Was setzt die sog. „beleidigungsfreie Sphäre“ voraus?

  • 3 Minuten Lesezeit

Die Beleidigung gemäß § 185 Strafgesetzbuch

Die Beleidigung ist im Strafgesetzbuch geregelt. Dort heißt es im § 185 StGB: „Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Beleidigung gehört zu den sogenannten Ehrverletzungsdelikten, da mit einer beleidigenden Äußerung gezielt die Ehre des Betroffenen angegriffen werden soll. Unter einer Beleidigung versteht man konkret die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung durch Werturteile. Dabei kommen zwei verschiedene Konstellationen in Betracht:

  • Der Betroffene selbst wird durch den Täter beleidigt. Der Betroffene muss hier die Beleidigung selbst wahrnehmen und diese auch als solche verstehen können.
  • Der Täter äußert die Beleidigung gegenüber einem Dritten, der Betroffene selbst ist nicht anwesend. Hier ist es wichtig, dass der Dritte die Beleidigung wahrnimmt.

Die sog. „beleidigungsfreie Sphäre“

Es gibt außerdem Fälle, in denen es an einer Kundgabe fehlt, da sich der Täter bei der Äußerung in einer sogenannten „beleidigungsfreien Sphäre“ befunden hat. Es ist insoweit anerkannt, dass die Kundgabe aus gesellschaftlich-sozialen Gründen bei Gesprächen innerhalb der engeren Familie, unter Ehepaaren oder im Rahmen anderer, vergleichbarer und ebenso enger persönlicher Verhältnisse verneint wird, wenn die Vertraulichkeit nach den Umständen erkennbar ist und gewährleistet erscheint. In diesen Fällen wird der Schutz des persönlichen Freiraums des Täters über den Ehrschutz des Betroffenen gestellt.

Was sind die Grenzen der beleidigungsfreien Sphäre?

Mit dieser Frage musste sich Kammergericht (KG) in dem Beschluss 14. Juli 2020 (4 Ss 43/20) auseinandersetzen. Der Angeklagte – ein Polizeimeisteranwärter – hatte vorliegend in einem Treppenhaus der Polizeiakademie gegenüber seinem Kollegen und Freund bezüglich einer weiblichen Kollegin den folgenden Kommentar abgegeben, den ein Zeuge mitbekam: „Der würd‘ ich geben, der Kahba“. Mit diesem Kommentar wollte der Angeklagte in jugendlicher Vulgärsprache zum Ausdruck bringen, dass er gerne mit „der Kahba“ geschlechtlich verkehren würde, wobei das arabische Wort „Kahba“ auf Deutsch „Schlampe“ oder „Prostituierte“ bedeutet.

Das Kammergericht stand nun vor der Frage, ob sich der Angeklagte hinsichtlich der ehrenrührigen Äußerung in einer sog. „beleidigungsfreien Sphäre“ befand, da er den Kommentar schließlich gegenüber seinem Freund und Kollegen abgegeben hatte.

Entscheidung des KG: Die Vertraulichkeit muss nach den jeweiligen Umständen tatsächlich gewährleistet erscheinen 

Das Kammergericht führte in seinem Beschluss aus, dass es zwar einen Bereich vertraulicher Kommunikation innerhalb besonders ausgestalteter Vertrauensbeziehungen gibt, in der der Äußernde ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen und ohne Sorge vor staatlicher Sanktionierung kommunizieren darf (= „beleidigungsfreie Sphäre“).

Allerdings sei hierfür Voraussetzung, dass die Vertraulichkeit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls tatsächlich gewährleistet erscheint, die Kommunikation mithin gegen die Wahrnehmung durch Dritte abgeschirmt ist.

Vorliegend sei dies jedoch nicht der Fall. Der Angeklagte befand sich in einem Treppenhaus der Polizeiakademie und wusste, dass sich dort noch weitere Personen aufhielten bzw. sich jederzeit in das Treppenhaus begeben konnten. Besondere Maßnahmen, wie z.B. Flüstern, hat er indes nicht ergriffen.

Das Kammergericht kam daher zu dem Schluss, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der ehrenrührigen Äußerung nicht in einer beleidigungsfreien Sphäre befand.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen Beleidigung strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Steffen Dietrich