Was kostet die Anmeldung zu einem Musterverfahren

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In den Medien und von Kanzleien wird vielfach darüber berichtet, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre potentiellen Ansprüche gegen Unternehmen auch durch die Anmeldung zu einem entsprechenden Musterverfahren wahren können, es erfolgt aber regelmäßig keine konkrete Aufklärung darüber, welche Kosten mit einer solchen Anmeldung verbunden sind. Witt Rechtsanwälte vertreten Betroffene in vielen verschiedenen Konstellationen zu derartigen Musterverfahren und können daher auch Angaben über die anfallenden Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren machen.


1.            Anmeldung zu Kapitalanleger-Musterverfahren oder Musterfeststellungsklage

Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob es sich bei dem betroffenen Musterverfahren um ein Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten, auch KapMuG-Verfahren genannt, handelt, oder um eine Musterfeststellungsklage nach § 606 ZPO bzw. mittlerweile nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz.


a)            Kapitalanleger-Musterverfahren

Der Anwendungsbereich von Kapitalanleger-Musterverfahren nach dem KapMuG ist, wie der Name schon verdeutlicht, auf Fragestellungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen begrenzt. Etwas verkürzt gesagt, kann ein solches KapMuG-Verfahren im Wesentlichen nur auf die Prüfung zu etwaigen Fehlern in Informationsunterlagen wie Verkaufsprospekten, Vermögensanlagen-Informationsblättern, Ad-hoc Mitteilungen, Geschäftsberichten usw. gerichtet sein.

Die deutsche Gesetzgebung ist unverändert nicht darauf gerichtet, Verbraucherinnen und Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte zu erleichtern, sondern sie zielt vorrangig auf einen verfehlten Schutz der Wirtschaft ab. In diesem Sinne ist es auch unterblieben, betroffenen Kapitalanlegerinnen und Kapitalanlegern einen einfachen Zugang zu amtlichen Informationen über etwaige Kapitalanleger-Musterverfahren zu eröffnen. Gerichtliche Maßnahmen, die auf die Eröffnung oder Durchführung eines KapMuG-Verfahrens gerichtet sind, werden zwar im elektronischen Bundesanzeiger in einem sogenannten Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz fortlaufend veröffentlicht, aber der Zugriff auf dieses Register und die dortigen Daten stellt sich leider als unnötig kompliziert heraus.

Die Möglichkeiten einer Suche auf der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers sind wahrscheinlich Veränderungen unterworfen, aber gegenwärtig kann man in dem entsprechenden Klageregister nach Unternehmen, Fonds oder Produkten suchen, wenn man für die Suche zunächst „Gerichtlicher Teil“ als Bereich auswählt und dann im Rahmen der „Erweiterten Suche“ den Unterbereich „Klageregister (nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz)“ auswählt.

Ein Hinweis darauf, dass es sich bei einem Musterverfahren um ein solches KapMuG-Verfahren handelt ist auch, wenn das gerichtliche Aktenzeichen das Kürzel „Kap“ enthält.

Für Geschädigte ist die Anmeldung ihrer Ansprüche zu einem Kapitalanleger Musterverfahren schon deshalb in der Regel sinnvoll, weil mit der Anmeldung eine Hemmung der Verjährung erreicht werden kann und damit verhindert wird, dass bis zur Klärung der grundsätzlichen Rechtsfragen der persönliche Anspruch verjährt ist.


b)           Musterfeststellungsklage

Die sogenannte Musterfeststellungsklage wurde ursprünglich mit den §§ 606 ff. ZPO eingeführt und zum 13.10.2023 in das neue Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz ausgelagert. Der Anwendungsbereich einer Musterfeststellungsklage bzw. der Gegenstand ihrer Musterfeststellungsziele ist einerseits viel weiter gefasst als das Kapitalanleger-Musterverfahren, aber andererseits kann eine Musterfeststellungsklage nur durch bestimmte Einrichtungen bzw. Verbände erhoben werden – in der Praxis sind das bisher nahezu ausschließlich Verbraucherzentralen bzw. der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv.

