Wer auffährt, hat Schuld – auch auf der Autobahn

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Der Bundesgerichtshof hatte sich mit seiner Entscheidung vom 13.12.2016 -VI ZR 32/16 mit der Faustregel: „Wer auffährt, hat Schuld.“ befasst. Diesmal war unter anderem fraglich, ob dies auch auf der Autobahn gilt.

Folgenden Fall lag der Entscheidung zugrunde: Eine Motorradfahrerin fuhr auf der Hauptfahrbahn (der rechten Spur) der Autobahn 44. Nach ihren Angaben fuhr direkt vor ihr ein auf der Überholspur fahrendes Gespann (ein Kastenwagen mit Anhänger), welches abrupt abbremste und anschließend auf ihre Fahrbahn (die rechte Fahrspur) gezogen sei. Sie konnte dadurch nicht mehr rechtzeitig bremsen und es kam zu einem Unfall. Der Fahrer des Gespanns konnte nicht ermittelt werden. 

Die Motorradfahrerin klagte ihren Schadensersatzanspruch aus einem Entschädigungsfonds gemäß § 12 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) ein, da der Fahrer/die Fahrerin des Gespanns, der Halter und/oder Eigentümer und die Haftpflichtversicherung nicht ermittelt werden konnten. Die Klage richtete sich gegen den Verkehrsopferhilfe e. V., der den Unfallhergang bestritten hat. Die Klägerin verlor in allen drei Instanzen.

Die Klägerin hatte im Revisionsverfahren unter anderem gerügt, dass man ihr kein Verschulden unterstellen dürfe. Dem folgte der Bundesgerichtshof jedoch nicht. Der eigentliche Unfallhergang war streitig und konnte daher nicht aufgeklärt werden. Einzig der Sachverhalt, dass die Klägerin auf das Gespann aufgefahren ist, blieb unstreitig. Daher ist vom Gericht folgender Leitsatz veröffentlicht worden:

Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe, des sich auf den Anscheinsbeweis stützen Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.“

Die Klägerin konnte letztlich nicht beweisen, dass zuvor ein Verkehrsverstoß seitens des Gespanns vorlag. Sie blieb somit beweisfällig. Daher konnte sie auch nicht verhindern, dass zu ihren Lasten der Grundsatz: „Wer auffährt, hat Schuld.“ gewertet worden ist. Dieser gilt auch auf der Autobahn.

Fazit: Dieser Fall zeigt, dass ein Prozess in erster Linie nur dann gewonnen werden kann, wenn die notwendigen Beweise erbracht werden können, damit die Faustregel gerade nicht zum Tragen kommt. 

Wichtig zu wissen für den Verkehrsteilnehmer ist, dass es einen Entschädigungsfond gibt, wenn ein Unfallverursacher nicht ermittelt werden kann. Der Entschädigungsfond kann auch in Anspruch genommen werden, wenn der Unfallgegner den Unfall vorsätzlich begangen hat und deshalb seine Haftpflichtversicherung leistungsfrei ist. Für Bagatellschäden (bis einschließlich 500,00 EUR Schaden) kommt der Entschädigungsfond jedoch nicht auf, § 12 Absatz 2 Satz 2 PflVG. 


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