Was bedeuten die Dieselentscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 30.07.2020?

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Rücktritt und Schadensersatz bei alten Verträgen

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) zuletzt in seinem lange erwarteten Urteil vom 25.05.2020 entschieden hatte, dass VW-Käufer gegenüber dem Hersteller Anspruch auf die Rückabwicklung des Kaufes, also die Rückgabe des Fahrzeuges gegen Wertersatz haben, sind aktuell weitere Entscheidungen in der Dieselthematik vom BGH ergangen. Im Mai wurde entschieden, dass der Käufer eines VW mit dem EA189-Motor das Fahrzeug an VW zurückgeben kann und dafür den Kaufpreis abzüglich eines Betrages für "gezogene Nutzungen", also die von ihm gefahrenen Kilometer, erstattet bekommen soll. Dieser Fall betraf einen Kaufvertrag aus der Zeit vor der Presseveröffentlichung von VW zu der Dieselsoftware im September 2015. Der BGH bestätigte diese Auffassung jetzt in einem weiteren Verfahren und führte dazu aus, dass auch das spätere Software-Update den Schaden nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht entfallen ließe. Die Sache geht nun zur Entscheidung zurück an das zuständige Oberlandesgericht. Weiter entschied der BGH, dass die "gezogenen Nutzungen" dazu führen können, dass diese den Schadensersatzanspruch der Höhe nach aufzehren: ist der Käufer also sehr viel mit dem Fahrzeug gefahren, verringert dies seinen Schadensersatzanspruch unter Umständen bis auf "Null". Hier kommt es entscheidend auf die tatsächliche Laufleistung und die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines Fahrzeuges an. Weiter wurde der Anspruch auf "Deliktszinsen" abgelehnt, also die Verzinsung des gezahlten Kaufpreises ab dem Kauf als weiteren Schaden, da dem Käufer ein voll nutzbares Fahrzeug zur Verfügung stand.

Kein Anspruch bei jüngeren Verträgen

Zugleich wurde für Fälle, in denen ein gebrauchtes Fahrzeug nach dem September 2015 gekauft wurde, vom BGH entschieden, dass hier bereits davon ausgegangen werden konnte, dass VW-Käufer um das Problem Dieselaffäre wussten oder wissen konnten. Sie waren im Ergebnis nicht mehr arglos im Rechtssinne, wenn sie ein solches Dieselfahrzeug erwarben. Deshalb wurde ein Rückabwicklungsanspruch für diese "jüngeren" Verträge verneint.

Verjährung?

Zum Streit um die Verjährung von Ansprüchen: wenn der BGH sich in seinen Entscheidungen auf die Presseveröffentlichung von VW im September 2015 stützt, wird dies höchstwahrscheinlich auch Folgen für die Verjährungsberechnung haben. Gerechnet ab diesem Zeitpunkt wären Ansprüche, die bis zum 31.12.2018 noch nicht geltend gemacht wurden, als verjährt anzusehen. Wobei selbstverständlich viele Faktoren hier noch hineinspielen können, wie z.B. etwaige Erklärungen zum Verjährungsverzicht, nach anderen gerichtlichen Entscheidungen auch die Aufforderung zur Nachrüstung des Software-Updates als Zeitpunkt, der für die Verjährungsberechnung entscheidend ist. Grundsätzlich klären wird sich die Verjährungsfrage daran, wann der Kunde erkennen konnte, dass ihn das Problem Dieselskandal betrifft. Hierzu ist eine Entscheidung des BGH genauso spannend zu erwarten.

Fazit

Weitere Entscheidungen des BGH zur Dieselthematik stehen an. Insgesamt aber verfestigt sich ein - interessengerechtes - Bild, das davon gekennzeichnet ist, dass keine der Seiten übervorteilt wird. Der Hersteller wird klar in die Pflicht genommen (anders als in der Regel die Händler, die letztlich ähnlich wenig für das Dieselproblem können wie die Kunden, denen sie das Fahrzeug verkauft haben). Der Kunde aber muss sich seinen Nutzungsvorteil und das mögliche Wissen um die Dieselaffäre, die nun einmal allgemein bekannt ist, zurechnen lassen. Mit den jetzt getroffenen Entscheidungen gibt es endlich eine Leitlinie für viele zehntausend schwebende Verfahren gegen VW geben. Viele der Kunden sind im Übrigen ja gewillt, ihr Fahrzeug zu behalten, wenn es denn mit einer zulässigen und funktionierenden Technik ausgerüstet ist. Ob sich eine Rückabwicklung von Altverträgen im Einzelfall lohnt, entscheidet sich für den Kunden letztlich schon über die Laufleistung seines Fahrzeuges.



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