Wie wird der Erwerbsschaden im Personenschadensrecht bei Kindern prognostiziert und berechnet?

  • 3 Minuten Lesezeit

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.

Wir haben den Erwerbsschaden illustrativ in unserem Erklärvideo dargestellt.

Grundsätzlich gilt:

Wenn ein Kind in jungen Jahren einen Behandlungsfehler oder Verkehrsunfall erleidet, dann hat es Anspruch auf Schmerzensgeld und Pflegekosten aber natürlich auch, wenn es so schwer geschädigt ist, das es nicht mehr arbeiten kann, auf den Ersatz dessen, was es voraussichtlich verdient hätte.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sagt, dass erst einmal die Vermutung besteht, dass ein junger Mensch alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wahrnehmen wird, um die berufliche Zukunft zu meistern und Geld zu verdienen.

In einem konkreten Einzelfall bedeutete dieser Grundsatz:

Das oberste deutsche Zivilgericht (BGH, Urteil vom 06.06.2000 – VI ZR 172/99) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine junge Frau, die schon Praktika in Pferdeställen absolviert hatte, nachdem sie den Hauptschulabschluss erreicht hatte, durch den Huftritt eines Pferdes so schwer geschädigt worden ist, sodass sie die Ausbildung zur Pferdewirtin nicht mehr antreten konnte. 

Der Bundesgerichtshof hat bei diesem Lebenslauf genügend Anknüpfungspunkte erkannt, dass die Prognose dahingehend zu stellen war, dass die Geschädigte es geschafft hätte den Beruf der Pferdewirtin zu ergreifen. 

Das Gericht hat ausgeführt: Bei der Beurteilung der voraussichtlichen beruflichen Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis gebietet § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bzw. nach den besonderen Umständen, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und zur bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann.

Zwar ist es hierbei Sache des Geschädigten, möglichst konkrete Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen für diese Prognose darzulegen. Die insoweit zu stellenden Anforderungen dürfen indes nicht überspannt werden

Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen – wie hier – der Geschädigte sich noch in der Schule, in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung befindet, weil er dann regelmäßig nur wenige Anhaltspunkte dafür darzutun vermag, wie sich seine berufliche Entwicklung voraussichtlich gestaltet hätte. 

In solchen Fällen darf der Tatrichter den Geschädigten deshalb im Rahmen der Schadensermittlung gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO nicht vorschnell auf die Unsicherheit möglicher Prognosen verweisen und insbesondere nicht daraus herleiten, dass kein Erwerbsschaden eingetreten sei

Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, dann liegt es vielmehr nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Für kleine Kinder gilt Folgendes

Das Problem bei kleineren Kindern ist, dass sie noch keinen Beruf haben und auch noch nicht über einen Beruf nachgedacht haben, weshalb man nicht weiß, in welcher Höhe der Schaden zu berechnen ist. Aus diesem Grunde – so die Rechtsprechung – sind Anknüpfungspunkte zu suchen. 

Diese findet man, indem man die Berufe der Eltern (eventuell auch der Großeltern) anschaut und den Weg von Geschwisterkindern beobachtet. Das sind auch nur Vermutungen für die spätere Berufswahl eines Kindes. Bei der Schadensschätzung kann man sich allerdings nicht anders behelfen.

Fällig wird der Verdienstausfall bei Kindern erst viele Jahre später, nämlich genau dann, wenn sie einen Beruf ergriffen hätten.

Wenn man mit dem Versicherer verhandelt, besteht auch die Möglichkeit, den Verdienstausfall zu kapitalisieren, sodass schon jetzt Geld aus der Zukunft gezahlt wird, dieses aber abgezinst wird, weil der Geschädigte oder dessen Eltern es weit vor der Zeit erhalten, als ihnen zusteht. Dieser Vorteil wird damit ausgeglichen, dass von dem Betrag etwas abgezogen wird.

Je nachdem, welchen Beruf man in den Verhandlungen zugrunde legt, geht es um sehr hohe Summen.

Foto(s): Dr. Wambach und Walter


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Rouven Walter

Beiträge zum Thema