Wie Sie Ihr gemeinschaftliches Testament wirksam widerrufen (4/4)

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Der Widerruf eines Einzeltestamentes ist unproblematisch: Es wird vernichtet oder ein neues Testament errichtet mit der Präambel  „unter Widerruf all meiner vorangegangenen Testamente“. So einfach ist dies bei gemeinschaftlichen Testament allerdings nicht. Der Grund: Sie enthalten in aller Regel Verfügungen, die eine beiderseitige Bindung zur Folge haben und daher nicht einfach einseitig „aufgekündigt“ werden können (mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen…).

Der beiderseitige und einvernehmliche Widerruf

Wenn die Ehepartner sich einig sind, ist ein Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments jederzeit und formlos möglich, z.B. durch ein gemeinsames Vernichten des Testaments.

Aber:

Bitte berücksichtigen Sie, dass der einvernehmliche Widerruf eines gemeinschaftlichen und in amtliche Verwahrung gegebenen Testamentes erschwert ist. Es müssen beide Ehegatten zusammen das Testament, unter Vorlegung der Quittung, beim Nachlassgericht abholen; erst dann gilt es als widerrufen.

Der einseitige Widerruf einseitiger Verfügungen

Einseitige, d.h. nur von einem Ehegatten getroffene Verfügungen können jederzeit wie beim Einzeltestament widerrufen werden, nämlich durch Streichungen und/oder Ergänzungen, jedoch nicht durch Vernichten der gesamten Urkunde!

Beispiel: Die Ehefrau hatte ein Vermächtnis zugunsten ihrer Neffen verfügt, das nun nicht mehr gelten soll. Sie streicht den Passus handschriftlich aus und versieht ihn mit dem handschriftlichen Zusatz „gestrichen am …….., Unterschrift oder Handzeichen Ehefrau“

Der einseitige Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen

Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, die beide Ehegatten wechselseitig treffen in der übereinstimmenden Absicht, dass die Verfügung des einen Ehegatten mit der spiegelbildlichen Verfügung des anderen Ehegatten „stehen und fallen“ soll. 

Ein Beispiel ist die gegenseitige Erbeinsetzung: 

„Wir, die Eheleute xz und yz, setzen uns gegenseitig als alleinige und uneingeschränkte Erben ein.“

Das heißt: Herr XZ setzt seine Ehefrau zur alleinigen und uneingeschränkten Erbin ein (Verfügung 1) und Frau YZ setzt im Gegenzug ihren Ehemann als alleinigen und uneingeschränkten Erben ein (Verfügung 2), damit beide Ehegatten im Todesfall das eigene und das Vermögen des verstorbenen Ehegatten uneingeschränkt nutzen können. Solche Verfügungen sind wechselbezüglich. Und wechselbezügliche Verfügungen erzeugen, da sie einen Vertrauenstatbestand schaffen, eine gegenseitige Bindungswirkung.

Wechselbezügliche Verfügungen können nur sein

  • die Erbeinsetzung (z.B. die gegenseitige oder auch die Erbeinsetzung der gemeinsamen Kinder)
  • ein Vermächtnis (z.B. ein wechselseitiges Vorausvermächtnis für den Hausrat),
  • eine Auflage (z.B. betreffend die Sorge für das gemeinsame Haustier)
  • und die Wahl des anzuwendenden Rechts (Rechtswahl).

Hinweis:

Sollen eine oder mehrere Verfügungen der vorstehenden Art in Ihrem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich sein, fügen Sie dies, um spätere Zweifel zu vermeiden, unbedingt hinzu: „Diese Verfügung ist wechselbezüglich.“

Oder fügen Sie eine Klausel ein: „ Sämtliche der hier getroffenen Verfügungen sind, soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich.“

Oder: „…. sind nicht wechselbezüglich.“

Ein einseitiger Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen ist wegen der gegenseitigen Bindungswirkung nur zu Lebzeiten des anderen Ehegatten möglich und auch nicht formlos. Derjenige, der gegen den Willen des anderen Ehegatten einzelne Verfügungen oder das Testament insgesamt widerrufen möchte, muss ein  Widerrufstestament errichten. Das Widerrufstestament muss notariell beurkundet und dem anderen Ehegatten  förmlich und öffentlich, d.h. durch einen Gerichtsvollzieher, zugestellt werden.

Ein kompliziertes Prozedere, das einigen Zeitaufwand erfordert und Kosten verursacht!

Was geschehen muss, wenn der Ehegatte, dem der Widerruf zugehen soll, dement ist

Noch komplizierter und ggfls. auch zeitaufwendiger wird es, wenn der andere Ehegatte geschäftsunfähig geworden ist, z.B. wegen Demenz.

Bisher herrschte eine gewisse Unsicherheit darüber, ob der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments überhaupt gegenüber einem geschäftsunfähig gewordenen Ehegatten zulässig war. Dies hat der Bundesgerichtshof in 2021 bezüglich des Zugangs eines Rücktritts von einem Erbvertrag bestätigt (BGH Beschluss v. 27.01.2021, XII ZB 450/20, NJW 2021, 1455 ff).

Auf jeden Fall muss für den geschäftsunfähigen Ehegatten, sofern er noch nicht unter Rechtsbetreuung steht, ein Rechtsbetreuer bestellt werden mit dem Aufgabenkreis Empfang von Willenserklärungen, damit die Widerrufserklärung dem Rechtsbetreuer zugestellt werden kann.

Was geschehen muss, wenn das Testament in amtliche Verwahrung gegeben wurde (von den Eheleuten selbst oder von einem Notar)

Ein gemeinschaftliches Testament in besonderer amtlicher Verwahrung kann nur wirksam widerrufen werden, wenn beide Eheleute gemeinsam vor Gericht erscheinen und das Testament gemeinsam in Empfang nehmen; eine Versendung per Post ist ausgeschlossen. Zudem müssen beide Eheleute testierfähig sein. 

Ist einer der Ehegatten dement oder aus sonstigen Gründen nicht mehr testierfähig, so ist eine Stellvertretung, etwa im Rahmen einer Generalvollmacht, unzulässig, denn es handelt sich um ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. 

Es müsste also ein (Ergänzungs-) Betreuer bestellt werden, der mindestens den Aufgabenkreis Vermögenssorge zugewiesen bekommen hat, um die Rechtshandlung für den dementen Ehegatten wirksam vornehmen zu können.

Fazit:

Der umständliche Widerruf wechselbezüglicher, d.h. gegenseitig bindender Verfügungen ist der größte Nachteil eines gemeinschaftlichen Testaments!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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