Widerruf Autokredit – verbraucherfreundliche Rechtsprechung des EuGH kommt an

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Die Klägerin in einem Verfahren vor dem OLG Stuttgart hatte 2014 zur Finanzierung eines Autokaufs einen Kreditvertrag abgeschlossen. 2018 erklärte sie den Widerruf. Sie argumentierte, dass der Darlehensvertrag nicht alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen enthalten habe und dadurch die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. Daher können sie auch rund vier Jahre nach Vertragsschluss ihr Widerrufsrecht noch ausüben.

BGH: Verweisung auf alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB reicht nicht aus

Mit ihrer Klage hatte die Verbraucherin zunächst keinen Erfolg. Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart wiesen die Klage mit Hinweis darauf, dass die Widerrufsfrist bereits abgelaufen sei, ab. Davon ließ sich die Klägerin nicht beirren und zog vor den Bundesgerichtshof. Der BGH sah in der Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB“ eine fehlerhafte Widerrufsinformation.  Die Karlsruher Richter verwiesen den Fall zur erneuten Entscheidung an das OLG Stuttgart zurück (BGH, Urteil vom 30.03.2021 – XI ZR 142/20).

EUGH: Angaben zum Verzugszins und zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft

Und jetzt hatte die Stuttgarter Klage -mit Rückenwind aus Luxemburg- Erfolg. Die Klägerin konnte sich nämlich im weiteren Verfahrensverlauf auf die Urteilsserie des EUGH vom 09.09.2021 berufen.

Der Europäische Gerichtshof hat darin die Rechte der Verbraucher beim Widerruf von Autokrediten erheblich gestärkt. Der EuGH stellte klar, dass die von zahlreichen Banken gemachten Angaben zum Verzugszins oder zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind (EUGH, Urteile vom 09.09.2021 – C-33/20, C-155/20, C-187/20). Folge ist, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wird und der Widerruf des Kreditvertrags noch Jahre nach Abschluss möglich ist.

So seien auch im Darlehensvertrag des Stuttgarter Falls die Angaben zum Verzugszins nicht ausreichend. Das OLG Stuttgart folgte also „im zweiten Anlauf“ den Ausführungen der Klägerin und schloss sich der Argumentation des EuGH an.

OLG Stuttgart: Verzugszins muss mit konkretem Zinssatz angegeben werden

Der EuGH habe klargestellt, dass in einem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Verzugszins in Form eines konkreten Zinssatzes anzugeben sei. Ebenso müsse der Mechanismus zur Anpassung des Verzugszinssatzes konkret beschrieben werden. Hier habe die Bank lediglich angegeben, dass der Verzugszinssatz fünf Prozentpunkte über dem Basissatz liegt. Solch eine pauschale Angabe zum Verzugszins sei unzureichend, entschied das OLG Stuttgart. Die Widerrufsfrist sei daher nicht in Lauf gesetzt worden, und der Widerruf des Autokredits konnte noch rund vier Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrags wirksam erfolgen (Urteil des OLG Stuttgart vom 02.11.2021 – 6 U 32/19). 

Das OLG Stuttgart hat noch in weiteren Entscheidungen bestätigt, dass die pauschalen Angaben zum Verzugszins nicht ausreichend sind und daher der Widerruf des Kreditvertrags noch möglich ist (Urteile vom 21.12.2021 – 6 U 129/21 und 01.03.2022 – 6 U 551/19).

„Zahlreiche Banken haben derlei unzureichende Angaben zum Verzugszins oder zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung gemacht. Das eröffnet vielen Verbrauchern die Möglichkeit, ihr Darlehen noch Jahre nach Vertragsschluss zu widerrufen“, sagt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Stuttgart.

Eine besonders interessante Option ist der Widerrufsjoker bei Kreditverträgen zur Autofinanzierung. Da hier zwischen Kaufvertrag und Kreditvertrag häufig ein sog. verbundenes Geschäft vorliegt, werden durch einen erfolgreichen Widerruf beide Verträge rückabgewickelt. In diesen Fällen sollten Sie sich frühzeitig an einen in Widerrufssachen erfahrenen Anwalt wenden.  

Mehr Informationen: https://www.ra-staudenmayer.de/widerruf-autofinanzierung



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