Wie können sich Vorstände oder Geschäftsführer gegen eine (fristlose) Kündigung wehren?

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Nicht selten werden Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer mit einer Kündigung konfrontiert, ohne dass dies vorher für sie absehbar war. Dazu wird etwa ein allgemeiner Besprechungstermin anberaumt, an dem dann völlig überraschend ein Rechtsbeistand der Gesellschaft teilnimmt, der ein außerordentliches Kündigungsschreiben überreicht sowie Büro- und Dienstwagenschlüssel herausverlangt und die sofortige Räumung des Arbeitsplatzes in die Wege leitet. Vorstand oder Geschäftsführer werden zudem gleichzeitig über die vorausgegangene Abberufung auf ihrer Organfunktion informiert. 

Auch wenn einzelne Anzeichen vorab möglicherweise schon eine solche Maßnahme angekündigt haben, die tatsächliche Situation stellt sich für die betroffenen Organmitglieder meist sehr radikal dar, sofern nicht eindeutige Umstände vorliegen, die einen derartigen „Rauswurf“ offensichtlich rechtfertigen. 

Insbesondere die außerordentliche Kündigung ist jedoch selten ein Selbstläufer für die Gesellschaft. Einerseits sind die rechtlichen Hürden für diese ultima ratio Maßnahme hoch. Zudem müssen – auch bei der ordentlichen Kündigung – die zugrunde liegenden Dienstverträge im Hinblick auf die bestehenden Kündigungsmöglichkeiten sehr genau geprüft werden.

Daher heißt es in jedem Fall, einen klaren Kopf zu bewahren und die notwendigen rechtlichen Schritte umgehend in die Wege zu leiten: 

