Widerruf Darlehensvertrag: die wichtigsten Fragen zum Widerrufsjoker im Überblick

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Der europäische Gerichtshof hat in einer weitreichenden Grundsatzentscheidung (Az. C-66/19) die von nahezu allen Banken verwendeten Widerrufsbelehrungen für unzureichend erklärt und damit Millionen von Darlehensnehmern die Chance auf einen Widerruf ihres Darlehensvertrags eröffnet. Gerade Baufinanzierungen, die zwischen 2010 und 2016 abgeschlossen wurden, waren wesentlich „teurer“ als heutige Baudarlehen, sodass ein wirksamer Widerruf die Möglichkeit einer zinsgünstigen Umschuldung ermöglicht. Aber auch bei finanzierten Autokäufen und Leasingverträgen (insbesondere solche Fahrzeugen des Motortyps EA189 der Marken VW, Audi, Skoda usw., die vom sogenannten Abgasskandal betroffen sind), führt ein wirksamer Widerruf zur Rückabwicklung des Kaufs- und Darlehensvertrags. Der nachfolgende Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen, die Darlehensnehmer im Rahmen eines Widerrufs beachten sollten.

1. Was wurde vom EuGH zum Widerruf entschieden?

Hintergrund für das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. März (Az. C-66/19) ist ein Rechtsstreit eines Immobilienkreditnehmers mit der Kreissparkasse Saarlouis vor dem LG Saarbrücken. Die Luxemburger Richter erklärten die Widerrufsbelehrung im betreffenden Vertrag für unvereinbar mit europäischem Recht und gaben dem Kreditnehmer recht. 2016 war die EU-Kreditrichtlinie 2008/48 in Kraft getreten, die vorschreibt, dass Kunden in "klarer, prägnanter Form" zu informieren seien.

2. Wie ist die fehlerhafte Widerrufsbelehrung formuliert?

Der sog. "Kaskadenverweis" – also die Angaben in den Kreditverträgen, die auf eine nationale Vorschrift verweisen, die ihrerseits wieder auf andere Normen verweist – reicht dem EuGH nicht aus: In der Klausel, um die es geht, wird für den Beginn der Widerrufsfrist auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen – der wiederum verweist auf etliche andere Paragrafen. 

Die betroffenen Widerrufsbelehrungen lauten in der Regel so:

Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“ 

3. Welche Verträge sind konkret von der Entscheidung betroffen?

Betroffen sind vor allem Kredit- und Darlehensverträge, die zwischen Juni 2010 und März 2016 abgeschlossen wurden. 

Immobiliardarlehensverträge, die vor dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden, können nur in Ausnahmefällen noch heute widerrufen werden. 

Ein Widerruf ist möglich, wenn

  • überhaupt keine Widerrufsbelehrung erfolgt ist oder
  • der Vertrag in einer sog. Haustürsituation geschlossen wurde. Hier wurde der Darlehensvertrag zumeist außerhalb der Geschäftsräume des Kreditinstituts abgeschlossen (vgl. § 312b BGB). Weiter sind diese Verträge widerrufbar, wenn sie bis zum 21. Mai 2016 nicht von beiden Vertragsparteien vollständig erfüllt waren (Darlehen von der Bank ausbezahlt und vollständig zurückbezahlt). Wurden sie zurückbezahlt, endet das Widerrufsrecht einen Monat nach der Rückzahlung.

Immobiliardarlehensverträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 21.03.2016 abgeschlossen wurden, können derzeit noch unbegrenzt widerrufen werden, wenn die Widerrufsbelehrung falsch war, wenn keine Widerrufsbelehrung erfolgte oder wenn im Rahmen der Pflichtangaben ein sog. Kaskadenverweis gemacht wurden.

Immobiliardarlehensverträge, die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden, können aus den gleichen Gründen wie zuvor widerrufen werden. Allerdings ist die Befristung des Widerrufsrechts auf 12 Monate und 14 Tage zu beachten.

4. Welche Vorteile bietet ein Widerruf?

Der Widerruf eines Immobiliendarlehens führt dazu, dass der Verbraucher die von der Bank gezogenen Nutzungen zurückerhält. Neben den bezahlten Darlehenszinsen sind dies die Zinsen auf die Tilgungsleistungen. Wurde ein Darlehen vorzeitig vom Verbrauch abgelöst, führt ein Widerruf zur Rückzahlung der in der Regel fälligen Vorfälligkeitsentschädigung. Auch Bereitstellungszinsen, die die Bank für den Nichtabruf des Darlehens erhebt, sind im Falle eines wirksamen Widerrufs von der Bank zurückzuerstatten. 

Bei Autokrediten oder Leasing führt ein wirksamer Widerruf dazu, dass der Käufer die bezahlten Darlehensraten sowie eine geleistete Anzahlung gegen Rückgabe des Autos zurückerhält. Auch wenn der Käufer das finanzierte bzw. geleaste Fahrzeug mehrere Jahre genutzt hat, schuldet er hierfür keine Nutzungsentschädigung. Käufer eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Pkw des Motortyps EA189 stehen somit im Fall eines wirksamen Widerrufs des zugrunde liegenden Darlehensvertrages im Ergebnis besser als Kunden, die Schadensersatz geltend machen. Letztere müssen sich nach der derzeit überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eine sogenannte Nutzungsentschädigung vom Kaufpreis anrechnen lassen, was im Ergebnis den Anspruch erheblich mindern kann.

Rechtsanwalt Markus Mehlig berät und vertritt Kreditnehmer bundesweit bei der erfolgreichen Durchsetzung von Widerrufen bei Darlehensverträgen. Als seit vielen Jahren im Bankrecht spezialisierter Rechtsanwalt steht er Ihnen gerne im Rahmen eines kostenfreien Erstgesprächs zur Verfügung.



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