Witwenrente trotz Sterbehilfe

  • 1 Minuten Lesezeit

Man stelle sich die folgende Situation vor: Der geliebte Ehemann verunglückt auf dem Heimweg von der Arbeit schwer. Er liegt fortan im Wachkoma, willkürliche Reaktionen sind ihm nicht mehr möglich. Er ist ein Schwerstpflegefall. Nach ca. 4 Jahren kommt die Gewissheit, dass sich dieser Zustand auch nicht mehr ändern wird.

Entsprechend dem zuvor geäußerten Wunsch stellen daraufhin die Ehefrau und die Kinder die künstliche Ernährung ein, das Unfallopfer stirbt wenig später. Die Situation ist soweit furchtbar genug. Die Ehefrau wendet sich später an die gesetzliche Unfallversicherung. Da ihr Mann den Unfall auf dem Heimweg von der Arbeit erlitten hat, steht ihr grundsätzlich eine Hinterbliebenenrente zu.

Sehr schockiert dürfte die Witwe dann gewesen sein, als sie erfuhr, dass die gesetzliche Unfallversicherung die Leistung ablehnte. Mit einem anscheinend ganz einfachen, augenscheinlich zutreffenden und zynischen Grund: Die Witwe habe den verstorbenen Ehemann durch die Einstellung der künstlichen Ernährung ja schließlich umgebracht. Und wer einen Versicherten vorsätzlich tötet, hat keinen Anspruch auf Leistungen, sagt § 101 SGB VII (Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung).

Die Witwe reichte gegen die Ablehnung Klage ein. Das Sozialgericht und später das Landessozialgericht gaben der Witwe Recht. Ein gerechtfertigter Behandlungsabbruch bei dem der Wille des Patienten zum Ausdruck gebracht wird, kann auch im Sozialrecht nicht zu leistungsrechtlich negativen Konsequenzen führen.

Die beklagte Unfallkasse legte gegen die Entscheidungen des Sozialgericht und des Landessozialgericht jeweils Rechtsmittel ein. Das Bundessozialgericht bestätigte jedoch die Entscheidung und entschied in letzter Instanz, dass die Witwe eine Hinterbliebenenrente erhält. (Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. Dezember 2014, B 2 U 18/13 R)

Leider muss auch ich feststellen, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften, Unfallkassen) bei weitem nicht mehr so versichertenfreundlich sind, wie sie es lange galten. Dieser Fall dürfte allerdings ein zynischer Tiefpunkt besonderer Art sein.

Rechtsanwalt Guido C. Bischof

Fachanwalt für Medizinrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Guido C. Bischof

Beiträge zum Thema