  1. Sofern nicht bereits im Gespräch im Rahmen des Ausspruchs der fristlosen Kündigung geschehen, sollte sich das betroffene Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied unverzüglich gegen die erhobenen Vorwürfe verwehren. Dabei muss deutlich werden, dass das betroffene Organmitglied sich den Anschuldigungen entschieden entgegensetzt und sich der vorgeworfene Sachverhalt nicht wie dargestellt zugetragen hat.
  2. Die Gesellschaft sollte zudem unbedingt aufgefordert werden, schriftlich die Gründe für die außerordentliche Kündigung zu benennen. Der Kündigungsempfänger hat ein Recht darauf (§ 626 Absatz 2 Satz 3 BGB). Sofern die Gesellschaft dieser Aufforderung nachkommt, erhält das Organmitglied wichtige Informationen und kann seine Chancen für einen späteren Rechtsstreit besser abschätzen. Außerdem hat man den Kündigenden für das weitere Verfahren „festgenagelt“ auf die dargelegten Kündigungsgründe. Verweigert sich die Gesellschaft – was in der Praxis sehr häufig vorkommt – so verschaffen sich Vorstand oder Geschäftsführer die Möglichkeit, unter Umständen im weiteren Verfahrensverlauf unnötig entstandene Prozesskosten als zusätzlichen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.
  3. Außerdem ist es zu empfehlen, dass das Organmitglied die Fortführung seiner Dienste unmissverständlich weiterhin anbietet. Dies ist wichtig, um die Gesellschaft für die Zeit, in der Verhandlungen oder ein Rechtsstreit zwischen den Parteien geführt werden, zweifelsfrei in den sog. Annahmeverzug zu versetzen (§ 296 BGB). Handelt es sich um eine unberechtigte Kündigung, gerät die Gesellschaft in Annahmeverzug, wenn sie den Vorstand/Geschäftsführer nach Zugang der Kündigung nicht weiterbeschäftigt. Die Gesellschaft ist nämlich verpflichtet, einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und im Gegenzug dafür die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Auch wenn einige Gerichte bei einer fristlosen Kündigung kein wörtliches Angebot des Gekündigten mehr zur Begründung des Annahmeverzugs voraussetzen, sollte man an dieser Stelle auf Nummer sicher gehen. Es erweist sich in der Praxis auch als hilfreich, dieses Angebot in regelmäßigen Abständen aufrechtzuerhalten. Ein dadurch entstehender „Lästigkeitswert“ kann bei Aufhebungsverhandlungen ebenfalls hilfreich sein.
  4. Die nächste vom Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied in die Wege zuleitende Maßnahme ist ggfs. die Zurückweisung der Kündigung mangels einer ausreichenden Vollmachtsurkunde. Die fristgerechte Zurückweisung ist notwendig, um sich für die weiteren Auseinandersetzungen das Recht zu sichern, sich etwa auf Mängel des Aufsichtsrats- oder Gesellschafter-Beschlusses zur fristlosen Kündigung berufen zu können. Dies muss ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Absatz 1 BGB) geschehen, sodass der Gekündigte in der Regel ca. eine Woche Zeit hat, um sich Rechtsrat zu suchen.
  5. Gleichzeit ist es einen Versuch wert, über einen Anwalt herauszufinden, ob die Gesellschaft bereit ist, den sich ankündigenden Rechtsstreit im Kern zu ersticken und frühzeitig über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu sprechen. Zeigt sich die Gesellschaft in diesem frühen Stadium offen für Vertragsverhandlungen, ist dies ein Indiz dafür, dass die Rechtsposition des Kündigenden nicht ausgesprochen stark ist.
  6. Besteht keine Verhandlungsbereitschaft, gibt es keinen anderen Weg, als sich vor Gericht gegen die außerordentliche Kündigung zu wehren. Dazu stehen dem Organmitglied unterschiedliche Verteidigungsmittel bereit. Um die finanzielle Absicherung für die Dauer des Rechtsstreits sicherzustellen, empfiehlt es sich eine Klage im Urkundenverfahren einzureichen (§§ 592ff. ZPO). In diesem besonderen Gerichtsverfahren sind ausschließlich Originalurkunden als Beweismittel zugelassen. Die beklagte Gesellschaft kann allerdings nur selten Originalurkunden als Beweis für das Vorliegen von (außerordentlichen) Kündigungsgründen beibringen. Daher hat das gekündigte Organmitglied meist sehr gute Chancen, vergleichsweise schnell zu einem (Vorbehalts-)Urteil zu gelangen, in dem die Gesellschaft zur Fortzahlung der Vergütung bis zum regulären Vertragsende verpflichtet wird. Wehrt sich die kündigende Gesellschaft gegen das Vorbehaltsurteil, geht das Verfahren in das sog. Nachverfahren über. In diesem zweiten Verfahren wird dann die Rechtmäßigkeit der Kündigung vollumfänglich mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Beweismitteln überprüft. Das Organmitglied ist hierbei aufgrund des ersten Urteils (in jedem Fall psychologisch) im Vorteil, da es bereits einen Sieg gegen die Gesellschaft zu seinen Gunsten verbuchen kann. Dies spiegelt sich dann auch in den von der Gesellschaft zu tragenden Verfahrenskosten wider.
  7. Zudem steht es dem Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied frei, eine Klage auf Feststellung über das Fortbestehen des Dienstverhältnisses zu erheben und gleichzeitig gerichtlich gegen den Beschluss des Kontrollorgans über die Abberufung vorzugehen. Dies kann aus prozesstaktischen Erwägungen ebenfalls sehr von Vorteil sein. Es kann im Einzelfall auch sinnvoll sein, eine Klage vor dem Arbeitsgericht mit dem Hinweis auf die Arbeitnehmereigenschaften des gekündigten Geschäftsführers zu erheben.
  8. Neben diesen prozessualen Möglichkeiten sollte außerdem gut durchdacht werden, ob es zwischen den Parteien noch weitere Rechtsbeziehungen gibt, die im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen zu klären sind. Für den Fall, dass ein Vorstandsmitglied etwa gleichzeitig Aktionär der Gesellschaft ist, sollte die Teilnahme und ggfs. Antragstellung in der nächsten (außerordentlichen) Hauptversammlung erwogen werden. 

Selbstverständlich ist jeder Kündigungsfall anders gelagert und die optimale taktische Vorgehensweise muss auf den Einzelfall angepasst werden. Dabei unterstützen wir Sie gerne!


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