Werbeaussage "die neueste technische Innovation" kann irreführend sein

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OLG Hamm stuft Werbeaussage "die neueste technische Innovation" als irreführend ein, da eine weiterentwickelte Versionen existierte


Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der in der Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aufgeführt ist.


Diese Stellung legitimiert ihn insbesondere zur Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Zu seinen Mitgliedern gehören u.a. Ärztekammern sowie Arzneimittelhersteller.


UWG - Wettbewerbsrecht

Wer handelt nach dem Gesetz unlauter und wann ist eine geschäftliche Handlung irreführend?


§ 5 Abs. 1 UWG


Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.


§ 5 Abs. 2 S. 1 UWG


Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:


die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, [...]"


Beklagter betreibt irreführende Werbung für Haartransplantationen


Der Beklagte ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie und betreibt eine Arztpraxis, zu deren Leistungsspektrum Haartransplantationen gehören. Im April 2022 setzte er das computergesteuerte Haatransplantationsverfahren "C-Methode" in der "Update V"-Version ein und bewarb es in seinem Internetauftritt mit den Werbeaussagen:


  • "Die C-Methode ist die neueste technische Innovation...",
  • "...behandeln wir in unserer Klinik ab sofort mit der neuen Generation des Haar-Roboters C",
  • "Die neu überarbeitete Version des C-Systems punktet mit mehr Schnelligkeit und Flexibilität",
  • "NEU: verbessertes C® Update V",
  • "The new Generation: C"


Diese Werbeaussagen vermitteln dem angesprochene Verbraucher den Anschein, dass es sich bei dem eingesetzten Haartransplantationsverfahren um die neueste Version der "C-Methode" handelt. Zu diesem Zeitpunkt existierte jedoch bereits eine weiterentwickelte, jüngere Version der "C-Methode" mit der Versionsbezeichnung "U.".


Darüberhinaus ist diese Irreführung auch geschäftlich relevant. Die Aussagen sind geeignet, Verbraucher aufgrund dieser Fehlvorstellung zu einer Kontaktaufnahme mit der Praxis  und damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.


Beklagter bestreitet Klagebefugnis des Klägers – Kläger hält erfolgreich dagegen


Der Beklagte argumentiert, dass ein "konkretes räumliches und sachliches Wettbewerbsverhältnis" zwischen den Mitgliedern des Klägers und ihm nicht ersichtlich sei.


Es gehe nicht um Medizinprodukte/Arzneimittel, die Haarausfall/Glatzenbildung entgegenwirken sollen (vorhandene Haarwurzeln werden zu erneutem Haarwachstum angeregt), sondern um Haartransplantationen als Dienstleistung (Verpflanzung von Haarwurzeln an Stellen, an denen keine Haarwurzeln mehr waren).


In einem Wettbewerbsverhältnis zu ihm stünden demnach nur andere Haartransplanteure. Von Klägerseite wurde gegengehalten, dass das Bestehen einer Klagebefugnis in vorliegendem Fall nicht voraussetze, dass zu seinen unmittelbaren oder mittelbaren Mitgliedern auch Haartransplanteure zählen müssen.


Es sei völlig ausreichend, dass seine Mitglieder Waren oder Dienstleistungen vertrieben, die mit der streitgegenständlichen Dienstleistung (Haartransplantation) des Beklagten verwandt seien, was hier der Fall sei.


Auszug aus dem Urteil des OLG Hamm vom 29.08.2023, 4 U 222/22:


"Denn ein unter Haarausfall oder Glatzenbildung leidender Verbraucher habe insbesondere die Wahl, ob er eine Haartransplantation durchführen lasse oder ob er auf pharmakologischem Wege eine Verbesserung seines Haarwuchses zu erzielen versuche."


Eines seiner Mitglieder stellt für dieses Anwendungsgebiet ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel her und zwei weitere seiner Mitglieder vertreiben dieses Medikament.


OLG Hamm verwirft Urteil des LG Bochum


Das OLG Hamm schließt sich der Ansicht des Kläges an, ändert das Urteil LG Bochum ab und verurteilt den Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Haartransplantation nach der "C-Methode Update V" mit den zuvor genannten Angabe zu werben. Anderenfalls drohen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft von maximal 2 Jahren.


Entscheidungsgründe des OLG Hamm


Klage und Berufung sind zulässig - insbesondere nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.


"Dem [...] Kläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben. Dies ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten und des Landgerichts - jedenfalls bereits daraus, dass dem Kläger [...] sämtliche Apotheker aus dem G. Landesteil des Landes E. als mittelbare Mitglieder zuzurechnen sind und dass zum Warenangebot von Apotheken nach den - insoweit vom Beklagten nicht bestrittenen - Angaben des Klägers auch Arzneimittel für das             Anwendungsgebiet "Haarausfall/Glatzenbildung" gehören."


1. Gleiche Zweckbestimmung


Die Mitglieder des Klägers wie auch der Beklagte verfolgen das gleiche Ziel – die Gesundheit der Patienten.


Je nachdem worfür sich von Haarausfall/Glatzenbildung betroffene Patienten entscheiden – den pharmakologischen (Arzneimittel) oder den invasiven (Haartransplantation) Weg -  beeinträchtigt dies den Absatz des jeweils anderen, was sie zu Wettbewerbern macht.


2. Räumlicher Markt


Die Mitglieder des Klägers wie auch der Beklagte begegnen sich auf demselben räumlichen Markt. Der Beklagte bewirbt seine Dienstleistungen über seine Homepage bundesweit und damit auch im Bereich des Klägers bzw. seiner Mitglieder.


Darüberhinaus ist das Gericht der Meinung, dass die Werbung auch bundesweit auf Interesse stößt. Anders als bei z. B. Hausärzten ist bei einer beabsichtigen Inanspruchnahme einer Haartransplantation weniger die geographische Nähe zum Wohnsitz des Patienten entscheidungsrelevant, sondern vielmehr Ruf & Technik des transplantierenden Arztes.


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