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben, wirft rechtliche, historische und menschenrechtliche Fragen auf. Dieser Artikel beleuchtet die Ursprünge dieser Praxis, ihre vertragliche Grundlage im Freundschaftsvertrag zwischen der Weimarer Republik und dem Königreich Persien von 1929, sowie ihre heutige Bedeutung im Lichte der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland.

Der Freundschaftsvertrag von 1929 Historischer Kontext

Am 17. Februar 1929 unterzeichneten die Weimarer Republik und das Königreich Persien einen Freundschaftsvertrag. Dieser Vertrag diente primär dazu, die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu regeln. Ein zentraler Aspekt des Vertrags war die gegenseitige Anerkennung der Staatsangehörigkeit und die Verpflichtung, dass keine der Vertragsparteien Staatsbürger des jeweils anderen Staates ohne dessen Genehmigung einbürgern dürfe. Motive hinter der Regelung:

Souveränitätsschutz: Beide Staaten wollten sicherstellen, dass ihre Staatsbürger nicht ohne Zustimmung des Herkunftsstaates die Bindung zu diesem aufgeben können. Dies diente dem Schutz der staatlichen Kontrolle über die eigene Bevölkerung.

Loyalitätsfragen: Zu einer Zeit, in der die Doppelstaatsbürgerschaft oft als Problem wahrgenommen wurde, sollte vermieden werden, dass Staatsbürger in Konflikte zwischen den Interessen beider Staaten geraten.

Diplomatische Beziehungen: Die gegenseitige Achtung der Souveränität war ein wichtiges Instrument zur Vermeidung bilateraler Spannungen.

Obwohl der Vertrag heute formal noch besteht, hat er rechtshistorische Bedeutung. Viele Bestimmungen wurden durch moderne bilaterale Abkommen oder internationale Verträge überholt. Dennoch bleibt die Frage der Genehmigung des Herkunftsstaates beim Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit ein Thema, das sich vor allem auf das iranische Staatsangehörigkeitsrecht stützt.

Das iranische Recht betrachtet die Staatsangehörigkeit als ein unveräußerliches Band zwischen dem Individuum und dem Staat. Die Aufgabe der Staatsangehörigkeit erfordert daher die ausdrückliche Genehmigung durch die iranische Regierung. Diese Praxis ist in den Gesetzen der Islamischen Republik Iran verankert und wird restriktiv gehandhabt, um einen potenziellen "Brain Drain" und den Verlust von nationaler Identität zu verhindern.

Auswirkungen in Deutschland

Nach deutschem Recht müssen Antragsteller für die Einbürgerung in der Regel ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben. Für iranische Staatsbürger ist dies oft problematisch, da die iranische Regierung selten bereit ist, die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit zu genehmigen. Dies führt dazu, dass viele Iraner in Deutschland gezwungen sind, ihre bisherige Staatsangehörigkeit beizubehalten, was wiederum eine Doppelstaatsbürgerschaft begründet.

Die Bundesrepublik Deutschland toleriert unter bestimmten Bedingungen die Doppelstaatsbürgerschaft, insbesondere wenn die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit unzumutbar oder unmöglich ist. Iranische Staatsbürger können sich auf diese Ausnahmeregelung berufen, müssen jedoch nachweisen, dass sie alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um die iranische Staatsangehörigkeit aufzugeben.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich durch den Beitritt zu internationalen Abkommen wie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dazu verpflichtet, Diskriminierungen zu vermeiden und das Recht auf Familienleben und Identität zu achten.

Einschränkung der Selbstbestimmung: Die Genehmigungspflicht des Herkunftsstaates kann als Verletzung des Rechts auf Selbstbestimmung interpretiert werden, da sie die freie Entscheidung über die eigene Staatsangehörigkeit einschränkt.

Diskriminierung: Da diese Regelung iranische Staatsbürger unverhältnismäßig betrifft, wird sie als rechtliche Diskriminierung angesehen werden.

Unverhältnismäßige Belastung: Die Notwendigkeit, die Zustimmung der iranischen Regierung einzuholen, stellt für viele Antragsteller eine unverhältnismäßige Belastung dar und kann ihre Integration in die deutsche Gesellschaft behindern.

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen betont, dass das Staatsangehörigkeitsrecht die Grundrechte der Betroffenen achten muss. In diesen Urteilen wird hervorgehoben:

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargestellt, dass Einschränkungen beim Erwerb der Staatsangehörigkeit verhältnismäßig sein müssen:

In der Entscheidung BVerfGE 83, 37 stellte das Gericht fest, dass der Schutz der Identität und das Recht auf Familienleben Vorrang vor unverhältnismäßigen Anforderungen im Staatsangehörigkeitsrecht haben müssen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in mehreren Fällen (z. B. Rottmann-Urteil, Rs. C-135/08), dass die Regelungen zur Staatsangehörigkeit nicht gegen grundlegende Rechte der EU-Bürger verstoßen dürfen und dass die Verhältnismäßigkeit stets gewahrt sein muss.

Recht auf Identität und Familienleben: Vorschriften, die unverhältnismäßig in diese Rechte eingreifen, sind grundrechtswidrig.

Verhältnismäßigkeit: Einschränkungen des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit müssen verhältnismäßig sein und dürfen die Integration nicht behindern.

Die Verpflichtung iranischer Staatsbürger, die Genehmigung ihres Herkunftsstaates einzuholen, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, ist rechtlich und praktisch problematisch. Sie hat historische Wurzeln im Freundschaftsvertrag von 1929, widerspricht jedoch modernen Grundsätzen der Selbstbestimmung und den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Um die Integration iranischer Staatsbürger zu erleichtern und den menschenrechtlichen Standards zu genügen, sollten pragmatische Lösungen geschaffen werden, die den Zwang zur Zustimmung des Herkunftsstaates abschaffen oder weitgehend umgehen.

Foto(s): dr. dr. iranbomy


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