Was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei Krankheit und Quarantäne?

  • 6 Minuten Lesezeit

Nach Wochen der Vorfreude ist es soweit und der lang ersehnte Urlaub kann endlich beginnen. Doch zu allem Überfluss werden Sie krank und der Urlaub ist dahin. Was passiert nun mit Ihrem Urlaubsanspruch? Haben Sie einen Anspruch auf eine Wiederholung des Urlaubs bzw. eine Erstattung Ihrer Urlaubstage? Und was passiert eigentlich, wenn Sie während Ihres Urlaubs aufgrund einer behördlichen Anordnung in Quarantäne müssen?


Die Grundlagen des Urlaubs

Der Urlaubsanspruch besteht grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um eine Vollzeit oder Teilzeitstelle handelt oder ob das Arbeitsverhältnis befristet oder unbefristet abgeschlossen wurde. Als Arbeitnehmer hat man somit einen gesetzlichen Urlaubsanspruch von mindestens vier Wochen, welcher sich aus dem Bundesurlaubsgesetz ergibt. Die genaue Anzahl der Urlaubstage richtet sich dabei nach den durchschnittlichen Arbeitstagen innerhalb einer Woche, d.h. bei einer Fünf-Tage-Woche besteht ein Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Urlaubstagen.


[Für weitere Einzelheiten zur Berechnung, zum Entstehen und zum Verfall des Urlaubs lesen Sie gerne meine Rechtstipps zu diesem Thema, zu finden auf meinem Anwalt.de-Profil]


Sinn und Zweck des Urlaubs sind dabei vor allem im Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers zu finden. Dieser soll sich durch eine bezahlte Auszeit von den Strapazen des Arbeitsalltags erholen und in dieser Zeit frei über seine Zeit verfügen können. Der Urlaubsanspruch ist daher als einer der wesentlichen Eckpfeiler der europäischen Grundrechte-Charta anzusehen. Doch was ist, wenn die Erholung durch Krankheit oder eine mögliche Quarantäne beeinträchtigt wird?


Arbeitsunfähig erkrankt während des Urlaubs

Sollten Sie während Ihres Urlaubs tatsächlich arbeitsunfähig erkranken, so werden die Tage der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Diese Regelung findet sich ebenfalls im Bundesurlaubsgesetz und soll den Erholungszweck des Urlaubs sichern. Denn die Erholung von den Strapazen des Arbeitsalltags kann nicht erreicht werden, wenn Sie aufgrund Ihrer Arbeitsunfähigkeit ohnehin von der Arbeitsleistung befreit gewesen wären.


Voraussetzung für den Erhalt Ihrer Urlaubstage ist jedoch, dass Sie die erkrankten Tage sowie die darauf resultierende Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachweisen. Das heißt, dass Sie zur Sicherung Ihres Urlaubsanspruchs auch während Ihres Urlaubs einen Arzt aufsuchen müssen und die Erkrankung dokumentieren lassen müssen. Des Weiteren darf es sich nicht um eine bloße Erkältung oder leichtere Erkrankung handeln. Wie auch bei der Entgeltfortzahlung muss Ihnen durch die Erkrankung eine Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung unmöglich sein. Sofern Sie also erkranken, ohne dass diese Erkrankung auch zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, erhalten sie auch Ihre Urlaubstage nicht gutgeschrieben.


Dem Arbeitgeber ist es zudem grundsätzlich möglich, bei berechtigten Zweifeln an Ihrer Erkrankung das ärztliche Attest bzw. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln und Ihnen die Gutschrift Ihrer Urlaubstage zu verweigern. Auch dies war zuletzt Thema zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen.


Ob Ihnen eine Gutschrift Ihrer Urlaubstage zusteht und ob Sie diese gegebenenfalls durch eine Klage vor dem Arbeitsgericht durchsetzen können sollte daher sorgfältig geprüft werden. Gerne stehe ich Ihnen hierbei zur Seite und unterstütze Sie bei der Prüfung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche.


Und was ist bei Quarantäne während des Urlaubs?

Doch was ist, wenn Sie während Ihres Urlaubs nicht selbst erkranken, sondern aufgrund einer behördlichen Anordnung in häusliche Quarantäne müssen? Zwar sind Sie in der Regel auch hier von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung befreit, doch wirklich erholsam und frei nutzbar ist diese Zeit in den eigenen 4-Wänden wohl nicht. Erhalten Sie auch hier Ihre Urlaubstage erstattet?


Regelungen für Urlaub ab September 2022

Mit der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes zum September 2022 hat sich die Beantwortung dieser Frage deutlich vereinfacht. Denn durch das Infektionsschutzgesetz wird seitdem geregelt, dass die Tage einer Absonderung (behördlich angeordnete Quarantäne- und Isolationszeiten) während des Erholungsurlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Ihr Urlaubsanspruch bleibt Ihnen somit erhalten, wenn Sie in der genehmigten Urlaubszeit eine entsprechende Anordnung erhalten.


Regelungen für Urlaub bis September 2022

Ob dies jedoch auch vor in Kraft treten dieser Regelung galt muss derzeit der Gerichtshof der europäischen Union [EuGH] klären.