Das Ziel einer solchen Musterfeststellungsklage können verschiedenste rechtliche Vorfragen zu Ansprüchen bzw. Rechten von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen sein. Bisherige Anwendungsbereiche solcher Musterfeststellungsklagen waren beispielsweise Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Dieselskandal, Prämiensparverträge, Kontoführungsgebühren und die Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Über entsprechende Musterfeststellungsklagen bzw. Verbandsklagen informieren zum einen die entsprechenden Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband aktiv auf ihren Internetseiten und zum anderen unterhält das Bundesministerium der Justiz ein gut zu findendes Verbandsklageregister, in dem sowohl die Musterfeststellungsklagen nach § 606 ZPO als auch die neuen Verbandsklagen nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz dokumentiert sind.

Für betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Anmeldung ihrer Ansprüche zu einem Musterfeststellungsverfahren schon deshalb in der Regel sinnvoll, weil mit der Anmeldung eine Hemmung der Verjährung erreicht werden kann und damit verhindert wird, dass bis zur Klärung der grundsätzlichen Rechtsfragen der persönliche Anspruch verjährt ist. Außerdem wird nur durch die Anmeldung gewährleistet, dass die Entscheidung über die Musterfeststellungsklage auch für einen selbst gegenüber dem Unternehmen verbindlich ist.


2.            Was kostet die Anmeldung zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren

Für die Anmeldung der eigenen Ansprüche im Rahmen eines Kapitalanleger-Musterverfahrens müssen die Geschädigten nach dem Gesetz sowohl Gerichtskosten als auch Anwaltsgebühren tragen, da eine Anmeldung bei dem Oberlandesgericht, das das Musterverfahren eröffnet, nur über eine Anwältin oder einen Anwalt erfolgen kann.

Die Gerichtskosten belaufen sich auf eine sogenannte 0,5 Gebühr und die Anwaltskosten auf eine 0,8 Gebühr zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer. Diese Gebühren richten sich nach dem Gegenstandswert bzw. Streitwert, also der Höhe des individuellen Anspruchs, der zu dem Musterverfahren angemeldet wird. Im Internet finden sich diverse Rechner, mit denen man anhand dieses Anspruchs bzw. Schadens aus der Kapitalanlage die Höhe der Gerichtskosten und Anwaltsgebühren ermitteln kann, daher seien hier nur ein paar Beispiele aufgeführt.

Für die Anmeldung eines Schadens aus der betroffenen Kapitalanlage von 5.000,00 Euro zu einem Musterverfahren betragen die Gerichtsgebühr 80,50 Euro und die Anwaltskosten 341,77 Euro, zusammen also 422,27 Euro.

Für die Anmeldung eines Schadens aus der betroffenen Kapitalanlage von 50.000,00 Euro zu einem Musterverfahren betragen die Gerichtsgebühr 300,50 Euro und die Anwaltskosten 1.241,41 Euro, zusammen also 1.541,91 Euro.

Für die Anmeldung eines Schadens aus der betroffenen Kapitalanlage von 500.000,00 Euro zu einem Musterverfahren betragen die Gerichtsgebühr 1.950,50 Euro und die Anwaltskosten 3.392,93 Euro, zusammen also 5.343,43 Euro.

Prozentual betrachtet wird die Anmeldung also mit einem steigenden Schaden immer günstiger, was an der degressiven Ausgestaltung der Gerichtskosten und Anwaltsgebühren liegt, aber auch bei geringen Schäden ist die Anmeldung zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren in der Regel der kostengünstigste Weg, um eine Verjährung des persönlichen Schadensersatzanspruchs zu verhindern.


3.            Was kostet die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage

Für die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage ist keine anwaltliche Vertretung erforderlich und es fallen auch keine Gerichtskosten an – nehmen Verbraucherinnen und Verbraucher die Anmeldung selbst vor, so ist diese also kostenfrei.

Die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage und auch zu einer Verbandsklage kann online über ein Formular des Bundesministeriums der Justiz erfolgen. Man gelangt zu diesem Formular, wenn man über das oben genannte Verbandsklageregister auf der Seite des BMJ die Musterfeststellungsklage oder die Verbandsklage anklickt, zu der man sich anmelden will.