Der dortige Kläger hatte seinen Urlaub im Dezember 2020 beantragt und auch durch die beklagte Arbeitgeberin genehmigt bekommen. Kurz vor Urlaubsantritt wurde jedoch bekannt, dass ein Kollege des Klägers positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Die zuständige Behörde ordnete für den Kläger die häusliche Quarantäne an - und das über den gesamten Urlaubszeitraum. Der Kläger verbrachte die Urlaubstage zum Schutz der anderen Mitbewohner überwiegend zwischen Schlaf- und Badezimmer - und beanspruchte nunmehr die Gutschrift seiner Urlaubstage, weil diese aufgrund der Quarantäne nicht ordentlich genommen werden konnten.


Die ersten Instanzen entschieden in der Sache zunächst unterschiedlich. Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, weil kein Fall der Arbeitsunfähigkeit vorliege, gab das Landesarbeitsgericht der Klage statt. Die Quarantäne und ihre Folgen seien mit der Erkrankung während des Urlaubs vergleichbar, so dass es auch hier eine Erstattung geben müsse. Die Revision wurde zugelassen, so dass nunmehr das Bundesarbeitsgericht entscheiden musste - und dieses gab die Entscheidung an den EuGH ab.


Ist bereits eine gewisse Entscheidung absehbar?

Die entscheidende Frage ist nunmehr also, ob die häusliche Quarantäne durch eine behördliche Verfügung, mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vergleichbar ist und ob somit auch in diesen Fällen die Urlaubstage nicht angerechnet werden.


Wie der EuGH letztlich in dieser Sache entscheiden wird steht derzeit noch nicht fest. Die Ungewissheit in dieser Frage zeigte sich zuletzt nicht nur aufgrund der bisherigen, unterschiedlichen Rechtsprechung, sondern auch aufgrund der oben dargestellten Änderung des Infektionsschutzgesetzes - auch der deutsche Gesetzgeber hielt hier eine Klärung scheinbar für notwendig.


Einen Vorausblick auf die Entscheidung des EuGH könnte jedoch die Abschlusserklärung des EuGH-Generalanwalts bieten. Nach dessen Einschätzung sei eine Gutschrift von in Quarantäne verbrachten Urlaubstagen auf den Jahresurlaub nicht erforderlich. In der einschlägigen EU-Charta sowie der europäischen Richtlinie ginge es insbesondere darum, den Arbeitnehmern der EU einen gewissen Mindesturlaub zu gewähren. Auch hier sei Ziel der Regelungen, den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu schaffen, nicht zu arbeiten, sich zu erholen und über diese Zeit frei verfügen zu können. Was die Regelungen nicht vorsehen und bezwecken sind tatsächliche Erfolge - d.h. eine tatsächliche Entspannung, Erholung und das Ausüben jeglicher Freizeitgestaltung. Der Generalanwalt äußert sich dahingehend: „Das Recht auf das tatsächliche Erhalten des Jahresurlaubs darf mithin nicht mit einem Recht auf das tatsächliche Ergebnis eines solchen Urlaubs verwechselt werden“.


Sollte sich der EuGH in dieser Angelegenheit also dem Generalanwalt anschließen, so sind Urlaubstage, die bis zum September 2022 aufgrund einer behördlichen Anordnung in häuslicher Quarantäne verbracht werden mussten, als tatsächlich gewährte und verbrauchte Urlaubstage auf den Jahresurlaub anzurechnen. Eine vergleichbare Situation wie mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit liege dann nicht vor.


Update vom 18.12.2023

Der EuGH hat sich in dieser Angelegenheit - wie durchaus zu erwarten war - der Abschlusserklärung und den Ausführungen des EuGH-Generalanwalts angeschlossen. Die angeordnete Quarantäne sei nicht mit einer Krankheit des Arbeitnehmers vergleichbar. Denn anders als im Krankheitsfall könne sich der Arbeitnehmer auch in einer behördlich angeordneten Quarantäne von den Strapazen des Arbeitsalltags erholen.

Konkret bedeutet dies also, dass Urlaubsansprüche, die bis zum September 2022 aufgrund einer angeordneten Quarantäne nicht "wirkungsvoll" genutzt werden konnten, nicht erstattet werden. Für Urlaubstage ab dem September 2022 gilt, wie weiter oben bereits dargestellt, die Regelung des Infektionsschutzgesetzes, wonach diese Tage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet  werden.


Fazit

Es bleibt somit festzuhalten, dass eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung Ihres Urlaubs in der Regel dazu führt, dass Ihnen die Urlaubstage gutgeschrieben werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch der Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit mittel Attest und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.


Mit Hinblick auf das Jahresende und ggf. erneut steigende Corona-Zahlen bleibt zudem der Hinweis auf die Regelung des Infektionsschutzgesetzes, wonach die in Quarantäne verbrachten Urlaubstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Für entsprechende Urlaubstage bis zum September 2022 wurde nun jedoch festgestellt, dass diese Urlaubstage als gewährt und verbraucht anzusehen sind.


Sie haben Fragen zu Ihrem Arbeitsverhältnis oder benötigen Unterstützung in einem arbeitsrechtlichen Fall? Ich berate und vertrete Sie gern. Schreiben Sie mir jederzeit gern eine E-Mail an info@kanzlei-apitzsch.de , über das Anwalt.de Profil oder rufen Sie mich einfach an unter 0341 234 60 119. Gemeinsam finden wir eine Lösung für Ihre Anliegen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Robert Apitzsch

Beiträge zum Thema