4.            Was ist bei der Anmeldung zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren und zu einer Musterfeststellungsklage zu beachten

Witt Rechtsanwälte betreuen Mandantinnen und Mandanten sowohl im Zusammenhang mit Kapitalanleger-Musterverfahren als auch mit Musterfeststellungsklagen. Das beinhaltet die Einleitung von Kapitalanleger-Musterverfahren und die Vertretung des Musterklägers oder anderer Beteiligter, die Anmeldung von Ansprüchen zu Kapitalanleger-Musterverfahren und die Erhebung von Musterfeststellungsklagen. In diesem Zusammenhang sollten Geschädigte bzw. Verbraucherinnen und Verbraucher insbesondere folgende Punkte berücksichtigen.


a)            Ausschlussfrist für die Anmeldung zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren

Ansprüche zu einem KapMuG-Verfahren können nicht zeitlich unbefristet bei dem zuständigen Oberlandesgericht angemeldet werden, sondern nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der öffentlichen Bekanntmachung des Musterklägers, der Musterbeklagten und des gerichtlichen Aktenzeichens durch das Oberlandesgericht im Klageregister.

Nachdem für die entsprechende Anmeldung ohnehin eine anwaltliche Unterstützung zwingend erforderlich ist, sollten sich Geschädigte daher sofort anwaltlich beraten lassen, wenn sie Kenntnis von einem entsprechenden Kapitalanleger-Musterverfahren erhalten haben, und es ist diesbezüglich auch sinnvoll, die Berichterstattung im Internet zu einer gescheiterten Kapitalanlage zu verfolgen.


b)           Ausschlussfrist für die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage

Die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage ist ab dem Zeitpunkt ihrer öffentlichen Bekanntgabe in dem Verbandsklageregister und nur bis letztmalig zu dem Tag vor der ersten Verhandlung des zuständigen Oberlandesgerichts über die Klage möglich. Der entsprechende Verhandlungstermin wird in dem Verbandsklageregister unter der Rubrik „Stand des Verfahrens/Terminsbestimmungen“ veröffentlicht. Die Anmeldung muss spätestens an dem Tag vor diesem ersten Verhandlungstermin erfolgen.


c)            Vorsicht bei der Darstellung des Sachverhalts

Inhalt einer Anmeldung sowohl zu einem Kapitalanleger-Musterverfahren als auch zu einer Musterfeststellungsklage ist zwingend die Darstellung der eigenen Betroffenheit bzw. des individuellen Sachverhalts und des etwaigen Anspruchs. Die richtige Darstellung ist dabei eine wesentliche Voraussetzung für die Hemmung der Verjährung.

Diesbezüglich sind die Anforderungen seitens der Gerichte bedauerlicherweise noch sehr unklar und es besteht eine Tendenz dazu, durch überzogene Anforderungen die Hemmung der Verjährung zu versagen. Danach würde trotz der fristgemäßen Anmeldung die Verjährung weiterlaufen und häufig auch eintreten, bevor das Kapitalanleger-Musterverfahren oder die Musterfeststellungsklage zu einem abschließenden Ergebnis geführt hat.

Die maßgeblich durch eine verbraucherfeindliche Rechtsprechung bestehende Rechtsunsicherheit an dieser Stelle ist sehr bedauerlich, sie bedeutet aber zum jetzigen Zeitpunkt, dass nicht nur bei der Anmeldung zu einem KapMuG-Verfahren die ohnehin vorgeschriebene anwaltliche Betreuung erforderlich ist, sondern Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich auch zu der Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage oder Verbandsklage zumindest dann anwaltlich beraten lassen, wenn Ansprüche in größerer Höhe betroffen sind. Bei Ansprüchen bis zu einer Höhe im mittleren vierstelligen Bereich ist es noch vertretbar, eine Anmeldung über das Formular des Bundesministeriums der Justiz selbst vorzunehmen, aber, wenn es um größere Beträge geht, sollte man sich insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Darstellung des Sachverhalts anwaltlich beraten lassen. Witt Rechtsanwälte stehen gerne für eine entsprechende Beratung zur Verfügung.


Witt Rechtsanwälte

Heidelberg München Oranienburg


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